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    "Hellboy: Call Of Darkness": Darum ist "Paddington" erwachsener als der Reboot mit David Harbour

    FILMSTARTS-Redakteur Christian Fußy verrät euch, warum er immer mit den Augen rollt, bis ihm schwindlig ist, wenn ein Film wegen böser Kraftausdrücke und blutiger Szenen als „erwachsene“ Adaption bezeichnet wird.

    Universum Film

    +++ Meinung +++

    Achtung, Spoiler zum gesamten Film!

    Hellboy wütet wieder in den deutschen Kinos. 15 Jahre nach Guillermo del Toros „Hellboy“-Verfilmung versucht sich „Doomsday“- und „The Descent“-Regisseur Neil Marshall an einer erneuten Adaption der (Ok)kult-Comics von Autor und Ausnahme-Zeichner Mike Mignola. Der ist als Produzent an „Hellboy - Call of Darkness“ beteiligt, was gewährleisten soll, dass sich die Filmemacher um Marshall enger an seine Vorlage halten und vor allem – das wurde im Vorfeld immer wieder betont – eine düstere und erwachsene Version des Höllenjungen auf die Leinwand bringen, wie man sie vorher noch nie gesehen hat.

    „Das R-Rating, das wir anstreben, ergibt sich ein bisschen aus dem Gore und dem Horror, aber in erster Linie daraus, dass es ein erwachsener Film mit erwachsenen Themen ist“, versprach Hauptdarsteller David Harbour gegenüber CNET-Magazine.

    Diese Versprechungen wurden dann scheinbar auch eingehalten. Anders als beispielsweise bei „Venom“, der als brutaler Sci-Fi-Horrorfilm angekündigt und schließlich zu einem generischen Actionfilm runtersterilisiert wurde, um eine niedrigere Altersfreigabe zu bekommen, wurde bei „Hellboy“ von Anfang an auf ein R-Rating, also eine US-Altersfreigabe für Erwachsene, abgezielt – welches letztendlich auch erreicht wurde. Da der Film Szenen enthält, in denen gehäutete Kinderleichen von der Decke hängen und Leuten von Dämonen das Gesicht abgerissen wird, finde ich, dass diese Einschätzung der MPAA durchaus vertretbar ist. Dennoch behaupte ich auch, dass die Macher ihrer selbstauferlegten Verpflichtung, einen „erwachsenen“ Film zu drehen, definitiv nicht nachgekommen sind – und dass dieser Umstand „Hellboy - Call of Darkness“ am Ende das Genick bricht.

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    Eine Frage der Motivation

    Als Kind zweier Welten ist Hellboy (David Harbour) hin- und hergerissen zwischen seinem dämonischen Ursprung und seiner menschlichen Erziehung. Sowohl die böse Nimue (Milla Jovovich) als auch sein Ziehvater Doktor Broom (Ian McShane) wollen ihn auf einen Pfad zu seiner Bestimmung führen, die Tatsache, dass er mit Ersterer noch ein Hühnchen zu rupfen hat und sich auch von Letzterem endlich emanzipieren möchte, sorgt dabei für zusätzliches Konfliktpotenzial. Das wird allerdings nie wirklich ausgeschöpft.

    Für einen ach so erwachsenen Film, der vorgibt, seinem Protagonisten Tiefgang und Gravitas zu verpassen (im Presseheft wird von einem „komplexen Antihelden“ gesprochen), hat „Hellboy - Call Of Darkness“ am Ende eigentlich nichts zu sagen und traut sich auch zu keiner Zeit, die Perspektive des Publikums in Frage zu stellen. Es ist von vornherein klar, wie Hellboy sich entscheiden wird, weil Nimue offensichtlich böse ist und nichts anderes vorhat, als den Weltuntergang herbeizuführen. Ihre Motivation ist bestenfalls schwammig, ihre Methoden plump und ihre Ideologie (die Menschen waren fies zu mir, also bringe ich alle um) kindisch und reaktionär.

    Das hat Guillermo del Toro besser hinbekommen!

    Zum Vergleich: Guillermo del Toro behandelte denselben Konflikt ausführlich in seinem vermeintlich weniger „erwachsenen“ „Hellboy 2 - Die goldene Armee“. Del Toros Ziel in diesem Film scheint es zu sein, die Zuschauer wie auch Hellboy (Ron Perlman) im Laufe des Films auf die Seite des Antagonisten Prinz Nuada (Luke Goss) zu ziehen. Wenn der Höllenjunge und der radikale Freiheitskämpfer am Ende auf verschiedenen Seiten stehen und letzterer die Auseinandersetzung nicht überlebt, inszeniert del Toro diesen Moment nicht als glorreichen Sieg unserer Helden, sondern als Tragödie.

    Nuada, so fehlgeleitet seine Methoden auch sein mögen, handelte aus Überzeugung und im Dienste seines Volkes. Er wollte nie ein Heerführer sein und er schlachtet auch nicht wahllos Menschen ab, sondern wurde aus einer gefühlten Notwendigkeit zum Revoluzzer. Für einen Umsturz des Systems ist er sogar bereit, seine geliebte Schwester Nuala (Anna Walton), die sich hilfesuchend an Hellboy und Co. gewendet hat, zu opfern. Am Ende ist es dann Nuala, die sich aus freien Stücken opfert und somit den Plan ihres Bruders vereitelt. Wir spüren seine Wut, seinen Schmerz und seine Hoffnungslosigkeit und betrauern zusammen mit Abe Sapien (Doug Jones) den grausamen Verlust seiner Geliebten, der hätte vermieden werden können, wäre die Welt ein besserer Ort und ein Miteinander zwischen Menschen und Andersartigen möglich.

    Paramount Pictures France

    Höllenjunge mit Identitätskrise

    Ich will nicht so tun, als sei del Toros Film eine vielschichtige Charakterstudie – es handelt sich immer noch um einen effektgetriebenen Comic-Blockbuster mit archetypischen Figuren, Action und Humor –, aber zumindest hat er etwas zu sagen und schämt sich nicht für seinen emotionalen, fast schon elegischen Kern. Wo Harbours Hellboy in jeden Satz ein Fuck, Pisse oder Scheiße einbaut, weil Gefühle zeigen was für kleine Mädchen ist und es sich bei ihm ja um einen männlichen Macho-Mann mit großen Muskeln handelt, fühlt sich Perlmans Interpretation um einiges glaubwürdiger an. Auch er hat Identitätsprobleme und wirkt stellenweise etwas wie ein pubertierender Bengel, diese Charaktermomente verdient sich der Film aber, weil er bereit ist, auch die Emotionen hinter Hellboys Wutausbrüchen zu beleuchten. Nicht nur die Figur ist dadurch am Ende um einiges erwachsener, sondern auch der ganze Film.

    Apropos Identitätsprobleme: Die Berichte, dass es bei „Hellboy - Call of Darkness“ hinter den Kulissen ordentlich gekracht hat, überraschen mich nicht. Betrachtet man das Geschehen auf der Leinwand, wird mehr als deutlich, dass hier verschiedene Leute in die unterschiedlichsten Richtungen gezogen haben.

    Der Film hat durchaus verspielte Ideen wie Ritter mit Elektrolanzen, Schweinemänner, mexikanische Vampir-Wrestler, Dämonen, die auch gut aus einem „Diablo“-Computerspiel stammen könnten und Nazis mit Hakenkreuz-3D-Brillen – wirklicher Spaß kommt allerdings partout nicht auf, weil der Tonfall zwischen schwermütig-apokalyptischem Horror, angestrengt spaßigem Fantasy-B-Movie und kindischem Humor á la „Deadpool“ hin und her springt. Das trägt zusätzlich zu dem Gefühl bei, dass Reife in all ihren Formen genau das ist, was der Film in seiner Entstehungsphase dringend gebraucht hätte.

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    Schizophrene Gewalt

    In „Hellboy - Call of Darkness“ wird nicht nur mit mehr Kraftausdrücken herumgeschmissen als auf einem 2Pac-Album, auch mit seinem hohen Gewaltgrad versucht der Film aus der Masse an Comicbuchverfilmungen herauszustechen. Hier werden Schädel gespalten, Augen ausgestochen und Köpfe schwungvoll von ihren Hälsen getrennt. Grundsätzlich super, auch hier steckt der Teufel jedoch in den Details. „Hellboy - Call of Darkness“ hat nämlich ein leicht schizophrenes Verhältnis zu Gewalt an sich.

    Auf der einen Seite argumentiert Hellboy nach einem Treffen mit Nimue und einer ermüdenden Auseinandersetzung mit den oben erwähnten Rittern gegenüber seinem Vater, dass man Konflikte mit Monstern ja durchaus mal auf friedliche Weise lösen könnte. Auf der anderen Seite ist Gewalt auch weiterhin sein einziges Werkzeug im Kampf gegen das Böse. Zu keiner Sekunde versucht Hellboy seinen eigenen Rat zu befolgen. Am Schluss findet Nimue, wie soll es auch anders sein, ihren Tod durch den Streich eines fetten Schwertes.

    Das ist nicht erwachsen

    Wirklich Freude bereiten einem die blutrünstigen Actionszenen dann auch nicht, weil diese trotz Blut und Gedärm keinerlei Originalität oder Gewicht besitzen. Vergleicht man die Entleibungen aus „Hellboy - Call of Darkness“ mit, sagen wir, dem „Three Stooges“-mäßigen Splatstick von Sam Raimis „Tanz der Teufel“ oder „Ash Vs. Evil Dead“, so wird schnell klar, wo die Gewalt essenzieller Teil eines Werkes ist und wo sie nur angetackert wurde, damit man versprechen kann, der Film sei die comictreue Version, auf die Fans gewartet haben und düsterer, horrorbetonter als del Toros Filme.

    Die Vorstellung, ein Werk sei automatisch erwachsen, nur weil Kinder es nicht sehen dürfen, ist genau das, was „Hellboy - Call of Darkness“ ironischerweise so pubertär macht. Die „Muppet Show“ ist erwachsener als das hier. Die „Paddington“-Filme sind erwachsener als das hier. Sogar „Bob, der Baumeister“ ist erwachsener als das hier. Dort hat man nämlich zumindest das Gefühl, dass auch Erwachsene an der Entstehung beteiligt waren.

    „Hellboy - Call of Darkness“ läuft seit dem 11. April 2019 in den deutschen Kinos.

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