Wer „Iron Sky - Wir kommen in Frieden“ gesehen hat, könnte anschließend fast meinen, gerade einen völlig verrückten Traum gehabt zu haben. Kein Wunder, denn die Idee zu seiner Mond-Nazi-Sci-Fi-Trash-Satire ist Timo Vuorensola tatsächlich durch einen ziemlich abgefahrenen Traum gekommen. Und in „Iron Sky 2: The Coming Race“ setzt der finnische Regisseur jetzt sogar noch einen drauf – und zwar in jeder Hinsicht!
Wir haben den verrückten Kopf hinter dem „Iron Sky“-Universum in Berlin zum exklusiven Interview getroffen und mit ihm über wilde Verschwörungstheorien sowie die Zukunft seiner Filmreihe gesprochen – denn mit den Mond-Nazis ist offenbar noch lange nicht Schluss…
Ein verrückter Traum, der Realität wurde
FILMSTARTS: Die ganze „Iron Sky“-Geschichte klang für mich immer wie ein völlig verrückter Traum - bis ich dann gehört habe, dass die Idee für den Film tatsächlich so entstanden ist…
Timo Vuorensola: Ja, das war wirklich verrückt. Ich habe gerade mit ein paar Freunden einen Film gedreht und nach den Dreharbeiten sind wir immer noch zum Entspannen in die Sauna. Da meinte ein Freund plötzlich, er hätte letzte Nacht einen total schrägen Traum gehabt, in dem er Fahrrad fuhr, während ihm Hitler ständig etwas ins Ohr schrie. Als er daraus aufwachte, dachte er sofort: „Wir müssen einen Film über Nazis auf dem Mond machen!“
Wir haben erst natürlich darüber gelacht und niemals damit gerechnet, dass daraus wirklich ein Film entstehen könnte. Aber wenn – und das wussten wir sofort – wollten wir unbedingt, dass Udo Kier den Bösen spielt und Laibach die Musik macht. Später haben uns dann immer wieder Leute gefragt, was wir denn als nächstes machen würden. Wir erzählten ihnen daraufhin von unserer Mond-Nazi-Idee, die erstaunlich gut ankam. So kam es zu „Iron Sky“.
FILMSTARTS: In der Fortsetzung geht es ja nicht mehr bloß um Mond-Nazis, sondern auch um die Theorie, dass die Erde in Wahrheit hohl sei. Diese Verschwörungstheorien stammen dabei ja nicht aus eurem Gehirn, sondern die spuken wirklich herum. Was kommt als nächstes?
Timo Vuorensola: Ja, das ist ja das Schöne daran, dass es die Theorien tatsächlich gibt. Was als nächstes kommt, ist eine gute Frage. Wer in „Iron Sky: The Coming Race“ genau hinsieht, wird bereits einen Hinweis bekommen, wie und vor allem wo es weitergeht – nämlich auf dem roten Planeten. Für mich ist „Iron Sky“ einfach eine Spielwiese, auf der ich mit Verschwörungstheorien herumspielen kann. Es ist diese Art von politischer Satire, die wir gerade in unserer Zeit besonders brauchen. Was derzeit in der Welt vorgeht, macht mir wirklich sorgen. Wir rasen alle gemeinsam mit Vollgas auf eine Wand zu.
Über das Spin-off "The Ark"
FILMSTARTS: Und du wirst uns auch weiterhin den Spiegel vorhalten. Das „Iron Sky“-Spin-off „The Ark - An Iron Sky Story“ ist ja auch schon abgedreht, oder?
Timo Vuorensola: Das ist richtig. Das wird aber ein ganz anderer Film, sehr chinesisch…
FILMSTARTS: Du bist ja ein bekennender Fan von Hong-Kong-Actionfilmen aus den 80er und 90er Jahren. Kann man sich in „The Ark“ also auf klassische Heroic-Bloodshed-Action freuen?
Timo Vuorensola: Ja, ich liebe diese Filme. In „The Ark“ wird es davon allerdings nicht so viel zu sehen geben - der Film ist wirklich sehr, sehr speziell und richtig schräg. Kein Vergleich zu „Iron Sky“, auch stilistisch nicht. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, nicht nur erneut mit Udo Kier, sondern auch mit Andy Garcia und einigen sehr talentierten chinesischen Darstellern zu arbeiten. Der Film ist wirklich total verrückt, aber ich hatte großen Spaß, ihn zu machen.
FILMSTARTS: Wann wird „The Ark“ denn ins Kino kommen?
Timo Vuorensola: Sehr, sehr bald. Ich will noch nichts Genaues sagen, solange wir es nicht wirklich wissen, aber es wird längst nicht so lange dauern wie bei „Iron Sky 2“.
FILMSTARTS: Liegt das auch an der chinesischen Beteiligung und der damit einhergehenden Finanzspritze?
Timo Vuorensola: Ja, auf jeden Fall. Die Zusammenarbeit mit China hat uns auch ermöglicht, einige Schwierigkeiten zu überstehen, die wir mit „Iron Sky: The Coming Race“ hatten. „The Ark“ habe ich aber nicht aus diesen finanziellen Gründen gemacht: Der Produzent hat mich über Facebook kontaktiert. Er hat sich kurz vorgestellt und meinte nur, er möchte einen Film mit mir in China drehen. Ich habe ihm zuerst gar nicht geglaubt, bis er mir plötzlich Erste-Klasse-Tickets nach Shanghai geschickt hat.
FILMSTARTS: … und da war klar: Auch wenn keine Zusammenarbeit entstehen würde, kommst du so zumindest mal nach Shanghai.
Timo Vuorensola: Ganz genau, ich hatte nichts zu verlieren. Aber dann haben wir diesen total enthusiastischen Produzenten Max Wang getroffen, der ein riesiger „Iron Sky“-Fan ist und uns ein Drehbuch in die Hand drückte. Das Lesen kostete uns allein schon zwei Wochen, weil die Übersetzung so schlecht war - man hat sich fast gewünscht, es wäre stattdessen einfach mit Google Translate übersetzt worden. Aber wir erkannten trotzdem schnell, dass irgendwo hinter dieser miesen Übersetzung eine echt abgefahrene Geschichte steckte. Schließlich haben wir Drehbuchautoren angeheuert und mit ihnen gemeinsam die Geschichte in die „Iron Sky“-Welt transferiert.
Satire statt Trash
FILMSTARTS: Oft merkt man Filmen an, wie sehr sie von Studios in eine bestimmte Richtung gezwängt wurden. Bei deinen „Iron Sky“-Filmen hat man hingegen das Gefühl, dass du machen kannst, worauf auch immer du Lust hast…
Timo Vuorensola: Ja, das ist es, was am meisten Spaß macht. Ich bin mir sicher, dass ich sowas in Amerika nie machen könnte. Ich kann mein verrücktes Ding durchziehen und muss mich vor niemandem rechtfertigen, deswegen wird „Iron Sky“ immer etwas Besonderes für mich sein. Ich genieße diese künstlerische Freiheit sehr.
FILMSTARTS: Viele Menschen haben von den „Iron Sky“-Filmen aufgrund der verrückten Prämisse erwartet, dass es sehr blutig und explizit zur Sache gehen wird. Hattest du jemals im Sinn, die Filme in diese Richtung zu entwickeln?
Timo Vuorensola: Als ich noch jünger war, habe ich Splatterfilme gerne gesehen, heute interessieren die mich aber nicht mehr. Ich gehe zwar immer noch gerne auf Filmfestivals und schaue mir da auch gerne blutrünstige Genrefilme an, habe aber gar kein Verlangen, so etwas selbst zu machen. Auch wenn „Iron Sky“ natürlich total abgedreht ist, ist es für mich schon auch ein Film zum Nachdenken, die satirische Seite steht für mich im Vordergrund. Aber du hast natürlich Recht: Als Leute von der Geschichte von Nazis auf dem Mond hörten, dachten viele, diese würden darin auf jede erdenkliche Weise draufgehen. So weit wollte ich aber nie gehen.
FILMSTARTS: Deine Filme werden oft als Trash abgetan. Dabei sieht man jetzt vor allem bei „The Coming Race“, wie aufwändig die Produktion gewesen sein muss...
Timo Vuorensola: So ist es. Es ist ein wenig frustrierend, wie viele Menschen sich ihre Meinung schon vorab bilden, nachdem sie nur ein kleines Detail aus dem Film erfahren haben. Ja, die Mond-Nazi-Geschichte ist absolut trashig, aber wir setzen sie nicht wie Trash um. Es ist nicht einfach, diese Art von „Crossover-Film“ zu machen, weil die Zuschauer einfach etwas anderes erwarten.
Entfernte Szenen
FILMSTARTS: Beim ersten Teil bekamen Fans später im Director’s Cut ja noch einmal mehr zu sehen. Wird es von „The Coming Race“ auch eine längere Fassung geben?
Timo Vuorensola: Ich würde liebend gerne einen Director’s Cut zum zweiten Teil veröffentlichen. 20 bis 30 zusätzliche Minuten könnte ich locker noch stimmig in dem Film unterkriegen. Ich habe auch schon mit den Produzenten darüber gesprochen, aber wir wollen erst einmal den Kinostart abwarten. Das Problem ist einfach, dass wir nicht einfach gedrehte Szenen in den Film packen und das war’s. Wir haben sehr viele Green-Screen-Shots und die sind in der Postproduktion sehr aufwändig und teuer.
FILMSTARTS: Kannst du denn schon etwas über die Szenen verraten, die es nicht in die Kinofassung geschafft haben?
Timo Vuorensola: Wir haben eine wirklich wunderbare Musical-Szene gedreht: Udo Kier kommt in Uniform eine Treppe herunter und singt fast schon opernhaft gemeinsam mit Julia Dietze. Es ist einfach herrlich und noch verrückter als der Rest des Films, deswegen ist die Szene (vorerst) auch nicht im Film.
Die Zukunft: "Iron Sky 3", TV-Serie und mehr
FILMSTARTS: Aber selbst wenn kein Director’s Cut kommt, erwartet uns in Zukunft wohl trotzdem noch eine Menge „Iron Sky“. Nach „The Ark“ soll auch noch „Iron Sky 3“ kommen und sogar eine TV-Serie ist geplant. Ist das alles noch aktuell?
Timo Vuorensola: Ja, darüber kann ich aber noch nicht viel sagen. Ich habe schon länger eine konkrete Idee für „Iron Sky 3: Endgame“, wobei wir den Titel jetzt wahrscheinlich ändern müssen, weil da gerade eine gewisse Marke mit einem ähnlichen Titel in den Startlöchern steht. Das wäre dann auf jeden Fall eine direkte Fortsetzung zu „Iron Sky 2: The Coming Race“. Pläne für eine TV-Serie gibt es ebenfalls, diese sind derzeit aber noch sehr wage.
FILMSTARTS: Hast du eigentlich auch schon Ideen für später, wenn mit „Iron Sky“ einmal Schluss ist?
Timo Vuorensola: Ich möchte auf jeden Fall verschiedene Sachen ausprobieren. Das Ding ist, dass eine Geschichte ausgefallen und besonders sein muss, um mein Interesse zu wecken. Es soll irgendwie einzigartig und nicht schon tausendmal gemacht worden sein. Außerdem möchte ich mir die Möglichkeit bewahren, völlig frei zu drehen, wenn mir danach ist.
FILMSTARTS: Aber erst einmal gilt es ohnehin, „Iron Sky“ fortzuführen und erfolgreich abzuschließen…
Timo Vuorensola: Genau. Ich freue mich riesig, den Film in die Kinos zu bringen. 2019 ist für das Kino an sich ein sehr entscheidendes und aufregendes Jahr. In Zeiten eines stetig wachsenden Entertainment-Angebots müssen sich Menschen immer häufiger zwischen Filmen im Kino, Computerspielen, Netflix und Co. entscheiden. Und wenn Filmemacher mit einer verrückten Idee an Filmfonds oder Produzenten herantreten, heißt es immer noch: „Mach etwas Normales, dann bekommst du den Zuschuss.“ Das ist sehr schade. Trotzdem freue ich mich sehr auf das Filmjahr 2019. Ich meine, der neue Quentin-Tarantino-Film kommt raus und Martin Scorsese macht mit „The Irishman“ wieder einen Gangsterfilm Joe Pesci und Robert DeNiro!
„Iron Sky 2: The Coming Race“ läuft seit dem 21. März 2019 in den deutschen Kinos.