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    Kraven The Hunter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Kraven The Hunter

    Das SSU enttäuscht auch mit R-Rating

    Von Julius Vietzen

    Als „enttäuschend blutleeres Symbionten-Getümmel“ bezeichnete FILMSTARTS-Autor Sidney Schering „Venom 2: Let There Be Carnage“ in unserer 2-Sterne-Kritik zum Film. Damit bringt er ein unter Marvel-Fans weit verbreitetes Gefühl zum Ausdruck: Die Filme aus dem sogenannten SSU (Sony's Spider-Man Universe) wären mit einem R-Rating womöglich besser, weil das zu in den Comics oft sehr brutal agierenden Figuren wie Venom und Carnage passt. Doch „Kraven The Hunter“ liefert nun den ziemlich eindeutigen Beweis, dass ein SSU-Film mit einer US-Altersfreigabe für Erwachsene (in Deutschland ist „Kraven“ ab 16 Jahren freigegeben) nicht zwangsläufig unterhaltsamer ist.

    Denn der mit einer Laufzeit von 127 Minuten mit Abstand längste SSU-Film ist über weite Strecken vor allem eins: verdammt öde. Regisseur J.C. Chandor („Triple Frontier“) nimmt sich ausgiebig Zeit für eine zwischen albern und unspektakulär changierende Origin Story. Dabei dauern viele Dialogszenen einfach zu lange und jede und jeder im prominent besetzten Cast scheint in einem anderen Film zu agieren. Die wenigen, oft sehr kurzen Actionszenen stechen zwar durch ihre Brutalität hervor, ändern an der in „Kraven“ vorherrschenden Langeweile aber nur wenig.

    Das Superhelden-Sixpack hat er, das nötige Charisma zeigt er viel zu selten: Aaron Taylor-Johnson als Kraven. Sony Pictures
    Das Superhelden-Sixpack hat er, das nötige Charisma zeigt er viel zu selten: Aaron Taylor-Johnson als Kraven.

    Sergei Kravinoff (Aaron Taylor-Johnson) wurde als Jugendlicher bei einem Jagdausflug in Afrika von einem riesigen Löwen angegriffen und überlebte nur durch einen mysteriösen Trank, den ihm die gleichaltrige Calypso (als Erwachsene: Ariana DeBose) eingeflößt hat. Seitdem ist er verdammt stark, kann sehr schnell rennen, hat übermenschlich scharfe Sinne und eine besondere Verbindung zu wilden Tieren. Das nutzt er vornehmlich, um Jagd auf allerlei Schurken zu machen. Seinen Vater Nikolai Kravinoff (Russell Crowe) hat er jedoch immer verschont, obwohl dieser über ein Drogenimperium herrscht und Sergeis Kindheit sowie die seines jüngeren Bruders Dmitri (Fred Hechinger) zur Hölle gemacht hat.

    Nachdem Kraven in einem russischen Gefängnis zugeschlagen hat, gerät er jedoch ins Visier des Gangsterbosses Aleksei Sytsevich (Alessandro Nivola), der sein Territorium in London vergrößern möchte. Mit der Hilfe eines mysteriösen Killers namens The Foreigner (Christopher Abbott) versucht Aleksei, Kraven aus dem Weg zu räumen. Dafür hat er mit Dmitri auch dessen einzige Schwachstelle ausgemacht...

    Ein R-Rating macht noch keinen guten Film

    Wer sich aufgrund der US-Altersfreigabe von „Kraven The Hunter“ eine exzessiv-gewalttätige Sause erhofft, wird ganz sicher enttäuscht. Denn die wenigen Gewaltspitzen fallen auf die Gesamtlaufzeit gerechnet kaum ins Gewicht. Sie sind zwar ordentlich brutal, lassen aber trotzdem jegliche Wirkung vermissen, weil sie nicht sonderlich spektakulär inszeniert sind. Wenn Kraven in einer Szene etwa einem Schergen die Nase abbeißt, quittiert man das dann auch nur mit einem Schulterzucken. Besser ist da schon eine Verfolgungsjagd durch die Straßen von London, bei der Kraven barfuß einem Auto hinterherhetzt, in dem sein entführter Bruder steckt.

    Wenn Kraven durch die englische Hauptstadt flitzt und schlittert, hat das nicht nur eine Menge Dynamik. Es ist auch deutlich zu sehen, dass hier tatsächlich echte Stuntleute ihre Knochen hingehalten haben. Über viele andere Actionszenen kann man das allerdings nicht sagen. Bei Kravens häufigen Parcour-Einlagen an Häuserwänden sticht so immer wieder der nicht besonders überzeugende Einsatz eines computeranimierten Doubles ins Auge. Ähnlich sieht es bei den zahlreichen CGI-Tieren aus: Während der Löwe vom Anfang noch an die Qualität von Disneys „Der König der Löwen“-Neuverfilmung erinnert, fallen eine Büffelherde und ein Leopard dagegen schon deutlich ab.

    Actionszenen wie diese gibt es in „Kraven The Hunter“ erstaunlich selten. Sony Pictures
    Actionszenen wie diese gibt es in „Kraven The Hunter“ erstaunlich selten.

    Das größere Problem ist, dass solche Actionszenen die Ausnahme bleiben, weil sich Regisseur J.C. Chandor für Blockbuster-Verhältnisse zwischendurch erstaunlich viel Zeit für andere Dinge nimmt. Nach dem Auftakt im russischen Gefängnis zeigt eine Rückblende, wie Kraven zu seinen Superkräften kommt. Mit Tarotkarten, einem mysteriösen Zaubertrank und dem Blut des erwähnten Löwens, die allesamt irgendwie eine nicht genauer erklärte Rolle spielen, ist diese Entstehungsgeschichte aber ebenso beliebig wie uninteressant geraten.

    Das wäre noch zu verkraften, wenn Chandor und seine Drehbuchautoren in der Folge das Tempo wieder anziehen würden. Stattdessen hängt „Kraven The Hunter“ gerade im Mittelteil gewaltig durch – was vor allem daran liegt, dass hier ständig Figuren Exposition aufsagen müssen und mehrere Dialogszenen viel zu lange dauern. Daran ändern auch Stars wie Russell Crowe (Oscar für „Gladiator“), Ariana DeBose (Oscar für „West Side Story“) oder der als neuer James Bond gehandelte Aaron Taylor-Johnson wenig. Chandor hat zwar einen auf dem Papier starken Cast versammelt, dessen Zusammenspiel jedoch enttäuscht.

    Russell Crowe stiehlt allen die Show

    Das erste Wiedersehen von Kraven und Calypso als Erwachsene dreht sich etwa schon nach wenigen Sekunden im Kreis. Das Zusammenwirken des Paares ist ohnehin ermüdend, weil eine Chemie zwischen Aaron Taylor-Johnson und Ariana DeBose einfach nicht zu spüren ist. Die gefeierte Darstellerin aus dem Erfolgsmusical „Hamilton“ wirkt in der Marvel-Verfilmung ohnehin ziemlich fehl am Platz. Zumindest in einer Beerdigungsszene ganz sie kurz ihre ganze Klasse zeigen.

    Taylor-Johnson hingegen macht zwar mit Sixpack und Fünf-Tage-Bart optisch eine gute Figur, dürfte mit „Kraven The Hunter“ aber dennoch kaum Punkte im 007-Rennen sammeln. Seine in Filmen wie „Bullet Train“ eigentlich zu Genüge unter Beweis gestellte Leinwandpräsenz verschwindet hinter einer monoton-knurrigen Performance komplett. Die Leading-Man-Qualiäten fehlen, was vor allem im Vergleich zu Russell Crowe auffällt. Die Leinwand-Legende kann als Nikolai Kravinoff sein ganzes Charisma zum Tragen bringen und dem Affen immer wieder kräftig Zucker geben. Köstlich ist jene Szene, in welcher er beim gemeinsamen Jagdausflug Alessando Nivolas Figur zur Schnecke macht. Und so freut man sich auf jeden weiteren Auftritt Crowes – und das nicht nur, um zu sehen, welches neue, bunt gemusterte Halstuch er in der nächsten Szene wohl tragen wird.

    Wirklich bedrohlich sieht Alessandro Nivolas als Bösewicht nicht aus. Sony Pictures
    Wirklich bedrohlich sieht Alessandro Nivolas als Bösewicht nicht aus.

    Alessandro Nivola („Face/Off“) hingegen scheint als Aleksei Sytsevich alias Rhino vor allem eine Menge Spaß beim Dreh gehabt zu haben. Doch wenn er in einer fast schon grotesken Szene den durch die Gegend schleichenden Kraven nachäfft, agiert er wie in einem komplett anderen Film. Hinzu kommt, dass er mit seinem weißen Hemd und seinem kleinen schwarzen Rucksack (der ohne zu viel zu verraten etwas mit seiner Rhino-Verwandlung zu tun hat) wirklich verdammt wenig nach einem Bösewicht in einem Superhelden- bzw. Antiheldenfilm aussieht.

    Fazit: „Kraven The Hunter“ ist zwar wesentlich brutaler als die bisherigen Film aus Sonys Spider-Man-Universum, aber kein bisschen besser.

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