Robert Rodriguez erschuf die El-Mariachi-Trilogie einst aus dem Nichts, lieferte mit „From Dusk Till Dawn“ einen der abgedrehtesten Kultfilme der 90er ab und bewies Jahre später mit „Planet Terror“ und „Machete“, dass er nichts von seinem Biss, vor allem aber nichts von seiner Originalität verloren hat. Ohne Kompromisse adaptierte er 2005 auch „Sin City“ für die Leinwand — und zeigte nicht nur die endlosen Möglichkeiten im Genre der Comic-Verfilmungen auf, sondern wurde dadurch auch in die richtige Richtung gedrängt, um mit „Alita: Battle Angel“ später schließlich auch einen Manga fürs Kino aufzubereiten und sein bislang mit Abstand größtes Projekt in Angriff zu nehmen. Warum aber sollte ausgerechnet er, der für seine aberwitzigen, in Blut getränkten Geschichten bekannt ist, der Richtige sein, um einen Blockbuster zu inszenieren, der auch jüngere Zuschauer anspricht? Seine familienfreundlichen „Spy Kids“-Filme lassen wir jedenfalls nur bedingt als Argument durchgehen.
Wir haben Robert Rodriguez in Berlin getroffen und nachgefragt, wie schwer es ihm fiel, das Kunstblut bei all der brachialen Action mal nicht literweise durchs Bild spritzen zu lassen, wie es denn um eine Fortsetzung steht und was es eigentlich braucht, um Geschichten wie „Alita“-Produzent und -Autor James Cameron zu erzählen. Eines vorweg: Er hat die Formel des visuellen Genies hinter „Terminator“ und „Avatar“ erkannt und das Zeug dazu, in dessen Fußstapfen zu treten. Aber wie stünde es dann zukünftig bloß um die spaßigen Metzelorgien, die einem klassischen Rodriguez-Film doch irgendwie erst die Krone aufsetzen?
Ein Traum geht in Erfüllung
FILMSTARTS: Bei jedem neuen Film von dir kommt mir zu allererst „Rebel Without A Crew“, das Buch zur Entstehung deines Films „El Mariachi“, in den Sinn. Wie fühlt es sich für dich an, an diese Zeit zurückzudenken, in der du medizinische Tests über dich ergehen hast lassen, um einen Dreh finanzieren zu können? Und heute sitzt du hier und hast einen gigantischen Blockbuster mit James Cameron auf die Beine gestellt…
Robert Rodriguez: Es fühlt sich unglaublich an, fast so, als wäre ich tatsächlich noch in so einem Experiment, in dem gerade bewusstseinsverändernde Medikamente getestet werden. Tatsächlich habe ich damals, als ich im Krankenhaus war, den Trailer zu „Terminator 2“ gesehen. Ich konnte es kaum erwarten, entlassen zu werden und den Film endlich zu sehen und dachte damals einfach nur „Wow, dieser Kerl macht Filme in einer unvorstellbaren Größenordnung“ – ich hätte nie gedacht, dass ich tatsächlich einmal einen Film mit ihm machen würde. Es ist unglaublich.
FILMSTARTS: Zum Beginn deiner Karriere hast du quasi alles selbst gemacht – Regie, Drehbuch, Licht, Schnitt und was sonst dazugehört. Genießt du es, diese Aufgaben heute delegieren zu können, oder fällt es einem da auch schwer loszulassen?
Robert Rodriguez: Es ist immer schwer, sich von Sachen zu verabschieden, die man gerne macht. Im Falle von „Alita“ gab es aber einfach so viele andere Sachen, auf die ich mich konzentrieren musste. Und das fällt natürlich leichter, wenn man sich die Besten leisten kann. Früher dachte ich mir öfter, wenn ich beispielsweise einen Kameramann suchte, „Okay, schlechter als dieser dahergelaufene Typ mache ich das auch nicht“ und habe es dann selbst gemacht. Aber jetzt hatte ich Zugriff auf Leute wie Kameramann Bill Pope („Matrix“), Cutter Stephen Rivkin („Fluch der Karibik“) oder Junkie XL („Mad Max: Fury Road“), der die Musik machte. Das ist echter Luxus.
FILMSTARTS: Denkst du, dass du deswegen auch etwas intensiver mit diesen Departments zusammenarbeitest als andere Regisseure?
Robert Rodriguez: Auf jeden Fall! Ich kenne ihre Jobs einfach ganz genau und spreche mit ihnen auch ganz anders. Die Zusammenarbeit ist sehr intensiv.
Hart aber herzlich
FILMSTARTS: Inwiefern unterscheidet sich „Alita: Battle Angel“ nun aber von deinen anderen Filmen?
Robert Rodriguez: Ein wirklich großartiger Film ist eine ausgewogene Mischung aus Wahrheit und Spektakel, und wie man das macht, wollte ich von James Cameron lernen. Denn auch wenn man wegen großer Bilder und Action in einen Film geht, will man etwas für sich daraus mitnehmen. Meine Filme sind immer ein wenig verrückt und skurril. „Alita“ mag zwar mein größter Film bisher sein, ist aber durchaus geerdeter. Deswegen haben wir auch nicht bloß auf visuelle Effekte und Animationen, sondern auch auf echte Sets und Darsteller gesetzt – andernfalls würde dem Film das Herz verloren gehen.
FILMSTARTS: Was war für dich denn die größte Herausforderung bei der Produktion von „Alita“? Ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht war, den Geist der durchaus brutalen und expliziten Manga-Vorlage zu bewahren und gleichzeitig einen Film ab 12 zu machen…
Robert Rodriguez: Oh ja, im Manga geht es wirklich zur Sache. James Cameron, der den Film vor einiger Zeit ja noch selbst machen wollte, hatte zum Glück schon den „Code“ geknackt, um den Manga auf die Leinwand zu bringen – mit einem Drehbuch, das zuerst noch viel zu lang war, aber eben seiner Vision entsprach. Wir haben zwar immer noch einige harte Szenen im Film, haben uns aber vor allem darauf konzentriert, den Figuren mehr Tiefe zu geben.
"Ich musste James Cameron studieren"
FILMSTARTS: Du hast mit „Sin City“ bereits gezeigt, was es heißt, einen Comic vorlagengetreu auf die Leinwand zu bringen. Hat dir diese Erfahrung auch bei „Alita: Battle Angel“ geholfen?
Robert Rodriguez: Es war auf jeden Fall sehr hilfreich. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass wir uns dieses Mal nicht so sehr auf eine kleine Zielgruppe versteifen wollten, die das Original kennt. Stattdessen wollten wir ein Abenteuer mit Herz kreieren, das Zuschauer jeden Alters und von überall auf der Welt anspricht. Genau das ist es, was ich von James Cameron lernen wollte, denn es ist nun mal kein Zufall, dass er einfach die größten Filme macht.
FILMSTARTS: Was ist James Camerons Geheimnis?
Robert Rodriguez: Das ist gar nicht so leicht zu sagen, ich musste ihn regelrecht studieren, um für „Alita“ bereit zu sein. Als ich seine fast 200-seitige Drehbuchversion vorgelegt bekommen habe, um Kürzungen vorzunehmen, wusste ich schließlich, was ihm am wichtigsten ist: Nicht die Action, sondern die Figuren und deren Beziehungen bilden den emotionalen Ankerpunkt der Geschichte. Ich erleichterte das Skript um ganze 65 Seiten und bekam letztendlich den Zuschlag, weil James sah, dass ich verstand, worum es in „Alita“ wirklich geht.
FILMSTARTS: Ein großes Thema seit der Veröffentlichung des ersten Trailers waren Alitas Augen...
Robert Rodriguez: James Cameron hatte bereits im Jahr 2005 erste Zeichnungen von Alita, wie sie im Film später aussehen soll. Sie sah einfach umwerfend aus, mit ihren Porzellanarmen und diesen riesigen Augen und ich dachte mir nur „Wow, er will tatsächlich die erste fotorealistische Live-Action-Manga-Figur erschaffen. Ich muss das einfach machen.“ Außerdem sagt man, dass die Augen das Fenster zur Seele sind – und mit diesen Augen wirkte sie eben nicht nur wie eine zum Leben erwachte Comic-Figur, sondern sie bekam auch mehr emotionale Tiefe.
"Alita 2": Wann kommt die Fortsetzung?
FILMSTARTS: „Alita: Battle Angel“ ist gerade aufgrund dieser emotionalen Tiefe auch eine packende Coming-Of-Age-Geschichte, in der man mit der Titelheldin wachsen kann. Das Ende des Films wirkt dabei wie der Höhepunkt, keineswegs aber wie das Ziel ihrer emotionalen Reise. Es bleibt noch so viel offen, so viel zu entdecken. Wie steht es um Teil 2?
Robert Rodriguez: Wir hoffen natürlich, viele Zuschauer mit Alitas Geschichte zu erreichen. Wenn die Nachfrage da ist und genügend Leute für den Film ins Kino gehen, werden wir auf jeden Fall eine Fortsetzung machen. Wir haben Alita gerade erst kennengelernt und wir haben noch so viele tolle Geschichten, die wir gerne erzählen würden. Du musst dir das so vorstellen: Wir haben die Heldin wie auch ihre Welt gerade erst kennengelernt, und mit einem nächsten Film würde man gewissermaßen mit ihr gemeinsam ein neues Level erreichen, wo viele spannende Welten darauf warten, erkundet zu werden.
„Alita: Battle Angel“ läuft seit dem 14. Februar 2019 in den deutschen Kinos.