+++ Meinung +++
Großer Fan-Jubel Anfang 2015: Spider-Man, dessen Filmrechte bei Sony liegen, wird endlich Teil des Marvel Cinematic Universe! Erster Auftritt in „Captain America 3: Civil War“, dazu neue Solo-Filme, die aber in die Geschichte um Iron Man und die anderen Avengers eingebettet sind! Und die Vorfreude war berechtigt: Tom Holland wurde als junger, flippiger Spidey rasch zum Fan-Favoriten, erlebte in „Avengers 3: Infinity War“ ein sehr unterhaltsames, witziges Abenteuer an der Seite seines Mentors Iron Man und auch seine Solo-Filme „Homecoming“ sowie „Far From Home“ können sich sehen lassen. Ihm stand eine glänzende Zukunft bevor, in der er als potentieller junger Nachfolger des Mannes im Hightech-Anzug eine wichtige Rolle gehabt hätte. Doch stattdessen fühlt es sich nun so an, als sei dem Spinnen-Jungen gerade mächtig der Faden gerissen.
Nach aktuellem Stand konnten sich Sony und Disney (unter dessen Dach die Marvel Studios sind) nicht auf eine Fortsetzung ihres Kooperationsvertrages einigen. Die alte Vereinbarung war: Marvel um Mastermind Kevin Feige entscheidet über die Geschichte und bekommt fünf Prozent aller Kino-Einkünfte, Sony hält sich inhaltlich raus, zahlt komplett und streicht den Löwenanteil der Einnahmen ein. Wie nun berichtet wird, wollte Disney diesen Deal ändern, was das Geld betrifft: Künftig wollte Disney Kosten wie Einnahmen 50/50 aufteilen und die Vereinbarung auf alle Filme mit Spider-Man-Figuren erweitern (also auch auf Filme mit Nebenfiguren wie Venom). Disney würde mehr zahlen als früher, aber im wahrscheinlichen Fall eines Kassenerfolgs auch mehr bekommen. Klingt fair, oder? Wieso lässt Sony so einen Deal platzen und nimmt in Kauf, dass Spidey aus dem MCU fliegt?
Ganz einfach: Weil Sony ein deutlich schwächer aufgestelltes Filmstudio als Disney ist, das nicht mal eben auf „Spider-Man“-Einnahmen verzichten kann. Im Netz aber wird nun trotzdem an vielen Stellen auf Sony eingedroschen. Hier ein paar Beispiele:
Auch Marvel-Star Jeremy „Hawkeye“ Renner fordert Sony dazu auf, Spider-Man zurückzugeben:
Das Mäusestudio will den Geldspeicher noch weiter füllen
Sony klaut uns Spider-Man? Ganz so simpel ist die Angelegenheit nicht. Die Forderung, Ausgaben wie Einnahmen halb halb aufzuteilen, mag nachvollziehbar klingen, zumal die ganze Kreativarbeit ja unter dem Dach von Disney passiert, in Kevin Feiges Marvel Studios. Aber erstens verdiente Disney auch schon beim alten Deal mehr an den „Spider-Man“-Filmen als die fünf Prozent, denn schließlich kommen noch Merchandise-Einkünfte hinzu. Vor allem aber ist Disney einfach mal das derzeit mit Abstand erfolgreichste Filmstudio auf der Welt, dank unter anderem Marvel, „Star Wars“, Pixar, „König der Löwen“ und „Die Eiskönigin“.
Mit „Avengers 4: Endgame“ gelang Disney gerade der erfolgreichste Film aller Zeiten und im kommenden Kampf der immer wichtiger werdenden Streamingdienste positioniert man sich mit der günstigen, alle bekannten Marken vereinenden Netflix-Konkurrenz Disney+. Von den Themenparks und Merchandise-Artikeln als Weiterverwertungsmöglichkeit der Kinofilme fange ich gar nicht erst an. Auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzt mit Sony ein Studio, dem es derzeit nicht besonders gut geht.
Zwar gelingt Sony auch immer mal wieder ein Hit, siehe etwa „Jumanji“, „Venom“ oder halt „Far From Home“, insgesamt aber gilt das Studio in der Branche als angeschlagen. „Men In Black: International“ etwa floppte mächtig. Die sicheren Gewinne aus den neuen „Spider-Man“-Filmen sind da sehr wichtig fürs weitere Überleben – und ausgerechnet an die will Disney ran, nur damit der übervolle Geldspeicher endgültig platzt.
Den Ärger haben die Fans
Nun sollte man weder Disney vorwerfen, Erfolg zu haben, noch muss man Mitleid mit Sony haben. Der neue „Men In Black“ etwa ist eine Gurke (und außerdem hätte man lange vor Produktionsstart wissen können, dass diese Nummer durch ist). Die „Amazing Spider-Man“-Filme haben zudem gezeigt, dass bei Sony keine wirklich gute Idee dafür vorhanden war, was mit Spidey Frisches anzustellen ist – sonst hätte der Konzern ja gar nicht erst zu Disney/Marvel gesagt: „Macht ihr bitte, wir sind mit unserem Latein am Ende.“
Doch für Disney wäre es schlicht deutlich einfacher, bei den Verhandlungen nachzugeben als für Sony. Dennoch tat man es bisher nicht – auch nicht um den Preis, damit einen Fan-Traum zu zerschmettern, der gerade erst begonnen hatte. Denn in „Spider-Man 3“ und „Spider-Man 4“ wird nach jetzigem Stand kein MCU-Held mehr auftreten, Spidey wird im möglichen „Avengers 5“ nicht mehr Seite an Seite mit den Kollegen kämpfen und die Fans müssten irgendeine fadenscheinige Erklärung innerhalb der Handlung schlucken, warum sich Spider-Man von den anderen getrennt hat. Dafür könnten Figuren von der Sony-Resterampe dazustoßen und das würde heißen: Venom und Morbius statt Thor und Captain Marvel.
Hoffen wir also, dass sich Disney und Sony nach dem Aufschrei doch noch einigen – auf einen Kompromiss, bei dem keine Seite denkt, der anderen ins Netz gegangen zu sein.
"Spider-Man: Far From Home" macht es wie "Avengers 4: Endgame" - nur besser!