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    Carry-On
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Carry-On

    Netflix' atemlose Antwort auf die "Stirb langsam"-Filme

    Von Lutz Granert

    Der spanische Filmemacher Jaume Collet-Serra hat Verkehrsmittel schon mehrfach in den Mittelpunkt seiner Werke gerückt. Dabei entpuppte sich eine Erpressung während einer Zugfahrt für einen Berufspendler in „The Commuter“ als ebenso nervenaufreibend wie der von einem Ultimatum begleitete Flug für einen Air Marshal in „Non-Stop“. In „Carry-On“ entsteht die Bedrohung nun schon ein Schritt weiter vorne – an einem Flughafen. Ruhiger lässt es der für dynamisches Bewegungskino stehende Thriller-Spezialist deswegen aber in seinem vorab mit der „Stirb langsam“-Reihe verglichenen Werk nicht angehen. Ganz im Gegenteil.

    Die Bedrohung durch ein tödliches Nervengas an einem hochfrequentierten Airport an Weihnachten erreicht noch einmal eine ganz besondere Intensität. Der allererste Film aus einer Zusammenarbeit von Steven Spielbergs Produktionsfirma Amblin Partners und Netflix könnte den einen oder die anderen dazu bringen, bei der nächsten Reise ein anderes Verkehrsmittel als das Flugzeug in Betracht zu ziehen. Auch wenn der Plot hin und wieder mit ein paar Stolpersteinen zu kämpfen hat und ein paar Wendungen arg konstruiert wirken, liefert Jaume Collet-Serra so einmal mehr einen temporeichen und hoch spannenden Actionthriller ab.

    In Bewegung: Taron Egerton als Ethan Kopek. Netflix
    In Bewegung: Taron Egerton als Ethan Kopek.

    Ethan Kopek (Taron Egerton) ist Sicherheitsbeamter am Los Angeles International Airport, an dem auch seine inzwischen schwangere Freundin Nora Parisi (Sofia Carson) angestellt ist. Doch kurz nach Beginn seiner Schicht an Heiligabend nimmt ein mysteriöser Terrorist (Jason Bateman) mit ihm Kontakt auf. Gemeinsam mit seinem Komplizen hat er sich in die Überwachungssysteme gehackt und alles im Blick. Und er droht damit, Nora zu erschießen, wenn Kopek bei der Sicherheitskontrolle nicht den Reisenden Mateo Flores (Tonatiuh) und vor allem dessen Gepäck passieren lässt.

    Als der Koffer bei Kopek an der Sicherheitskontrolle ankommt und durchleuchtet wird, befindet sich darin eine Apparatur, die das Nervengift Nowitschok enthält. Es ist klar, dass es an Bord eines Fluges freigesetzt werden soll und zahlreiche Todesopfer drohen. Während Ethan verzweifelt nach einer Chance sucht, die drohende Katastrophe zu vereiteln und trotzdem seine große Liebe zu retten, ermittelt parallel die FBI-Agentin Elena Cole (Danielle Deadwyler) im Mord an einem Kollegen, der mit dem geplanten Anschlag in Verbindung steht...

    Auf den Spuren von "Stirb langsam 2" – mit weniger Action trotz mehr Sprints

    Bei Actionfilmen, die an Weihnachten spielen, drängt sich natürlich immer der Vergleich mit „Stirb langsam“ auf. Hier fallen natürlich sofort die Parallelen zur ersten Fortsetzung „Stirb langsam 2“ ins Auge, wo eine Söldnertruppe die Kontrolle über einen Flughafen übernimmt und es (im Wesentlichen) an Bruce Willis als Ein-Mann-Armee liegt, diese auszuschalten. Doch Jaume Collet-Serra geht mit dem Szenario anders um als sein Kollege Renny Harlin vor 34 Jahren bei dem Genre-Klassiker. Er setzt weniger auf brutale und blutige Duelle, sondern vielmehr auf ein hohes Tempo. Der passend zur Situation stets verbissen und angespannt dreinschauende „Rocketman“-Star Taron Egerton darf sich nur selten mit Widersachern prügeln. Stattdessen muss er immer wieder durch die Empfangshalle, die langen Flure der gesicherten Mitarbeiterbereiche und durch die Katakomben des Flughafens sprinten.

    Bei diesem kaum Raum zum Luftholen lassenden Kino der ständigen Bewegung, wie man es von Collet-Serra kennt, entsteht eine hohe Dynamik, sodass es gar nicht so ins Gewicht fällt, dass es nur selten besonders lange oder gar herausragende Actionszenen gibt. Eigentlich sticht hier sogar nur eine sichtlich mit Computereffekten aufgepeppte, schnittlose Plansequenz heraus, bei der FBI-Agentin Elena Cole in einem fahrenden Auto auf dem Highway sich mit dem Fahrer prügelt und dabei reihenweise Crashs passieren.

    FBI-Agentin Elena Cole könnte mit ihren Ermittlungen eine Verbündete werden. Netflix
    FBI-Agentin Elena Cole könnte mit ihren Ermittlungen eine Verbündete werden.

    In „Carry-On“ geht es mit hoher Schlagzahl immer weiter, weil das Drehbuch von dem langjährigen Videospiel-Autor T.J. Fixman („Ratchet & Clank“-Reihe) und von Michael Green („Blade Runner 2049“) voller Wendungen ist. Da gibt es unter anderem geheime Botschaften mit unsichtbarer Tinte, einen falschen Homeland-Security-Beamten und weitere Erpressungsopfer, die der namenlos bleibende Terrorist in sein perfides Spiel verwickelt hat. Bei dem rasanten Fortgang der Ereignisse bleibt kaum Zeit, infrage zu stellen, wie viel von dem Plot eigentlich ziemlich konstruiert wirkt und ob der im weiteren Verlauf sehr clever agierende Ethan sich anfangs vielleicht etwas leicht und willfährig einschüchtern lässt. Aufgewogen wird das ohnehin von einem erfrischend gegen den (komödiantischen) Strich besetzten Jason Bateman („Air – Der große Wurf“). Als kaltschnäuziger Erpresser mit stechendem Blick, der Ethan auch ungefragt Beziehungstipps gibt, ist er so überzeugend, dass man versteht, warum seine Opfer den Anweisungen für gewöhnlich folgeleisten.

    Während dieses Überraschungscasting an den einst aus dem Hut gezauberten Alan Rickman und damit erneut an „Stirb langsam“ erinnert, gelingt das bei Atmosphäre und Setting nicht ganz. Auch wenn Kameramann Lyle Vincent („A Girl Walks Home Alone At Night“) auf unterkühlte Bilder setzt, wirkt es unglaublich willkürlich, das Geschehen an Weihnachten spielen zu lassen. Die spärlich verteilte Dekoration im Wartebereich des Flughafens trägt auf jeden Fall kaum zur Festtagsstimmung bei. Und da wir uns im auch im Dezember meist recht angenehmen Los Angeles befinden (gedreht wurde allerdings in New Orleans und Cleveland), ist natürlich ein Schneegestöber wie bei „Stirb langsam 2“ ebenfalls nichts zu erwarten.

    Fazit: Mit hohem Tempo und zahlreiche Wendungen lässt der Netflix-Action-Thriller „Carry-On“ kaum Zeit zum Luftholen und wird seinem Ruf als „neuer ‚Stirb langsam‛“ durchaus gerecht – auch wenn zum kommenden Weihnachtsklassiker dann doch mindestens eine festliche oder winterliche Atmosphäre fehlt.

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