Am Ende geht alles ganz schnell, dann ist Grant Sputores Science-Fiction-Thriller „I Am Mother“ zu Ende, Tochter (Clara Rugaard) hat auf den Androiden Mutter (Stimme im Original: Rose Byrne) geschossen. Als Zuschauer fragt man sich unwillkürlich: Habe ich jetzt wirklich alles mitbekommen? Hier ist unsere Interpretation der Auflösung - und anschließend blicken wir dann auch noch mal auf einige vorangegangene Twists und den Gesamtkontext zurück.
"I Am Mother": Das bedeutet das Ende
Weil Teenagerin Tochter sich wie selbstverständlich mütterlich-fürsorglich um ihren neugeborenen Bruder kümmert, lässt der Android Mutter sie trotz aller vorherigen Irritationen und Versuche, dem menschlichen Eindringling Frau (Hilary Swank) zu helfen, am Leben. Mutter bietet ihre Hilfe an, weiß jedoch, dass sie nicht mehr gebraucht wird. Wenn Tochter dann auf Mutter schießt, ist das mehr eine symbolische Geste der Abnabelung – schließlich existiert Mutter auch ohne ihren Roboter-Körper im kollektiven Bewusstsein der kontrollierenden Androiden weiter.
Denn Tochters ganzes Leben, das sie bisher in dem abgeriegelten Forschungskomplex unter der streng-liebevollen Obhut von Mutter verbracht hat, war ein ja ohnehin ein einziger Test – und zwar für das Fortbestehen der gesamten Menschheit, die sich über das Verhalten von Tochter die zweite Chance überhaupt erst verdienen muss. Den betrachtet der Roboter letztendlich als bestanden.
Eine krasse Wendung, … die nicht jeder mitbekommen hat
Generell zeichnet sich „I Am Mother“ durch eine Vielzahl von Twists aus, die manchmal offensichtlich sind, sich aber auch einige Male fast unbemerkt einschleichen. Wer zum Beispiel bereit ist mitzudenken, bekommt ziemlich früh eine krasse Wendung serviert, die erst später noch offenkundiger aufgelöst wird. Nachdem der Film mit Tag 1 nach der Auslöschung der Menschheit beginnt, zeigt schon wenige Minuten später eine Texttafel den Tag 13.867 an. Allerdings befindet sich Tochter dort noch im Teenager-Alter. Auf den ersten Blick wenig verdächtig, doch wer genauer nachdenkt: Sie müsste eigentlich schon knapp 38 Jahre alt sein! Es handelt sich bei Tochter also nicht um Embryo Nummer 1, sondern - wie später auch noch einmal visuell deutlich gemacht wird - bereits um Version 3.
So wird Frau, ehemals Tochter Nummer 1, zum Beispiel trotz mutmaßlich moralischen Versagens außerhalb des Komplexes am Leben gelassen (und nicht wie eine weitere, gescheiterte Tochter im Ofen verbrannt). Dort draußen in der Ödnis und Leere fristet sie nun in einem Container ein tristes Dasein. In einer der letzten Szenen, als ein Android ihr einen Besuch abstattet, wird verdeutlicht, dass der Zweck ihrer weiteren Existenz nun erfüllt ist: „Komisch, dass du so lange überlebt hast. Als ob jemand eine Bestimmung für dich gehabt hätte – bis jetzt!“ Frau sollte (die aktuelle) Tochter nämlich moralisch auf die Probe zu stellen. Nachdem sie diese Aufgabe ausgefüllt hat, wird sie von Mutter & Co. (mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit) eliminiert. Denn die Androiden wollen die Menschheit in einer fortgeschrittenen Version zurückbringen, aber ohne die „Mängel“ der Vergangenheit.
Obwohl es nie explizit gesagt wird, liegt der dringende Verdacht auf der Hand, dass die Androiden um Mutter die vorherige Menschheit ausgelöscht haben, schließlich sind sie gerade dabei, eine neue moralisch verbesserte Gesellschaft zu erschaffen. Die Einteilung in Gut und Böse ist bei „I Am Mother“ aber keineswegs so eindeutig, wie dies oberflächlich wirkt. Das lässt für alle drei Figuren eine Menge spannende Grauzonen, in denen sich das Publikum gedanklich austoben kann. Obwohl Mutter rücksichtslos vorgeht, ist ihr Ziel eine bessere Menschheit.
„I Am Mother“ läuft seit dem 22. August 2019 in den deutschen Kinos.
I Am Mother