Aktuell halten „Titanic“, „Ben Hur“ und „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ mit elf Oscars den Rekord für die meisten Siege – die meisten Nominierungen haben „Titanic“ und „Alles über Eva“ mit jeweils 14 eingefahren.
Aber nachdem „La La Land“ nun bei den Golden Globes einen neuen All-Time-Rekord aufgestellt hat, stellt sich natürlich die Frage: Kann das Musical dieses Kunststück bei den Oscars wiederholen?
Oben in der Bildergalerie sind wir die Oscar-Chancen von „La La Land“ einmal Kategorie für Kategorie durchgegangen – und dabei zu folgendem Ergebnis gekommen: Wir trauen „La La Land“ realistisch 14 Nominierungen (zwei davon in der Kategorie Bester Song) und dabei acht bis zehn Siege zu.
Damit würde das Musical den Rekord für die meisten Nominierungen einstellen, aber nicht an den Rekord für die meisten Siege herankommen. Trotzdem schwer beeindruckend.
Hollywood liebt „La La Land“. Die Kritik liebt „La La Land“. Das Publikum liebt „La La Land“. Gegen den Film könnte nur sprechen, dass Hollywood nach der Wahl von Donald Trump bei der Oscarverleihung auch ein politisches Zeichen setzen möchte – und deshalb einen besonders zeitgeistigen Film wählt. Für eine solche Wahl kommt in diesem Jahr vor allem „Moonlight“ in Frage - aber die Chancen sind inzwischen minimal.
Lange Zeit galt Natalie Portman für ihre Rolle als trauernde Präsidentengattin Jacqueline Kennedy als absolute Topfavoritin – aber offenbar können viele mit dem sehr ungewöhnlichen Polit-Biopic „Jackie“ nicht allzu viel anfangen. Inzwischen ist es sogar eher unwahrscheinlich, dass „Jackie“ überhaupt als Bester Film nominiert wird. Das konnte die bereits für „Birdman“ nominierte Emma Stone nutzen, um sich an ihrer Konkurrentin vorbei auf die Favoritenposition zu schieben – aber eine sichere Sache ist der Sieg für „La La Land“ in dieser Kategorie noch nicht.
Die einzige Kategorie, in der „La La Land“ zwar sicher nominiert wird, in dem wir dem Film aber trotzdem kaum Chancen auf den Sieg zutrauen – dafür ist die Konkurrenz um Topfavorit Casey Affleck (für „Manchester By The Sea“) und Denzel Washington (für „Fences“) in diesem Jahr einfach zu stark. Sehr wahrscheinlich werden die beiden also den Sieg unter sich ausmachen – während sich Ryan Gosling wohl mit seiner zweiten Oscarnominierung nach der für „Half Nelson“ (im Jahr 2007) zufrieden geben muss.
In den vergangenen Jahren gab es zwar wiederholt Filme, die für die Beste Regie, aber nicht für den Besten Film gewonnen haben – allerdings waren das mit „Life Of Pi“ oder „The Revenant – Der Rückkehrer“ jeweils Werke, deren aufwändige Machart viel stärker heraussticht als bei den jeweiligen Gewinnern des Hauptpreises („Argo“ bzw. „Spotlight“). Auf einen solchen Split weist in diesem Jahr nichts hin – denn von allen Favoriten ist „La La Land“ zugleich auch der Film, dessen Regie am auffälligsten ins Auge sticht. Somit gilt auch hier: Wenn es politisch wird, hat Barry Jenkins für „Moonlight“ Außenseiterchancen, aber eigentlich sollte Damien Chazelle nach seiner Nominierung für „Whiplash“ dieses Mal den Sieg sicher haben.
Die Kamera wirbelt allein in der schnittlosen Eröffnungsnummer inmitten eines Staus auf einem Autobahnzubringer in Los Angeles so viel herum, dass man sich kaum vorstellen kann, dass ein „La La Land“-Wähler ausgerechnet in der Kategorie Beste Kamera sein Kreuzchen nicht bei Linus Sandgren („American Hustle“, „Joy“) macht. Außenseiterchancen haben eigentlich nur Martin Scorseses „Silence“ (für die größten Bilder) und Barry Jenkins‘ „Moonlight“ (wegen seiner auffälligen Retro-Farbspielereien).
Das Skript ist nicht die auffälligste Stärke von „La La Land“ – zudem stammt es von Damien Chazelle selbst, der ja schon den Regie-Oscar ziemlich sicher abräumen wird. Deshalb stehen die Chancen gut, dass die Oscar-Wähler diese Kategorie eher dazu nutzen werden, auch „Manchster By The Sea“-Mastermind Kenneth Lonergan einen Preis zu geben, anstatt „La La Land“ noch einen weiteren Goldjungen oben drauf zu packen.
Der Oscar für den Besten Schnitt geht nur in Ausnahmefällen nicht an den Gewinner für den Besten Film – aber in diesem Jahr gibt es weder einen Grund, „La La Land“ den Oscar nicht zu geben (wie etwa bei „Birdman“, der mit seinen nicht sichtbaren Schnitten nicht einmal nominiert wurde), noch gibt es einen Konkurrenten, der sich speziell wegen seines brillanten Schnittes (wie etwa David Finchers „Verblendung“) unbedingt aufdrängt.
Von der eröffnenden Massenszene auf einem gesperrten Autobahnzubringer bis zu den surrealen Musicalszenen im temporeich-melancholischen Finale - die Arbeit der Produktionsdesigner ist in „La La Land“ derart auffällig, dass das Musical selbst produktionstechnisch extrem aufwändige Blockbuster wie „Rogue One“ und vor allem „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ locker ausstechen sollte.
In dieser Kategorie ist es am Ende wohl ein Münzwurf zwischen den bunten Musical-Kleidern aus „La La Land“ und der historischen Akkuratesse von „Jackie“.
Eigentlich eine sichere Sache – „City Of Stars“ aus „La La Land“ sollte diesen Oscar mit Leichtigkeit einfahren. Selbst die namhafte Konkurrenz von „Can't Stop the Feeling“ (von Justin Timberlake aus „Trolls“) und „How Far I'll Go“ (von „Hamilton“-Genie Lin-Manuel Miranda aus „Vaiana“) dürfte gegen die überwältigenden Ohrwurmqualitäten des jazzigen „La La Land“-Stücks nichts ausrichten können.
Normalerweise werden sie Scores vieler Musicals schon vor dem Nominierungsprozess disqualifiziert, weil es den Wählern gar nicht möglich ist, zwischen der für diese Kategorie tatsächlich bedeutsamen Filmmusik und den in dieser Kategorie keine Rolle spielenden Filmsongs zu unterscheiden. Aber in diesem Jahr wurden gleich mehrere Musicals trotzdem zugelassen. Und damit haben wir jetzt genau die Situation, die eigentlich vermieden werden sollte: Wahrscheinlich gewinnt der Ohrwurm „City Of Stars“ (zusammen mit den übrigen Musical-Liedern) den Oscar für den Besten Score gleich mit, obwohl die Songs in dieser Kategorie eigentlich gar keine Rolle spielen sollten.
So richtig können ja selbst viele Oscar-Wähler die Kategorien Tonschnitt und Tonmischung nicht auseinanderhalten – aber historisch gesehen geht der Oscar für den Besten Tonschnitt eher an Action- oder Kriegsfilme als an Musicals. Deshalb sind die Favoriten in dieser Kategorie in diesem Jahr „Hacksaw Ridge“ und „Rogue One“. „La La Land“ hat hingegen nur Außenseiterchancen, wenn die Wähler einfach die Liste runter blind in allen Kategorien für das Musical stimmen.
Im Gegensatz zu Tonschnitt haben Musicals in der Kategorie Beste Tonmischung immer schon sehr viel besser abgeschnitten – so könnte zwar auch dieser Oscar an „Hacksaw Ridge“ gehen, trotzdem ist „La La Land“ der klare Favorit.