Mit dem überragenden wie sperrigen „Ad Astra“ wandelt Regisseur James Gray („Die versunkene Stadt Z“) inszenatorisch eher auf den Spuren von „2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968) und „Solaris“ (1972) als auf denen der hochgradig unterhaltsamen Publikumserfolge „Gravity“ (2013) und „Interstellar“ (2014).
Denn da ist zum einen das eigenwillige Erzähltempo des Science-Fiction-Thriller-Dramas, das mit Brad Pitt („Once Upon A Time… In Hollywood“) einen der größten Stars des Planeten in einer 90 Millionen Dollar teuren Prestige-Produktion auffährt und technisch auf dem neuesten Stand ist. Und die Actionszenen sind für sich genommen herausragend (wie die Verfolgungsjagd auf dem Mond oder die Havarie der Weltraumantenne), aber eben rar gesät. Dieser ambitionierte Ansatz irritiert so manchen Zuschauer.
Denn die Psychologisierung der Hauptfigur des Astronauten und Raumfahrt-Ingenieurs Roy McBride (Brad Pitt), der Kontakt zu seinem auf dem Neptun verschollenen Vater Clifford (Tommy Lee Jones) aufnehmen soll, um die Erde vor einer elektromagnetischen Katastrophe zu bewahren, nimmt viel Platz ein.
+++ Achtung: Ab hier Spoiler zum Ende +++
Und genau diese Entwicklung wird in den letzten Minuten von „Ad Astra“ durchaus kontrovers diskutierbar aufgelöst. Für FILMSTARTS-Kritiker Christoph Petersen zieht das Ende, das er als „Küchenpsychologie“ abwertet, den ansonsten großartigen Film etwas herunter, weil die letztliche Erkenntnis denkbar simpel ist.
Der Kern des Endes: Um seine eigene Verschlossenheit gegenüber der Welt im Allgemeinen und seiner entfremdeten Frau Eve (Liv Tyler) im Besonderen zu überwinden, muss McBride erst sein eigenes Trauma verarbeiten, von seinem fanatischen Vater Clifford einst gemeinsam mit seiner Mutter verlassen worden zu sein, weil sich sein Dad als Astronaut voll und ganz dem Lima-Projekt verschrieb (und dann ganz verschwand). Emotional kühl, analytisch und stets kontrolliert lässt Roy niemanden an sich heran. Sein Puls geht nie 80 Schläge pro Minute oder schneller.
"Ad Astra": Die Lösung liegt auf dem Neptun
Nach der Auflösung wird aus dem eigenbrötlerischen, pessimistischen Einzelgänger Roy McBride ein optimistischer(er) Mensch, der voller Tatendrang zur Erde zurückkehrt und wieder Kontakt zu seiner Ehefrau knüpft.
Dabei galt sein Vater seit 16 Jahren als verschollen und mutmaßlich tot, nachdem Clifford McBride auf der Reise zum Neptun nach außerirdischen Leben forschen sollte. McBride tötete unterwegs die meuternde Crew und hielt manisch an seinem Ziel fest. Die elektromagnetischen Wellen, die in der Gegenwart das Leben auf der Erde bedrohen, sind direkte Folgen der Meuterei, weil die eine Kernschmelze auslöste.
Auf der Lima-Station angekommen, erfährt Roy nicht nur die Wahrheit über seinen Vater, sondern auch, dass er niemals Kontakt zu Außerirdischen herstellen konnte. Auf dem Weg zum rettenden Raumschiff Sapius (die Lima-Station ist im Selbstzerstörungsmodus) kommt es einer Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn – wobei Roy letztendlich die Sicherheitsleine zu Clifford trennt, um zu überleben. Sein Vater trudelt freiwillig in den sicheren Tod in den Tiefen des Alls.
Damit akzeptiert Roy, dass er seinem einstigen Vorbild nicht mehr nacheifern braucht und sich anderen Menschen auf der Erde öffnen kann – zu allererst seiner Ehefrau Eve. Die Schatten der Vergangenheit sind verschwunden…
Wie "Ad Astra" zum vermeintlichen Problemprojekt wurde: "Was stimmt mit dem Film nicht?"„Ad Astra“ läuft seit dem 19. September 2019 in den deutschen Kinos.