Immer öfter heißt es, wie ähnlich Kinofilme und Computerspiele sich doch inzwischen seien. Aber auch wenn die Spieleentwickler immer mehr Wert auf das erzählerische Element legen und Kino-Blockbuster im Gegenzug gewisse Actionszenen nur mit Blick auf die Konsolenauswertung enthalten, sind die Unterschiede zwischen den Medien doch immer noch größer als die Gemeinsamkeiten. Schließlich raubt man einem Computerspiel bei einer Adaption für die Leinwand das Gameplay - und damit die eigentliche Daseinsberechtigung. Aus dem aktiven Spielen wird ein passives Zuschauen. Die Aufgabe der Filmemacher ist es deshalb, dieses Weniger an der einen durch ein Mehr an anderer Stelle auszugleichen, was allerdings nur in den seltensten Fällen gelingt. Deshalb gibt es bis heute noch immer keine Spielverfilmung, mit der die Fans zu 100 Prozent zufrieden sind. Das wird auch bei Mike Newells „Prince Of Persia: Der Sand der Zeit" nicht anders sein, der Verfilmung der 1989 begonnenen und 2003 reanimierten Computerspielreihe, deren Teile zusammengenommen weltweit inzwischen mehr als 14 Millionen Mal über den Ladentisch gewandert sind. Doch auch wenn es weniger Spaß macht, dem Prinzen beim Springen zuzusehen, als ihn selbst per Tastendruck springen zu lassen, ist dem „Harry Potter und der Feuerkelch"-Regisseur doch zumindest ein leicht überdurchschnittliches Fantasy-Abenteuer gelungen - und damit mehr als den meisten Kollegen, die sich vor ihm an Computerspieladaptionen versucht haben.
Prinz Dastan (Jake Gyllenhaal) war nicht immer ein Mitglied der Herrscherfamilie. Erst als Junge wurde er von König Sharaman (Ronald Pickup) adoptiert, weil dieser auf dem Markplatz mitbekam, wie der verwaiste Dastan große Menschlichkeit und Mut bewies. Seitdem kümmert sich Nizam (Ben Kingsley), der Bruder des Königs, um den Unterricht des Prinzen. An der Seite seiner Brüder Tus (Richard Coyle) und Garsiv (Toby Kebbell) führt Dastan nun die persische Armee an, die gerade die heilige Stadt Alamut belagert, die angeblich Waffen an die Feinde Persiens verkaufen soll. Beim Überfall auf die Stadt fällt Dastan ein geheimnisvoller Dolch in die Hände, über den er bald herausfindet, dass er mit ihm die Zeit für einige Sekunden zurückdrehen kann. Die Eroberung verläuft erfolgreich und Prinzessin Tamina (Gemma Arterton) kann in ihren Gemächern festgesetzt werden. Doch dann wird König Sharaman vergiftet und Dastan als Hauptverdächtiger der Tat beschuldigt. Gemeinsam mit Tamina flieht er aus Alamut, um seine Unschuld zu beweisen und eine Verschwörung aufzudecken, die nichts Geringeres als das Ende der Welt bedeuten könnte...
Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer („Top Gun") hat ein Händchen für unwahrscheinliche Helden. Schließlich hätte Nicolas Cage vor „The Rock" auch niemand zugetraut, dass er das Zeug zum Actionstar hat. Bei Jake Gyllenhaal („Donnie Darko", „Brothers"), der mit Roland Emmerichs „The Day After Tomorrow" zwar bereits Blockbuster-Erfahrung sammeln konnte, aber bisher noch nie als expliziter Actionheld in Erscheinung getreten war, verhält sich dies nun kaum anders. Und genau wie Cage belehrt auch Gyllenhaal seine Zweifler eines Besseren. Mit wilder Mähne, kantigem Dreitagebart und extra für den Film antrainierten Muskelbergen begeistert er nicht nur seine weiblichen Fans, sondern überzeugt mit handfesten Argumenten auch den männlichen Teil des Publikums von seinen Actionqualitäten. Wobei Gyllenhaal natürlich keinesfalls seine sonstigen Vorzüge, seinen jungenhaften Charme und seinen verschmitzten Humor, außen vor lässt. Ganz im Gegenteil: Gerade weil er sich nicht so ernst nimmt, zugleich in den Actionszenen aber auch ein großes Selbstverständnis als Draufgänger ausstrahlt, geht der Besetzungscoup so wunderbar auf.
Neben dem Amerikaner Jake Gyllenhaal haben Mike Newell und Jerry Bruckheimer das Who is Who der britischen Schauspielszene engagiert. Die in diesem Jahr voll durchstartende Gemma Arterton („James Bond 007 - Casino Royale", „Kampf der Titanen") steuert die nötige Exotik bei, Sir Ben Kingsley („Gandhi", „Shutter Island") spielt seine Qualitäten als erfahrener Shakespeare-Darsteller aus, und Alfred Molina („Spider-Man 2", „The Da Vinci Code - Sakrileg") ist als Scheich mit einer Vorliebe für Strauße für die humorvollen Momente zuständig. Das alles sind löbliche Auftritte, doch leider sind die Charaktere im Drehbuch nur recht oberflächlich angelegt, so dass die durchweg starken Darsteller kaum Möglichkeiten haben, in die Tiefe zu gehen. Gerade das Verhältnis zwischen Dastan und Kingsleys Nazim, das eigentlich der Hauptantrieb der Story sein soll, bleibt zu sehr Behauptung und der Konflikt ist trotz fast shakespearescher Dimensionen zumindest auf dem Papier nur schwer nachzuempfinden.
Was „Prince Of Persia: Der Sand der Zeit" an emotionaler Tiefe fehlt, wird durch phänomenale Panoramen wenigstens zum Teil wieder ausgeglichen. Das Filmteam hat keine Kosten und Mühen gescheut, um in Marokko bei über 45 Grad Celsius und in einer Höhe von über 2.000 Metern das alte Persien wieder auferstehen zu lassen. Zumindest was das Visuelle angeht, wird die Verfilmung der Vorlage also absolut gerecht. Und auch was eine andere Qualität des Spiels angeht, haben die Filmemacher ganz genau hin- oder besser abgeschaut: Als Jordan Mechner die Reihe 2003 mit „Prince Of Persia: The Sands Of Time" wiederbelebte, nahm er sich die Modesportart Parkour als Vorbild für die Bewegungen des Prinzens. Für die Dreharbeiten haben sich die Macher deshalb nun extra den Parkour-Erfinder David Belle als Berater und Trainer mit ans Set geholt. Die aus dieser Kooperation resultierenden Actionszenen sind zwar nicht ganz so atemberaubend wie etwa der schwindelerregende Auftakt von „Casino Royale", aber nichtsdestotrotz entwickeln Jake Gyllenhaal und William Foster, der zu Beginn des Films den jungen Dastan verkörpert, beim Wändehochlaufen einiges an Dynamik.
Leider kann das Drehbuch, dessen erste Entwürfe von Spielerfinder Jordan Mechner selbst verfasst wurden, bevor Doug Miro, Carlo Bernard (beide: „Der Fluch der zwei Schwestern") und Boaz Yakin („Hostel", „Hostel 2") noch einmal drübergebügelt haben, da nicht mithalten. Obwohl die Intrigen in der Herrscherfamilie geradezu die Ausmaße einer klassischen Tragödie annehmen und die angeblichen Waffenlieferungen Alamuts für einen Hollywood-Unterhaltungsfilm ungewöhnlich politische Konnotationen an die fehlenden Massenvernichtungswaffen im Irak heraufbeschwören, wollen sich die Episoden nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen. Spannungsbögen bleiben deshalb meist auf einzelne Szenen beschränkt, wie das Abenteuer ausgeht, interessiert hingegen nur sekundär. Das ist für Blockbuster zwar nicht ungewöhnlich, aber schließlich haben Filme wie „Herr der Ringe", „The Dark Knight" oder „Iron Man" längst bewiesen, dass auch in diesen Budget-Sphären anderes möglich ist.
Fazit: „Prince Of Persia: Der Sand der Zeit" ist kurzweilige Fantasy-Kost mit einer überraschenden Performance von Action-Neuling Jake Gyllenhaal, leider verhindert die zerfahrene Story aber einen wirklich großen Wurf.