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    Unglaublich, aber wahr: Darum ist "Alita: Battle Angel" mehr als CGI-Fantasy-Bombast

    Robert Rodriguez’ Manga-Verfilmung ist ein visuell beeindruckendes CGI-Feuerwerk, das im Kern allerdings so wahrhaftig ist, wie es nur sein kann. Dass „Alita“ großes Gefühlskino ist, liegt aber keineswegs bloß an der Geschichte…

    Twentieth Century Fox

    +++ Meinung +++

    Achtung, dieser Artikel enthält Spoiler zu „Alita: Battle Angel“.

    Alita: Battle Angel“ ist über weite Strecken ein regelrechter Augenschmaus, vollgepackt mit visuellen, oft am Computer entstandenen Kreationen, die ich so noch nie gesehen hatte – allen voran natürlich die vollanimierte Titelheldin, die es mit ihren übergroßen Augen als erste fotorealistische Live-Action-Manga-Figur bei Teilen des Publikums nicht gerade leicht hat, mein Herz allerdings im Sturm eroberte. Und Regisseur Robert Rodriguez weiß natürlich genau, dass es jene spektakulären Bilder sind, für die seine Zuschauer ins Kinos gehen.

    Gleichzeitig weiß der „Sin City“-Macher aber auch: Mit nach Hause nehmen werden die Leute etwas Anderes. Dass „Alita“ letzten Endes weit mehr als eine seelenlose Materialschlacht ist, liegt aber nicht bloß an der klassisch-charmanten Fish-Out-Of-Water-Geschichte und der großartigen Hauptdarstellerin Rosa Salazar, die der Titelheldin, unterstützt von atemberaubendem Performance-Capturing, sowohl ein Gesicht als auch eine Seele verleiht. Dass sie der emotionale Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, steht für mich außer Frage – und soll in diesem Artikel auch nicht weiter ausgeführt werden. Vielmehr möchte ich auf jene Details in „Alita“ eingehen, die dem Zuschauer vielleicht gar nicht auffallen, das Abenteuer in Iron City für mich letztlich aber erst richtig greifbar machen.

    Twentieth Century Fox

    "Alita" und die Physik

    Darüber, inwieweit die im Film gezeigten Technologien tatsächlich umsetzbar sind oder es zumindest in naher Zukunft sein könnten, lasse ich lieber Fachmänner auf diesem Gebiet debattieren. Nichtsdestotrotz ist „Alita“-Produzent James Cameron („Avatar“, „Terminator“), der den Film ursprünglich selbst inszenieren wollte, dafür bekannt, in seinen Science-Fiction-Filmen für ein gewisses Gleichgewicht aus Wissenschaft und Fiktion zu sorgen. Auch „Alita“ macht dabei keine Ausnahme und ist deswegen auch voll von kleinen Details, die uns so oder so ähnlich durchaus bekannt sind und eben „science“ mit „fiction“ vereinen. Es ist das Unscheinbare, das zwischen den Zeilen, das Filme wie „Terminator“, „Aliens“ oder „Avatar“ zu mehr als kurzweiligem Eye-Candy macht. Cameron nimmt das Vertraute, adaptiert es in eine von ihm geschaffene Welt und schafft damit das Kunststück, etwas Neues zu kreieren, zu dem seine Zuschauer dennoch eine Verbindung spüren.

    Ein Beispiel dafür im Film ist Nyssiana (gespielt von Eiza González). Während die meisten Cyborgs in der Leinwandadaption verglichen zur Vorlage mal mehr, mal weniger verändert wurden, ist gerade ihr Design kein Zufall. Cameron, der sich immer wieder Inspiration nicht nur aus der modernen Technologie, sondern auch aus der Natur holt, teilt auch eine Faszination für Tiere. Nyssianas körperliche Struktur sollte deswegen an die einer Gottesanbeterin erinnern, die ihre Opfer bewaffnet mit ihren messerscharfen Klingen dem Erdboden gleichmacht. Sie ist mysteriös, tödlich und so noch nie da gewesen – und trotzdem beschleicht einen das Gefühl, so etwas schon mal gesehen zu haben. Es gilt also gar nicht, das Rad immer wieder neu zu erfinden, das ist auch gar nicht möglich. Das Geheimnis liegt vielmehr darin, Geläufiges kreativ zu verpacken und so die Balance zwischen bereits Bestehendem und neu Geschaffenem zu finden – eine Formel, nach der übrigens auch die besten Remakes funktionieren.

    Das Setting

    Einer der entscheidenden Punkte, in dem sich der Film nicht nur stark von seiner Vorlage abhebt, sondern der für die physikalische Richtigkeit und in weiterer Folge auch für ein authentisches Filmerlebnis von größter Bedeutung ist, ist das Setting des Films. Während der Manga nämlich noch in Kansas City angesiedelt ist, spielt der Film in Mittelamerika – daraus hat sich auch der für einen futuristischen Sci-Fi-Film ungewöhnliche warme Look von „Alita“ und seine farbenfrohe, von lateinamerikanischer Architektur geprägte Landschaft ergeben.

    Auch hinter dieser Entscheidung steckt James Camerons Streben nach Authentizität: Denn die Technologie der Weltraumaufzüge, die in Iron City bzw. Zalem zum Einsatz kommt, ist keineswegs ein Produkt seiner Fantasie, sondern eine wissenschaftliche Errungenschaft, an der die NASA seit Jahren mit Hochdruck arbeitet. Die dafür benötigten geostationären Satelliten müssen dafür allerdings über dem Äquator stehen, weswegen auf dieser Höhe eben auch die Bodenstation liegen muss. Im Fall von „Alita“ bedeutete das, dass der Schauplatz näher an den Äquator verlegt werden musste – von Kansas City nach Panama. Das mag einem nicht weiter wichtig erscheinen, prägt den Film für mich aber nicht nur visuell, sondern auch emotional ganz entscheidend mit – auch wenn ich bei meinem ersten „Alita“-Besuch im Kino keinen bewussten Gedanken daran „verschwendet“ habe.

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    Mehr als CGI-Bombast

    Auch abseits von Camerons Figurenzeichnung funktioniert das sogenannte World-Building, also das Schaffen einer neuen, imaginären Welt, nach demselben Prinzip: Schaffe etwas Neues, das zwar frisch und faszinierend ist, gleichzeitig aber nie zu fremd wird – eine Welt eben, die sich inhaltlich und optisch zwar von unserer unterscheiden mag, letztlich aber genug Gemeinsamkeiten mit ihr aufweist, um greifbar zu bleiben. „Alita: Battle Angel“ mag zwar voll von wunderschönen Animationen sein, ist gleichzeitig aber auch Fantasy-Kino zum Anfassen. Und genau das macht für mich selbst in einem CGI-Feuerwerk wie „Alita“ ungemein viel aus.

    Der Film wurde in Robert Rodriguez’ Troublemaker Studios in Austin, Texas gedreht, wo er eine ganze Stadt errichtete und zum Leben erweckte, aus echten Kulissen und unzähligen Requisiten und nicht bloß anhand einiger Mausklicks. Hier und da kam natürlich der altbewährte Greenscreen zum Einsatz, allen voran aber, um am Computer später spektakuläre Panoramen im Hintergrund entstehen zu lassen. Was mittels praktischer Effekte umgesetzt werden konnte, wurde auch wirklich ohne unnötige Einsen und Nullen aus dem Computer realisiert – eine Vorgehensweise, die ich nahezu ausnahmslos immer begrüße.

    Twentieth Century Fox

    „Handgemachte“ Effekte, wie sie Rodriguez immer wieder hervorragend einsetzt (auch schon in seinen früheren Filmen), schlagen in meinen Augen einfach selbst modernstes CGI. Das mag altmodisch sein und vielleicht nach „früher war doch alles besser“ klingen, hat für mich letzten Endes aber vor allem mit der Erfassbarkeit eines Szenarios zu tun. Aus diesem Grund zählen die Motorball-Szenen in „Alita: Battle Angel“, so spektakulär diese auch umgesetzt wurden, für mich zu den entbehrlicheren Momenten – weil ich schlichtweg das Gefühl habe, bloß ein – wenn auch unglaublich gut inszeniertes – Videospiel zu sehen.

    Alita: Battle Angel

    Während der Blick hinter die Kulissen vergleichbarer Blockbuster oftmals zeigt, wie schwer es die von Greenscreens umgebenen Darsteller haben, wenn diese bloß anhand einiger Laserpunkte wissen müssen, wo später digitale Elemente eingefügt werden, wollte man den Darstellern rund um Rosa Salazar und Keean Johnson die Arbeit mit ebenso riesigen wie detailreichen Sets so leicht wie möglich machen. Denn auch wenn „Alita“ voll von digitalen Effekten ist, dienten diese für Rodriguez und Co. stets der Ergänzung der unglaublich aufwändigen Sets, wie diese zehnminütige Behind-The-Scenes-Featurette zeigt. Die Figuren stolzieren tatsächlich unter freiem Himmel durch die Straßen Iron Citys und wandern nicht einfach im bequem-beheizten, überdachten Studio hin und her – auch das fühle ich als Zuschauer einfach, auch ohne, dass man es mir allzu offensichtlich aufs Auge drückt.

    Alita verbindet Mensch und Technik

    Selbst nach meinem zweiten „Alita“-Kinobesuch bin ich mir sicher, viele dieser kreativen, mir insgeheim bekannten Elemente gar nicht bemerkt zu haben – nicht zuletzt deswegen freue ich mich aber schon jetzt darauf, den Film ein drittes Mal zu sehen. Was für mich einen Science-Fiction-Film aber erst ausmacht, ist sein Bezug zur Realität. Ich will damit nicht sagen, dass „Star Wars“, die MCU-Filme und Co. deswegen absoluter Schwachsinn sind – natürlich sind auch sie in vielen Punkten gewissermaßen in unserer Welt verankert. Sobald derartige Stoffe aber allzu sehr ins Fantasy-Genre abdriften, habe ich damit immer weniger Spaß. Dann doch lieber etwas wie „Interstellar“ oder „Arrival“, „Blade Runner 2049“ oder „2001: Odyssee im Weltraum“, „Children Of Men“ oder „Moon“. Das hat allerdings rein gar nichts mit gut oder schlecht, anspruchsvoll oder stumpfsinnig zu tun, sondern ist schlicht Geschmackssache.

    „Alita: Battle Angel“ ist ein Ausnahmefall, weil er sich irgendwo dazwischen positioniert und dennoch ganz wunderbar funktioniert. Die Verankerung in unserer Welt wohnt dem Film aber nicht nur visuell, erzählerisch und emotional inne, sondern auch außerhalb des Kinos. Denn der Sci-Fi-Blockbuster bedient sich nicht bloß bei unserer Welt, sondern gibt auch etwas zurück. Die Annäherung zwischen Mensch und Maschine war im Kino schon immer Thema und wird in Filmen wie „Alien“, „Blade Runner“ oder „Her“ auf ganz unterschiedliche Weise behandelt, erreicht mit der Adaption von Yukito Kishiros Manga jedoch einen weiteren Höhepunkt – und zwar im wahren Leben abseits der Leinwand.

    In Zusammenarbeit mit dem britischen Unternehmen Open Bionics entwickelte James Cameron gemeinsam mit dem „Alita“-Designteam eine neuartige, fortschrittliche und erschwingliche Armprothese samt Abdeckungen im coolen Alita-Look, die vor allem Kindern den Alltag erleichtern soll, die ohne Arme auf die Welt kamen oder diese durch Krankheit oder einen Unfall verloren haben. Die kleine Tilly Lockey hat bereits den Anfang gemacht und mit ihrer Willensstärke auch das „Alita“-Team inspiriert, wie das folgende Video zeigt:

    Viele Dinge nehmen wir gar nicht bewusst war, wenn wir einen Film sehen. Wir schenken ihnen keine allzu große Aufmerksamkeit oder vergessen sie augenscheinlich oft schon wenig später. Und trotzdem sind sie da und formen einen Film für uns ganz entscheidend mit – ob wir es nun merken oder nicht. Es ist nicht zuletzt diese Liebe zum Detail, die James Camerons Filme schon immer aus der Masse hervorstechen ließ und kurzweiliges Popcorn-Kino zu mitreißenden, greifbaren Erlebnissen macht.

    „Alita: Battle Angel“ verwandelt. „Alita: Battle Angel“ läuft seit 14. Februar 2019 in den deutschen Kinos.

     

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