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    Wuthering Heights - Emily Brontës Sturmhöhe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Wuthering Heights - Emily Brontës Sturmhöhe
    Von Andreas Staben

    Emily Brontës einziger Roman „Sturmhöhe" ist eines der berühmtesten Bücher des 19. Jahrhunderts. William Wylers 1939er Filmfassung von „Sturmhöhe" gilt ebenfalls als Klassiker, viele weitere Leinwandadaptionen - etwa von Luis Buñuel und Jacques Rivette - sind seither entstanden. Für jeden Filmemacher ist es bei einem so bekannten Stoff eine besondere Herausforderung, die richtige Balance von Eigenständigkeit und Vorlagentreue zu halten. Für die neueste Version von „Wuthering Heights", die bei den Filmfestspielen in Venedig 2011 ihre Weltpremiere feierte, wurde mit Andrea Arnold eine Regisseurin engagiert, die von sich selber sagt, mit Kostümdramen kaum etwas anfangen zu können. Und so hat die Spezialistin für sozialrealistische Gegenwartsstoffe dann auch eine sehr eigenwillige und moderne Bearbeitung vorgelegt. Für Gesprächsstoff sorgte dabei bereits im Vorfeld ihre Entscheidung, den Protagonistenpart des Heathcliff erstmals einem schwarzen Schauspieler anzuvertrauen. Diese erweist sich wie vieles in der Inszenierung als durchaus schlüssig, aber nicht restlos überzeugend. Insgesamt ist Arnolds „Wuthering Heights" ein in vielen Einzelheiten faszinierendes Drama über eine Obsession, es fehlt dabei allerdings zwangsläufig der Sog der großen, tragischen Liebesgeschichte.

    Um 1840: Farmer Earnshaw (Paul Hilton) nimmt einen obdachlosen Jungen (Solomon Glave), den er auf den Straßen Liverpools aufgelesen hat, bei sich auf. Das Kind wird auf den Namen Heatchcliff getauft und wie ein Familienmitglied im abgelegenen Moorland Yorckshire großgezogen. Während der Farmerssohn Hindley den neuen Bruder wegen seiner dunklen Hautfarbe nie akzeptiert, freundet sich seine Schwester Catherine (Shannon Beer) mit Heathcliff an. Zwischen den beiden jungen Leuten entwickelt sich im Laufe der Jahre eine Romanze ohne Worte. Nach dem Tod des Hausherrn übernimmt der von der Universität zurückgekehrte Hindley das Kommando, verbannt Heathcliff als Arbeitssklaven in den Stall und verbietet ihm den Kontakt mit Cathy. Als der Gedemütigte dann auch noch mithört, wie Cathy dem Dienstmädchen Nelly (Simone Jackson) beichtet, dass sie den reichen Nachbarssohn heiraten soll, aber eigentlich ihn liebt, verschwindet er ohne Abschied. Jahre später kehrt Heatchcliff (jetzt: James Howson) zurück, er ist inzwischen zu Geld gekommen und quartiert sich als zahlender Gast bei Hindley (Lee Shaw) ein. Seine Liebe zu Cathy (jetzt: Kaya Scodelario) ist nie erloschen und das Wiedersehen mit der nun Verheirateten gestaltet sich dramatisch...

    Wer Andrea Arnolds erste Spielfilme „Red Road" und „Fish Tank" gesehen hat, weiß, dass er bei „Wuthering Heights" kein 08/15-Kostümdrama zu erwarten hat. Das war wohl auch das Kalkül der Produzenten, die das Projekt nach langer und wechselhafter Entwicklungsphase an die Engländerin übergeben haben. Vorher waren die Regisseure Peter Webber („Das Mädchen mit dem Perlenohrring (Girl with a Pearl Earring)") und John Maybury („The Edge of Love") im Gespräch, die für die weibliche Hauptrolle mit Stars wie Natalie Portman („Black Swan"), Abbie Cornish („Bright Star") und Gemma Arterton („Immer Drama um Tamara") verhandelten. Eine von Arnolds ersten und glücklichsten Entscheidungen war, stattdessen auf unbekannte Gesichter zu setzen. Einen weiteren wichtigen Akzent setzte sie zudem, indem sie Heathcliff ganz klar ins Zentrum rückte.

    Der Film beginnt mit einem Prolog, in dem ein verzweifelter Mann mit Händen und Kopf gegen eine Zimmerwand schlägt, auf der die Namen Heathcliff und Cathy zu erkennen sind. Arnold legt ihre Karten gleich auf den Tisch: Inhaltlich, indem sie mit Heathcliff beginnt und mit seinem verheerenden Zustand; formal, indem sie ihrer Hauptfigur mit unruhiger Handkamera in Nahaufnahmen auf den Leib rückt. Gerade diese bewegte Kameraarbeit steht in hartem Kontrast zur tableauartigen Schönheit vieler Kostümfilme. Arnolds Ansatz ist dagegen gleichermaßen anstrengend anzuschauen und schlüssig. Wenn hier junge Liebende über das weite Moorland tollen, wird die innere Bewegung ganz unmittelbar nach außen getragen. Die karg-schöne Landschaft mit den tiefhängenden Wolken erscheint ohne Beleuchtungsschnickschnack ebenfalls besonders wirkungsvoll, ähnlich wie die direkt aufgenommenen Wind- und Sturmgeräusche. Ihr Beharren auf diese „realistische" Seite lässt Arnold allerdings gelegentlich auch die Grenze zur Prätention überschreiten, etwa wenn sie die Kamera gnadenlos draufhalten lässt, wenn ein Schaf getötet oder einem Kaninchen der Hals umgedreht wird.

    Das von Heathcliff einmal herausgebrüllte „Fuck you, you cunts" stammt nicht aus Brontës Text. Arnold lässt ihre Protagonisten sprechen, als bevölkerten sie ihre vorigen Gegenwartsdramen - das ist allerdings eher ein Verfremdungseffekt, als dass es die Identifikation erleichtern könnte. Die romantisch übersteigerte Liebe zwischen Heathcliff und Cathy wird hier entsprechend zur modern-sprachlosen Faszination miteinander, die sich bei dem jungen Mann, der im Lauf der Handlung zu einer Art Stalker wird, in eine Obsession auswächst. Seine Blicke sind zunächst voller Neugier, Angst und erwachender Lust, später stecken in ihnen ein zunehmend krankhaftes Begehren, Eifersucht und Wut. Besonders der junge Solomon Glave leistet in Arnolds Choreographie des Lauerns und Entdeckens Herausragendes. Seine bewegende Darstellung wird perfekt ergänzt durch James Howson, der den älteren Heathcliff spielt. Der hat nun etwas härtere Gesichtszüge, seine offene, beeinflussbare Persönlichkeit ist einer unumkehrbaren Bitterkeit gewichen. Ähnlich genial wird die Entwicklung von Cathy durch die Besetzung verdeutlicht. Das Mädchen (Shannon Beer) ist noch ein Wildfang, der sich mit Heathcliff im Schlamm wälzt, die junge Frau (Kaya Scodekario) dagegen ist eine domestizierte Ehefrau, die sich bis zur Krankheit gegen ihre Gefühle wehrt.

    Fazit: „Wuthering Heights" ist eine reizvoll-eigenwillige, etwas kopflastige Umsetzung des Romanklassikers, die vor allem durch die unverbrauchten Jungdarsteller an emotionaler Tiefe gewinnt.

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