Klaus Kinski wächst in sehr einfachen Verhältnissen auf und wird früh mit Kriminalität und Tricksereien konfrontiert. Mit gerade einmal 18 Jahren wird er 1944 zu einer Fallschirmjägereinheit der Wehrmacht eingezogen und gerät an der Westfront in den Niederlanden in britische Kriegsgefangenschaft. Während seiner Inhaftierung steht er auf der Bühne, um seine internierten Kameraden zu unterhalten. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg beginnt er ernsthaft mit der Schauspielerei und tritt in Berlin bevorzugt in Stücken von Jean Cocteau auf. Seine Vorliebe für Provokation und Wutausbrüche wird bei einer Aufführung des Einpersonenstücks „Die menschliche Stimme“ im Jahr 1947 offenbar. Er spielt hier eine verzweifelte Frau, die in einer langen tragischen Tirade ein Geständnis ablegt, während sie den Mut aufbringen muss, sich von ihrem Geliebten zu trennen. Das Stück verursacht einen Skandal.
In den 1950er macht er dann erste Schritte auf der Kinoleinwand. Internationale Aufmerksamkeit erregt Kinski erstmals in Sergio Leones „Für ein paar Dollar mehr“, in dem er als ultrabrutaler Buckliger in einer Killerbande gegen Clint Eastwood antritt, sowie in Sergio Corbuccis „Leichen pflastern seinen Weg“ von 1968. Der Film handelt von den Problemen einer Provinzstadt im US-Bundesstaat Utah bei extremer Kälte zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die feindselige Natur bringt Holzfäller und Bauern dazu, die Dörfer zu plündern. Kinski spielt Loco, einen Kopfgeldjäger, der sowohl grausam als auch sanftmütig sein kann und dafür bezahlt wird, die Gesetzlosen zu erschießen. Doch Pauline (Vonetta McGee), deren Gatte Loco auf dem Gewissen hat, engagiert den stummen Revolverhelden Silence (Jean-Louis Trintignant), um ihren Mann zu rächen und es kommt zum Showdown zwischen den beiden. Kinskis Blick – seine Augen werden in Großaufnahme wie zwei funkelnde Edelsteine gefilmt – wird besonders in den direkten Begegnungen hervorgehoben und kündigt den Wahnsinn an, den er später für die von Filmemacher Werner Herzog erdachten Figuren kultiviert.
In den 1970ern dreht er zahlreiche B-Filme, schafft es aber kaum mehr, von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Er spielt die Titelrolle in „Marquis de Sade: Justine“ (1969) von Jesùs Franco und ist als Vampir in „Nachts, wenn Dracula erwacht“ (1970) zu sehen. Kinski wechselt mühelos zwischen Horror oder Erotik und verkörpert dabei meist extreme Charaktere. 1976 steht er erneut für Franco vor der Kamera, um in „Jack The Ripper“ in die Rolle des Dr. Orloff zu schlüpfen, der nach dem Betrug durch eine Prostituierte nach Rache dürstet. Die Ambivalenz der Figur erinnert ebenfalls an einen anderen Part: den des Grafen Dracula, den er 1979 in Werner Herzogs „Nosferatu - Phantom der Nacht“ übernimmt.
Der Münchner Regisseur wird auf ihn aufmerksam, als er ihn in einem alten Film im Fernsehen sieht. Herzog ist von der Präsenz des Mimen beeindruckt, obwohl dieser hier nur in der zweiten Reihe steht. Diese Anekdote erzählt Herzog in seiner Dokumentation über Kinski („Mein liebster Feind“), die 1998 erscheint. Hier erklärt er, wie beeindruckt er von der Energie und Inspiration ist, mit der Kinski nach einem Nickerchen die Augen öffnet. Diese einfache Szene reicht Werner Herzog aus, um ihm seine erste große Rolle anzubieten. Die Idee für „Aguirre, der Zorn Gottes“ hat der Regisseur beim Durchblättern eines Geschichtsbuches, als er über eine Gruppe spanischer Konquistadore liest, die in einer unwirtlichen Region an den Hängen der Anden nach El Dorado suchen, einer mythischen Stadt, die aus purem Gold sei.
Die Dreharbeiten mit begrenztem Budget beginnen und es dauert nicht lange, bis der Zorn Gottes tatsächlich ans Tageslicht kommt. Kinski taucht mit solcher Leidenschaft in den Charakter des launisch-brutalen Konquistadors ein, dass er sich weigert, die Anweisungen des Regisseurs zu befolgen. Von da an werden seine Wutausbrüche legendär und er wird zur Kinolegende. Die Rollen in „Woyzeck“ (1979) und „Fitzcarraldo“ (1982) scheinen ihm wie auf den Leib geschneidert. Werner Herzog gibt dem Schauspieler, der sich sowohl in der Rolle eines Eifersuchtsmörders als auch in der eines Opernnarren wohl fühlt, die Möglichkeit, sich selbst zu übertreffen. Dies ist bei den chaotischen Dreharbeiten zu „Fitzcarraldo“ und dem im direkten Anschluss an „Nosferatu - Phantom der Nacht“ (1979) realisierten „Woyzeck“ zweifellos der Fall. Diese an Wahnsinn grenzenden Auftritte bestätigten das Talent des Schauspielers mit der unvergleichlichen Aura. Ein letztes Mal arbeitet er 1987 mit seinem Mentor für „Cobra Verde“ zusammen.
In der Zwischenzeit dreht Kinski viel, aber die meisten seiner Filme sind nur mäßig erfolgreich. Man sieht ihn als Monster in William Malones Horrorfilm „Creature“ oder in der amerikanischen Indie-Produktion „Killerhaus“ von David Schmoeller. In letzterem spielt er den Sohn eines in den USA untergetauchten Nazis, dessen Hobby es ist, Frauen auszuspionieren und sie dann zu erschießen. Als Krönung dieser geschmacklosen Handlung hat der von Kinski verkörperte Karl Guenther auf seinem Dachboden eine Art Miniatur-KZ eingerichtet, in dem er eine Geisel gefangen hält. Kinski mimt die unergründliche Traurigkeit während der emotionalen Achterbahnfahrten seiner Figur, bei denen er ein desillusioniertes „Pech gehabt“ von sich gibt, wenn der Schlagbolzen seiner Waffe ins Leere geht, ebenso leidenschaftlich wie die Perversität, wenn sein Gesicht gefährlich aufleuchtet, während er seine Opfer beobachtet.
B-Filme wie dieser läuten jedoch das Ende seiner Karriere ein. So lehnt Werner Herzog es ab, ihn bei seinem Biopic-Projekt über Niccolò Paganini zu unterstützen. Daher dreht der Schauspieler seine erste und einzige Regiearbeit, eine experimentelle Hommage an den Geigenvirtuosen und Komponisten, im Alleingang. „Kinski Paganini“, der 1989 in die Kinos kommt, erweist sich als sein Vermächtnis. Denn nur zwei Jahre später stirbt der Star an einem Herzinfarkt. Mit der von ihm selbst gespielten Titelrolle zeigt er uns einen Künstler, der sich mit Leib und Seele seinem handwerk verschreibt. Er betont immer wieder ein übermäßiges Temperament, aber auch die Kontroversen und Skandale, die seinem Ruf schaden. Ein wahrlich seltsam autobiografisch anmutender Film…