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    Geschlechter-Stereotype gehören komplett weggeworfen: Felicity Jones im Interview zum RBG-Biopic "Die Berufung"

    In „Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit“ spielt Felicity Jones die legendäre Juristin Ruth Bader Ginsburg und zeigt den Anfang ihres Kampfes für Gleichberechtigung. Wir haben die Schauspielerin in Paris zum Interview getroffen.

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    Nur eine Woche nach dem deutschen Kinostart von „Die Berufung – Ihr Kampf für die Gerechtigkeit“ wird Ruth Bader Ginsburg (oder „The Notorious RBG“, wie ihre Fans sie nennen) bereits ihren 86. Geburtstag feiern. Trotzdem ist die Richterin am Obersten Gerichtshof der USA eine echte Popkultur-Ikone, die gerade von jungen Menschen regelrecht vergöttert wird. Felicity Jones spielt die junge Ruth Bader Ginsburg in dem Biopic von Mimi Leder – und ist damit die perfekte Expertin, um uns zu verraten, was denn nun eigentlich so faszinierend an der Richterin ist…

    FILMSTARTS: Warum ist ausgerechnet eine betagte Robenträgerin wie Ruth Bader Ginsburg bei den jungen Leuten so beliebt?

    Felicity Jones: Weil es nicht viele Menschen wie sie gibt. Wir leben in einer Zeit, wo es zu wenige Anführer mit Prinzipien gibt, zu wenige, die bei ihren Handlungen wirklich das Beste für ihr Land im Sinn haben. Viele arbeiten nur für ihren eigenen Vorteil. Aber Ruth Bader Ginsburg ist jemand, der von Beginn an Prinzipien hatte und ihr Land immer über ihre eigenen Interessen gestellt hat. Es gibt aktuell ein stärkeres Verlangen nach solchen Persönlichkeiten und ich glaube, dass deswegen in den vergangenen Jahren auch die Unterstützung für sie so viel stärker geworden ist.

    FILMSTARTS: Du hast Richterin Ginsburg ja bestimmt im Vorfeld getroffen. Wie lief das ab?

    Felicity Jones: Ich habe sie zu Beginn der Dreharbeiten getroffen, nachdem ich mich schon für mehrere Monate zu Hause auf die Rolle vorbereitet hatte. Armie Hammer und ich sind zusammen nach Washington gefahren, um sie dort zu besuchen. Wir waren so unglaublich nervös und hatten ganz schwitzige Hände. Und wenn du sie dann siehst, willst du dich vor ihr verbeugen. Sie hatte so eine unglaubliche Wirkung auf diese Welt und es ist deshalb auch so bewegend, wenn du ihr dann gegenüberstehst. Wir waren deswegen auch unglaublich schüchtern, aber sie nahm uns sofort mit offenen Armen auf.

    Tipps unter Schauspielern

    FILMSTARTS: Richterin Ginsburg hat in den vergangenen Jahren selbst ein wenig auf der Opernbühne geschauspielert. Gab es da auch einen Austausch unter Schauspielkollegen, vielleicht ein paar gegenseitige Tipps?

    Felicity Jones: [lacht] Sie ist richtig gut, wirklich gut. Ich lache jetzt, aber das meine ich ernst. Ich habe sie mir im Rahmen meiner Vorbereitung in einer Oper angeschaut. Und es war unglaublich – auch wegen ihrer Geschichte. Sie hatte ja zwei Mal Krebs und rein körperlich einige schwierige Zeiten. Doch wenn sie auf der Bühne steht, ist davon nichts zu merken. Sie steht da mit so einer unglaublichen Energie und ich dachte nur: Das sagt dir alles, was du über sie wissen musst. Die Zielstrebigkeit dieser Frau ist einfach nur außergewöhnlich. Aber ich habe sie auch nach Rat gefragt, als ich sie besuchte. Und sie sagte in ihrer ganz typischen trockenen Art: „Ich habe deine Filme gesehen und weiß, dass du es kannst.“ Das gab mir unglaubliches Selbstvertrauen.

    FILMSTARTS: Meinst du die Opern-Aufführung, die auch in der Dokumentation „RBG“ eine Rolle spielt? Die hat mich nämlich auch umgehauen, zumal sie ja so eine kleine, leise Frau ist und da steht sie mit dieser Kraft auf und erhebt plötzlich ihre Stimme...

    Felicity Jones: Ja, exakt die Szene meine ich. Die Dokumentation war übrigens auch sehr hilfreich. Sie ist ungefähr zu selben Zeit wie unser Film entstanden und die beiden Macherinnen haben uns viele Szenen schon vorab zur Verfügung gestellt. So bekamen wir alte Aufnahmen von Ruth und Marty in ihren Zwanzigern - und das war natürlich eine fantastische Recherchequelle. Schließlich spiele ich sie so viel jünger, als sie heute ist.

    Koch Films

    FILMSTARTS: Das große Thema eures Films ist Geschlechtergerechtigkeit. Nun ist es 40 Jahre her, dass Ruth Bader Ginsburg - wie im Film gezeigt - den ersten Prozess in diese Richtung bestritten hat. Doch man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wie etwas vor so langer Zeit beginnen konnte und wir auch heute noch immer ein gutes Stück weit davon entfernt sind, dass ihr Ziel wirklich erreicht wird?

    Felicity Jones: Oh ja, da stimme ich dir zu und ich kann auch nicht sagen, warum wir immer noch so weit weg sind. Das ist so niederschmetternd. Du bist im Jahr 2018 und fragst dich: Was hat sich geändert? Warum sind wir nicht angekommen? Warum haben wir immer noch unterschiedliche Bezahlung bei den Geschlechtern? Doch ich denke, der Film gibt uns die Inspiration, weiter für diese Dinge zu kämpfen und vor allem Geschlechter-Stereotypen nicht nur aufzubrechen, sondern komplett wegzufegen.

    Es ist wichtig, dass zum Beispiel Männer, die zu Hause bleiben wollen und Aufgaben im Haushalt übernehmen, nicht mehr als „unmännlich“ betrachtet werden. Aber das ist ein langsamer Prozess, der in verschiedenen Ländern verschieden weit ist. Das gilt auch für unterschiedliche Branchen. Wenn man nur sieht, dass es bei euch in Deutschland mittlerweile selbstverständlich möglich ist, dass auch der Mann nach der Geburt des Kindes Elternzeit nehmen kann, in vielen Ländern das aber nicht geht oder vertraglich von Branche zu Branche anders geregelt ist. Und genau dafür hat Ruth Bader Ginsburg doch gekämpft, dass sich das Gesetz ändert, dass die altmodische Idee, dass sich in erster Linie nur die Frau um Kinder zu kümmern hat, aus den Köpfen verschwindet. Das ist der Schlüssel, um wirklich Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen.

    Die Wut kanalisieren

    FILMSTARTS: Du hattest das Drehbuch und die echte Ruth Bader Ginsburg als Vorbild. Was konntest du da selbst als Schauspielerin noch in die Rolle mit einbringen?

    Felicity Jones: In erster Linie ist es natürlich meine Aufgabe, die Person auf der Leinwand mit Leben zu füllen, sie menschlich zu machen. Und in diesem Fall wollte ich vor allem auch den Humor dieser Familie noch stärker rausstellen. Ruth hat einen unglaublich trockenen, wundervollen Witz. Zudem war mir wichtig, ihre innere Zerrissenheit zu zeigen. Es sollte zu sehen sein, wie sie Wut und Ärger kanalisiert und zu ihrem Vorteil nutzt.

    FILMSTARTS: Gut, dass du das ansprichst, weil ich jetzt gerade anmerken wollte, wie sehr mir es an deinem Spiel gefallen hat, dein Gesicht zu lesen. Wie man darin sehen konnte, wie Ruth ihre Wut auch mal herunterschluckt. Man kann natürlich versuchen, einfach so zu reden wie Ruth Bader Ginsburg, aber ich finde es gut, dass du das gar nicht gemacht, sondern so stark auf deine Mimik gesetzt hast…

    Felicity Jones: Die Idee dazu kam mir bei der Beobachtung der heutigen Ruth Bader Ginsburg. Sie hat eine Art Maske entwickelt, eine öffentliche Erscheinung von ihr, die kaum Emotionen zeigt. Ich vergleiche das mit einer Königin, die, um eine gute Anführerin zu sein, ihr Ego und ihre Emotionen nicht durchblicken lassen darf. Und Ruth hat das sehr früh gelernt. Ihre Argumente wurden zum Ausdruck ihrer Stärke - und wie sie diese Argumente und ihre Intelligenz in einer Diskussion einsetzen kann. Sie wollte nicht, dass sie selbst der daraus resultierenden Botschaft im Wege steht.

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    FILMSTARTS: In einer meiner Lieblingsszenen, die ich so mag, weil sie eher subtil ist, hat Ruth dieses Job-Interview und man denkt, dass sie endlich eingestellt wird. Aber dann wandern für einen kurzen Moment die Augen des Anwalts an ihrem Körper nach unten...

    Felicity Jones: Oh ja, das ist ein so schrecklicher Moment für eine Frau...

    FILMSTARTS: ...ja, denn man versteht, dass er sie nicht als Anwältin, sondern als Frau vor sich sieht...

    Felicity Jones: ...ja und es freut mich, dass dir die Szene aufgefallen ist, denn das war die Intention. Es ist für mich ein Schlüsselmoment in dieser ganzen Transformation. Denn Ruth ist so offen, sie bringt eine Unschuld mit und ich wollte zeigen, wie sie erst lernt, sich zu verschließen. Denn wir alle wissen, wie die Frau heute mit 85 Jahren ist. Aber ich wollte darstellen, wie sie zu dieser Frau wurde. Deswegen trägt sie zum Beispiel nach dieser Szene auch die Haare nach hinten und tritt anders auf. Denn sie weiß nun, dass sie kämpfen muss und dabei nicht zu nett sein darf.

    „Die Berufung – Ihr Kampf für die Gerechtigkeit“ läuft seit dem 7. März 2019 in den deutschen Kinos.

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