Horrorfilme glänzen selten mit ausgefallenen Erzähltechniken, die über das Abspulen gängiger und beim Publikum etablierter Strukturen hinausgehen. Insbesondere die zahlreichen Direct-To-DVD-Produktionen, die Woche für Woche in die Videotheken geschwemmt werden, lassen in puncto Einfallsreichtum häufig viele Wünsche offen. Umso erfreulicher ist es daher, wenn nun mit „Triangle" ein um Horror-Elemente angereicherter Mystery-Thriller in die Regale kommt, der mit einer raffiniert angelegten Geschichte aufwartet und weitestgehend auf Splattereinlagen und abgegriffene Schockmomente verzichtet. Der britische Regisseur und Drehbuchautor Christopher Smith („Severance", „Black Death") macht vor, wie aus einer simplen Grundidee ein spannender Film erwachsen kann, der trotz seines überschaubaren Budgets erfreulich aus dem Einheitsbrei hervorsticht.
„Triangle" funktioniert am besten, je weniger man über die Story weiß. Der Inhalt sei daher nur kurz angerissen: Jess (Melissa George, „Mulholland Drive", „30 Days of Night"), junge Mutter eines autistischen Sohnes, unternimmt am Wochenende mit einigen Freunden einen Segeltörn. Als die kleine Yacht in einen fürchterlichen Sturm gerät und kentert, können sich die Schiffbrüchigen mit Mühe und Not auf einen verlassenen Ozeandampfer retten. Die Kabinen stehen leer, die Brücke ist unbemannt, die Korridore scheinen verwaist. Es dauert jedoch nicht lange, bis die Freunde feststellen, dass sie nicht alleine an Bord sind: Ein maskierter Killer macht mit einer Flinte Jagd auf die Gestrandeten...
Was zunächst nach einer Fortsetzung von „Open Water" oder einfallsarmer Standardkost aus der Slasher-Abteilung klingen mag, entpuppt sich schnell als geschickt arrangiertes Spiel mit variierten Handlungsfäden und wiederkehrenden Mustern. Christopher Smith bricht schon nach einer halben Stunde mit den üblichen Genrekonventionen und spart sich undurchdachte Gruseleien auf hoher See, die einst das „Ghost Ship" absaufen ließen. Sein Drehbuch fährt keineswegs nur die klassische Zehn-kleine-Negerlein-Schiene, vielmehr dürften insbesondere Freunde von „Stay", „Lola rennt" oder „Donnie Darko" auf ihre Kosten kommen. Im Fahrwasser dieser meisterhaften Vorbilder fordert auch Smith den Verstand des Zuschauers, der sich mit zunehmender Spieldauer ein immer schlüssigeres Gesamtbild zusammenpuzzlen darf: Welche rätselhafte Geschichte weiß der mysteriöse Kahn, der offenbar schon seit Jahrzehnten über die Weltmeere schippert, zu erzählen? Verwischen hier etwa die Grenzen zwischen Realität und Albtraum?
Wer an Bord des Schiffs den ganz großen Nervenkitzel erwartet, könnte enttäuscht werden: „Triangle" hat andere Stärken. Zum Beispiel Hauptdarstellerin Melissa George, die sich wie schon Franka Potente im durchwachsenen Smith-Debüt „Creep" schnell als Alleinunterhalterin erweist. Während sich der deutsche Hollywood-Export auf einen Horror-Trip in Londoner U-Bahn-Schächte begab, muss die „Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte"-Darstellerin in „Triangle" das Geheimnis des Ozeanriesen auf eigene Faust lösen. Während Jess als Mutter und verzweifelte Kämpferin detailliert charakterisiert wird, bleiben ihre Wegbegleiter austauschbare Randfiguren. Aufgrund der Gesamtanlage des Films, dessen Untertitel „Die Angst kommt in Wellen" treffender kaum formuliert werden könnte, ist dies jedoch zu verschmerzen. Unterstützt von solider Kameraarbeit nimmt der Betrachter an Deck vorwiegend die Perspektive von Jess ein, wird vom Drehbuch aber mehr als einmal an der Nase herumgeführt. Neben einigen Anspielungen auf Stanley Kubricks Stephen-King-Verfilmung „The Shining" zitiert Smith auch die griechische Mythologie, indem er sein Schiff „Aeolus" tauft und auf den Helden Sisyphos verweist, der einst erfolglos seinen Stein den Berg hinaufrollen musste. Was dem Betrachter lange Rätsel aufgibt, erfährt in der Auflösung schließlich seine Erklärung.
Offensichtlichste Schwäche des Films sind die dürftigen visuellen Effekte, die insbesondere während des einleitenden Sturms auf hoher See unübersehbar sind. Da „Triangle" selten Effekthascherei betreibt, fällt dies nicht allzu sehr ins Gewicht und sei auch angesichts des niedrigen Budgets verziehen. Übler stößt da neben kleineren Logiklöchern schon das allzu stupide Vorgehen der Schiffbrüchigen auf, die sich nach Ankunft auf dem Dampfer natürlich gleich trennen, um der Reihe nach dem optisch an „The Strangers" erinnernden Killer in die Arme zu laufen.
„Triangle" bleibt trotzdem ein sehenswerter Geheimtipp, der die Regeln des Genres frech missachtet. Statt mit Schema F Schiffbruch zu erleiden, wirft der Film seine anfängliche Vorhersehbarkeit buchstäblich über Bord und überlässt es stattdessen dem Zuschauer, sich seinen eigenen Reim auf die Geschehnisse zu machen.