Kölsche Zipfelmützen-Action
Von Oliver Kube„Die Heinzels 2 - Neue Mützen, neue Mission“ startet an Heiligabend in den deutschen Kinos. Mit ihrer Mischung aus Action, Abenteuer und sogar ein wenig Romantik ist die familientaugliche Animationskomödie geradezu prädestiniert, kleinen Kinofans das Warten auf die abendliche Bescherung spannend und witzig zu verkürzen. Aber auch danach wird die turbulente Fortsetzung des Anfang 2020 erschienen Überraschungs-Hits „Die Heinzels – Rückkehr der Heinzelmännchen“ sicherlich ihr verdientes Publikum finden.
Die Inszenierung der modernisierten Interpretation der Anfang des 19. Jahrhunderts in Köln entstandenen Heinzelmännchen-Sage übernahm dabei erneut Ute von Münchow-Pohl. Für die „Der kleine Rabe Socke“-Regisseurin wäre es nach dem Erfolg des ersten Films sicher ein Leichtes gewesen, das Ganze einfach exakt so weiterzuspinnen. Doch sie und ihr Drehbuchautor Jan Claudius Strathmann („Die Tigerentenbande“) trauen sich und ihrem Publikum mehr zu als einen schlichten zweiten Aufguss. Mit einer noch aufwändigeren visuellen Umsetzung, witzigen neuen Figuren sowie mehr einer Extraportion Originalität beim Storytelling gelingt es ihnen, den gelungenen Erstling nicht nur in puncto Action und Dynamik zu übertreffen.
Heinzelmädchen Helvi (Stimme: Jella Haase) ist jung, mutig und immer auf der Suche nach einem Abenteuer – am liebsten in der Welt der Menschen, die von ihrer Existenz nichts ahnen. Und weil letzteres unbedingt so bleiben soll, sorgt Helvis Erkundungslust die pflichtbewusste und strenge Heinzels-Anführerin Vendla (Sybille Kuhne) nur noch miesepetriger. Nachdem die fleißigen Kobolde dank Helvis Unvorsichtigkeit bei einem nächtlichen Hilfseinsatz in einer Schneiderinnenstube um ein Haar aufgeflogen wären, setzt es deshalb Hausarrest.
Als sie die Langeweile gar nicht mehr aushält, büxt Helvi aus und trifft zu ihrer großen Überraschung auf eine Gruppe ihr völlig unbekannter Heinzels. Die haben nicht nur viel coolere Mützen auf, sie machen auch deutlich spannendere Dinge. Spontan schließt Helvi sich den aus ihr bis dato noch unbekannten Motiven kürzlich von Wien nach Köln übergesiedelten Heinzels an, die den Leuten nicht helfen, sondern ihnen lieber Streiche spielen oder Kleinigkeiten stehlen. Daran hat Helvi unheimlich viel Spaß. Allerdings nur so lange, bis ihnen die hartnäckige Kommissarin Lanski (Annette Frier) mithilfe einer erstklassig ausgebildeten Polizeikatze auf die Schliche zu kommen droht…
Eine zweite Heinzels-Gruppe einzuführen, die sich konträr zu den aus dem ersten Teil bekannten, eher konservativ-altmodischen Figuren verhält, stellt sich schon früh im Ablauf als gute Idee heraus. Sorgt diese doch nicht nur für willkommene Abwechslung, sondern auch für deutlich mehr Tempo in der märchenhaften Geschichte. Erfreulicherweise gelingt das auf eine Art, die eine Kenntnis des Vorgängers nicht voraussetzt. Denn die ersten paar Minuten machen auch Uneingeweihte flott und effizient mit dem Szenario vertraut.
Formell geben die leicht rowdyhaften Vettern und Basen aus der österreichischen Hauptstadt hier klassische Antagonist*innen. Da sie aber nicht wirklich böse, sondern einfach nur auf Schabernack aus sind, ist relativ schnell klar, dass die Konfrontation mit den alteingesessenen Heinzels gut ausgehen wird. Aber das ist gar nicht schlimm. Ein einfallsreich gestalteter Weg zu einem bekannten Ziel kann schließlich ebenso unterhaltsam sein wie das Rätselraten über einen ungewissen Ausgang. Dabei lernen die Kids vor der Leinwand, dass es rundum erfüllend und alles andere als langweilig sein kann, füreinander einzustehen.
Die wichtigste Rolle neben der erneut von „Fack ju Göhte“-Star Jella Haase gesprochenen Helvi spielt dabei Heinzeljunge Bo (Paul Pizzera), der im Kreise seiner überdrehten, draufgängerischen und in breitem Wienerisch schnatternden Gesell*innen als schüchtern, fast schon zaghaft auffällt. Es ist witzig zu beobachten, wie die beiden Nachwuchsheinzels in vielen Belangen genau gegenteilig zum Rest ihrer jeweiligen Gruppe denken und handeln – Helvi laut, frech und unternehmungslustig, Bo eher ruhig, introvertiert und vorsichtig. Schon allein deshalb scheint Helvi zunächst bestens zu den Neuankömmlingen zu passen, während Bo sich in ihrem Kreis immer etwas fehl am Platze fühlt und bei den wilden Abenteuern am liebsten gar nicht mitmachen würde.
Nach dem alten „Gegensätze ziehen sich an“-Prinzip gibt es dennoch gleich eine glaubhaft freundschaftliche Verbindung zwischen den Youngstern. Haase spricht ihre Figur wieder mit wunderbarem Enthusiasmus. Wobei Helvi im Vergleich zum Erstling eine klare Entwicklung durchgemacht hat. Sie ist noch immer mutig und vorlaut, hat aber für eine so junge Person auch eine erstaunliche Gerechtigkeitsliebe und echten Gemeinschaftssinn entwickelt.
Die Animation ist auf europäischem Budget-Level top. Die Figuren – Heinzels, Menschen und Tiere – haben einen eigenständigen Look jenseits von Hollywood oder japanischen Anime-Projekten und sind allesamt mit erfreulich vielseitigen visuellen Charakteristika ausgestattet. Große Action-Sequenzen wie ein Flug mit einem selbstgebastelten Hängegleiter samt anschließendem Crash oder ein in Richtung „Mission: Impossible“ aufgezogener Coup werden ebenso farbenfroh wie detailverliebt präsentiert. Speziell in Bezug auf die Hintergründe und Panoramen sind im Vergleich zum Vorgänger echte Fortschritte erzielt worden – was die gezeigte Welt um einiges greifbarer macht.
Apropos Authentizität: Auch wenn „Die Heinzels 2“ merklich mehr (an manchen Stellen vielleicht ein wenig zu sehr) in Richtung des internationalen Markts schielt, ist es schön zu sehen, dass Köln nicht nur weiterhin in den Dialogen vorkommt und in den Bildern immer wieder erkennbar ist, sondern sogar eine gewisse Rolle spielt. So führt die Suche nach den beiden größten Zipfelmützen der Stadt etwa geradewegs zu den Türmen des bekanntesten Wahrzeichens der Rheinmetropole. Das macht Laune und liefert – ebenso wie ein paar kurze Sätze in kölschem Regiolekt – willkommenes Lokalkolorit, das uns immer wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubert. So darf man sich schon jetzt auf den dritten Teil freuen, auf den wir dann hoffentlich nicht wieder fünf Jahre warten müssen.
Fazit: So mutig und frech wie seine Hauptfigur traut sich das Sequel, ausgetretene Pfade zu verlassen und sich mit Schwung in ein neues, etwas anderes, sogar noch turbulenteres Abenteuer zu stürzen. Die erstklassige Optik ist dabei das Krönchen im kölschen Karneval.