Fritz Lang prägte die Filmgeschichte wie kaum ein anderer Regisseur seiner Generation. Er setzte mit seinen fantastischen Geschichten und Zeitporträts neue technische wie künstlerische Maßstäbe und lotete die Möglichkeiten der Raumgestaltung und Filmarchitektur neu aus. Mit „Metropolis“ (1927) und dem frühen Tonfilm „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931) lieferte Lang Meilensteine des deutschen und des internationalen Kinos. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten siedelte Fritz Lang in die USA über, wo er insgesamt 22 Filme drehte. Zwar konnte der Regisseur nicht mehr an seine ganz großen Erfolge anknüpfen, inszenierte mit Filmen wie „Fury - Blinde Wut“, „Rache für Jesse James“ oder „Heisses Eisen“ jedoch klassische Werke in verschiedenen Hollywood-Genres.
Malerei in Wien, München und Paris
Fritz Lang (bürgerlicher Name: Friedrich Christian Anton Lang) verbrachte seine Jugend in Wien. Nach dem Gymnasium folgte Lang dem Vorbild des Vaters, eines Architekten, und begann ein Bauingenieurstudium, das er jedoch bereits nach einem Jahr abbrach, um an der Wiener Akademie der Bildenden Künste ein Studium der Malerei anzutreten. Während der Zeit an der Kunstakademie unternahm Fritz Lang zahlreiche Reisen ins mitteleuropäische Ausland und nach Afrika. Daraus ergab sich 1911 ein Studienaufenthalt an der Kunstgewerbeschule in München und 1913-14 eine Ausbildung beim symbolistischen Maler Maurice Denis in Paris. Dort entdeckte Fritz Lang schließlich auch seine Leidenschaft fürs Kino.
Erster Weltkrieg
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte Fritz Lang 1914 als Kriegsfreiwilliger nach Wien zurück. Von Juni bis Dezember 1915 absolvierte er eine Ausbildung zum Reserveoffizier in einer slowenischen Kleinstadt, wo er im Haus des Anwalts Dr. Karl Grossmann, der ein großer Freund Kino- und Fotografie-Liebhaber war, viele Inspirationen für seine späteren Filme sammelte. Als Artillerie-Offizier kämpfte Fritz Lang nach der Ausbildung in Russland, Rumänien und Italien, bis er aufgrund einer Kriegsverletzung einen längeren Genesungsurlaub in Wien antrat. In dieser Zeit kam Fritz Lang mit professionellen Filmleuten in Kontakt, unter anderem lernte er auch seine spätere Ehefrau, die Autorin Thea von Harbou kennen, und verfasste erste Drehbücher – das Skript zum Krimi „Die Peitsche“ (1916) gilt als seine erste verfilmte Vorlage. Nachdem Lang das Buch für das Mia-May-Melodram „Hilde Warren und der Tod“ (1917) geschrieben hatte, zog er 1917 wieder an die Front. Nach einer zweiten Verwundung wurde Fritz Lang 1918 für kriegsuntauglich erklärt und der Truppenbetreuung zugeteilt, wo er im Rahmen der soldatischen Theatergruppe erstmals als Regisseur in Erscheinung trat.
Schuld und Schicksal
Nach dem Ende des Weltkriegs zog Fritz Lang 1919 nach Berlin, wo er Lisa Rosenthal heiratete. Am 25. September 1920 nahm sich Rosenthal unter mysteriösen Umständen mit einem Revolver das Leben – vermutlich, weil sie Langs Affäre mit Thea von Harbou entdeckte. Die naheliegende These, dieser Schicksalsschlag habe Langs spätere Filme und deren Themen wie Schuld, Verstrickung und Tod maßgeblich vorgeprägt, ist weit verbreitet. Fest steht, dass Fritz Lang und Thea von Harbou im August 1922 heirateten und bis zur Emigration des Regisseurs 1933 auch eng und erfolgreich zusammenarbeiteten.
Erste Stummfilmerfolge als Autor
Seit dem Beginn der Weimarer Republik florierte die deutsche Filmlandschaft: Die Abschaffung der Zensur, die schwache Reichsmark sowie die guten Exportchancen für Stummfilme markierten die Rahmenbedingungen, in denen Fritz Lang als Filmregisseur debütierte. Zunächst arbeitete Lang als Dramaturg und Drehbuchautor für den Produzenten Erich Pommer, einer zentralen Figur des Weimarer Kinos, der viele Stars aufbaute und den deutschen Film aufs internationale Parkett führte. Unter anderem schrieb Lang für Pommer das Drehbuch zum zweiteiligen Monumentalfilm „Das indische Grabmal“ (1921) von Joe May – der zugrunde liegende Roman stammte von Harbou. Langs Drehbücher dieser Tage waren oft trivial, ganz ähnlich wie die Fortsetzungsgeschichten, die er zusätzlich in Zeitungen veröffentlichte.
Das Debüt als Filmregisseur
Sein Debüt als Filmregisseur gab Fritz Lang 1919 mit dem Fantasyfilm „Halbblut“ über die Rache einer ganz besonderen Femme Fatale. Wie der Nachfolger „Der Herr der Liebe“ aus demselben Jahr (und die meisten anderen Filme aus jener Zeit) gilt Langs Erstling heute als verschollen. Das bekannteste Werk aus Langs Frühwerk ist der zweiteilige Abenteuerfilm „Die Spinnen“. Nach dem kommerziellen Erfolg des ersten Teils „Der goldene See“ wurde die Fortsetzung mit dem Titel „Das Brillantenschiff“ schneller in die Kinos gebracht als ursprünglich geplant.
Internationaler Durchbruch
Mit dem expressionistischen Drama „Der müde Tod“ von 1921 und – mehr noch – mit dem Ufa-Zweiteiler „Dr. Mabuse, der Spieler“ gelang Fritz Lang der künstlerische und kommerzielle Durchbruch auch außerhalb Deutschlands. Mit der Figur des Dr. Mabuse erschuf Lang den Prototyp des genialen und wahnsinnigen Verbrechers, den er in einigen späteren Filmen wiederaufgreifen sollte. Der Untertitel „Ein Bild der Zeit“ ist im Übrigen überaus treffend, denn Lang zeichnete ein hellsichtiges Porträt seiner Epoche. Der große Erfolg von „Dr. Mabuse“ ermöglichte dem Filmemacher die Inszenierung seiner ersten Großproduktion, dem zweiteiligen Heldenepos „Die Nibelungen“. Obwohl Lang hier erneut handwerkliche Raffinesse zeigte, geriet die Verfilmung des deutschen Mythos auch in die Kritik. Die Widmung „Dem deutschen Volke zu eigen“ sorgte dafür, dass Kritiker Lang Nationalismus vorwarfen, wohingegen das rechte Lager das Epos als Meilenstein nationalistischer Kunst feierte – zum großen Publikumserfolg avancierten die beiden Teile mit den Titeln „Siegfried“ und „Kriemhilds Rache“ trotzdem.
Metropolis
Eine längere Reise in die USA führte Fritz Lang nicht nur in die Filmstudios von Hollywood, sondern auch nach New York. Die dortige Großstadtkulisse mit ihren imposanten Wolkenkratzern war unverkennbar eine große Inspiration für Langs Meisterstück „Metropolis“, zu dem erneut Thea von Harbou das Drehbuch schrieb. Nach eineinhalb Jahren Drehzeit von Mai 1925 bis September 1926, während der Lang das Budget mehrfach überzog, startete der Film 1927 in den Kinos und entwickelte sich zum finanziellen Flop. Heute gilt die dystopische Geschichte einer Riesenstadt, in der die Arbeiter unter der Erde leben und sich für die über der Oberfläche residierenden Reichen abrackern, indes als absoluter Klassiker des Stummfilmkinos. Das innovative Spiegeltrick-Verfahren von Kameramann Eugen Schüfftan, die aufwendigen Bauten und Massenszenen und das moderne Motiv der Maschinenfrau Maria (eindrücklich gespielt von Brigitte Helm) sind nur einige Gründe für das bis heute ungebrochene Interesse an „Metropolis“, dessen zentrale Bilder auch jenen bekannt sind, die den Film nie gesehen haben.
Fritz-Lang-Film GmbH
„Metropolis“ trieb die Universum Film AG durch die horrenden Kosten und das Scheitern an der Kinokasse seinerzeit indes an den Rand des Ruins, weshalb Lang seine nächsten Filme selbst finanzieren musste. Hierzu gründete der Filmemacher die Fritz-Lang-Film GmbH und inszenierte mit „Spione“ einen kostengünstigen Agentenfilm, der vom Doppelleben eines Bankhaus-Chefs handelt und ein kommerzieller Erfolg wurde. Ebenfalls erfolgreich war Langs Science-Fiction-Film „Frau im Mond“ von 1929, in dem sechs Menschen auf dem Mond Gold finden und sich darüber zerstreiten. Auch Langs letzter Stummfilm war ein Hit, was sich auch daran ablesen lässt, dass der Film in Deutschland eine Raketenbegeisterung auslöste.
M – Eine Stadt sucht einen Mörder
Seine nächste Landmarke setzte Fritz Lang 1931 mit seinem ersten Tonfilm „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, der auf der wahren Geschichte des Serienmörders Peter Kürten basiert. Peter Lorre spielte den triebhaften Kindermörder, auf den in Berlin sowohl die Polizei (Otto Wernicke als Kommissar Lohmann), als auch die Unterwelt Jagd machen. Die neuen erzählerischen Möglichkeiten des Filmtons setzte Fritz Lang äußerst innovativ ein: So setzte er einige auch heute noch modern anmutende Ton-Überlappungen ein, die in einer Parallelmontage zwischen einer Polizei- und einer Unterwelt-Konferenz einen virtuosen Höhepunkt fanden. Der bekannteste Kniff, mit dem sich Lang die neuen Möglichkeiten des Tons zunutze machte, ist jedoch der raffinierte Einsatz der vom Regisseur höchstpersönlich gepfiffenen Erkennungsmelodie des Mörders.
Mabuse mit Ton
Im Jahr 1932 legte Fritz Lang mit „Das Testament des Dr. Mabuse“ seinen zweiten Tonfilm vor: Der irre Kriminelle Mabuse (Rudolf Klein-Rogge nahm seine Paraderolle zehn Jahre nach dem Stummfilm wieder auf) befindet sich in einer Nervenheilanstalt, verfasst ein Handbuch für Verbrecher und greift mittels telepathischer Fähigkeiten ins Außengeschehen ein – der Vergleich zu Hitlers im Gefängnis verfassten „Mein Kampf“ blieb nicht aus, zumal Mabuse teils wörtliche Zitate der Nazis anbringt. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahr 1933 landete Langs Mabuse-Film jedenfalls auf dem Index.
Emigration in die USA
Trotz der kritischen Zwischentöne in Fritz Langs Werk soll Joseph Goebbels dem Regisseur, dessen Fertigkeiten der Nazi-Propagandaminister bewunderte, in einem persönlichen Gespräch die Leitung der Ufa und damit die Oberaufsicht über den deutschen Films angeboten haben. Lang zog jedoch eine Emigration vor und pendelte rund drei Monate zwischen Berlin, London und Paris, um Bankgeschäfte zu tätigen, bevor er zunächst in der französischen Hauptstadt Zwischenstation nahm. Hier drehte er mit dem in Nazi-Deutschland unerwünschten Erich Pommer das Drama „Liliom“. Die Ehe mit Thea von Harbou, die sich zunehmend der NSDAP annäherte, wurde unterdessen im April 1933 geschieden, bevor Fritz Lang 1934 mit seiner neuen Lebensgefährtin Lily Latté in die USA emigrierte. In Übersee gründete Lang, der auch die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm, 1936 gemeinsam mit anderen Künstlern die „Anti-Nazi-League“ – im selben Jahr startete sein US-Debüt „Fury - Blinde Wut“ in den Kinos. Spencer Tracy spielte einen Arbeiter, der einer Kindesentführung verdächtigt wird und daher – ganz so wie Peter Lorre in „M“ – vom Mob gejagt wird. Der psychischen Ausnahmesituation, in der sich der Held befindet, galt das Hauptinteresse Langs, der sich im Übrigen bei der Kritik am amerikanischen Rassismus zurückhalten musste.
Fritz Lang goes Film Noir
Auf „Blinde Wut“ ließ Fritz Lang Beiträge zu uramerikanischen Genres folgen: 1937 drehte er den Film noir „Gehetzt“ mit Henry Fonda und 1940 die Farbwestern „Rache für Jesse James“ (ebenfalls mit Fonda) sowie „Western Union - Der Überfall der Ogalalla“ mit Robert Young und Randolph Scott. Daneben inszenierte Lang einige Anti-Nazi-Filme wie „Auch Henker sterben“ oder die Graham-Greene-Verfilmung „Ministerium der Angst“, was ihm erste größere Anerkennung in der neuen Heimat brachte. Im Jahr 1945 gründete Fritz Lang die Firma Diana Productions, für die er unter anderem die Film-noir-Klassiker „Strasse der Versuchung“ und „Heißes Eisen“ von 1953 mit Glenn Ford drehte. In seiner Zeit in Amerika drehte Lang weitere klassische Werke wie „Gefährliche Begegnung“, den Western „Die Gejagten“ mit Marlene Dietrich und die melodramatische Schmugglerballade „Das Schloss im Schatten“. In seinen letzten beiden Hollywood-Filmen „Die Bestie“ und „Jenseits allen Zweifels“ (von dem 2010 ein Remake mit Michael Douglas entstand) nahm Lang, der im Zuge der Kommunistenhatz der McCarthy-Ära ins Blickfeld der Behörden geraten war, 1956 das Presse- und Justizwesen der USA aufs Korn.
Die letzten Filme
Noch 1956 kehrte Fritz Lang schließlich nach Deutschland zurück, wo er mit den Indien-Abenteuern „Der Tiger von Eschnapur“ und „Das indische Grabmal“ Remakes des zweiteiligen Stummfilmerfolgs der frühen 20er Jahre inszenierte. Nachdem Lang einige Wunschprojekte nicht verwirklichen konnte, kehrte er 1960 mit „Die Tausend Augen des Dr. Mabuse“ noch einmal zu jenem Erzverbrecher zurück, den er Jahrzehnte zuvor in den Kinos eingeführt hatte. Zeichnete Lang mit seinem ersten Mabuse-Film aus dem Jahr 1922 noch ein Sittenbild der Weimarer Republik, porträtierte er nun durchaus kritisch die frühe BRD, in der das Wirtschaftswunder für gute Laune sorgte, während einige hohe Ämter nach wie vor mit Nazis besetzt waren. Mit seinen letzten Filmen feierte Fritz Lang zwar finanzielle Erfolge, konnte aber nicht mehr an seine künstlerischen Meilensteine anknüpfen. Sein allerletzter Auftritt als Regisseur folgte 1963: In „Die Verachtung“ von Jean-Luc Godard spielte er sich selbst und inszenierte einige Szenen vom Film-im-Film-Dreh.
In seinen letzten Jahren reiste der inzwischen fast vollständig erblindete Fritz Lang um die Welt, besuchte Retrospektiven seines Werks und gab ausführliche Interviews. 1971 heiratete er seine Lebensgefährtin Lily Latté, mit er 1934 gemeinsam in die USA emigriert war. 1976 starb Fritz Lang in Beverly Hills.