Vor über zehn Jahren ging Christoph Waltz noch ganz normal zum Casting, um für Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ vorzusprechen. Was folgte, war der große Durchbruch in Hollywood, der eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kult-Regisseur („Django Unchained“), zwei Oscars und Anerkennung von Filmfans und Filmschaffenden aus aller Welt sowie mehr Rollenangebote als je zuvor nach sich zog.
Wir haben den Schauspieler in Berlin getroffen, um über seinen neuen Film „Alita: Battle Angel“ zu sprechen und haben nachgefragt, ob Robert Rodriguez als Regisseur eigentlich ähnlich tickt wie dessen guter Kumpel Tarantino, was eine gute Adaption eines Mangas, Comics oder Romans ausmacht und was ihm an „Alita“ ganz besonders gut gefällt.
FILMSTARTS: Nachdem Sie bereits zweimal mit Quentin Tarantino gearbeitet haben, sind Sie jetzt auch für Robert Rodriguez vor der Kamera gestanden. Für viele Filmfans sind die beiden ja sowas wie „Brüder im Geiste“. Zeigt sich das auch in der Zusammenarbeit mit den beiden?
Christoph Waltz: Die beiden sind gut befreundet, aber Brüder im Geiste – da täte man weder dem einen noch dem anderen sowohl Genüge als auch Recht. Die zwei machen völlig unterschiedliche Filme und haben völlig unterschiedliche Ansatzpunkte, was nicht dagegenspräche, dass sie Brüder im Geiste sein könnten, die aber sehr – gerade was den Geist betrifft – ihre eigene Sache verfolgen und sich gerne austauschen, weil sie miteinander befreundet sind.
FILMSTARTS: Wie sieht die Zusammenarbeit mit Robert Rodriguez als Regisseur denn aus?
Christoph Waltz: Jeden Tag anders, weil die Anforderungen jeden Tag anders sind. Der kennt sich perfekt in dieser Visual-Effects- und Digitalwelt aus. Wenn man das improvisieren würde, würde das Ganze wahrscheinlich das Zehnfache kosten und noch Jahre länger dauern. Was die Größe des Films betrifft, war er möglicherweise einer neuen Herausforderung gegenübergestellt. Tatsächlich handelt es sich aber um dasselbe Medium, er hat also auch mehr Hilfe, wenn er bei so einem großen Projekt Regie führt. Und das, was den Schauspieler betrifft, unterscheidet sich nicht nach der Größe des Budgets. Das Einzige, was man da möglicherweise anführen könnte, ist, dass man mehr Zeit hat, man aber klarerweise auch mehr Zeit braucht. Von Film zu Film, von Tag zu Tag, von Szene zu Szene, von Person zu Person sind die Anforderungen an einen Regisseur unterschiedlich.
FILMSTARTS: Nach eigener Aussage fällt es Robert Rodriguez schwer, gewisse Aufgaben (z.B. Kamera oder Licht) zu delegieren, weil er diese jahrelang auch selbst übernommen hat und eben auch genau weiß, worauf es ankommt. Haben Sie das als Schauspieler auch so wahrgenommen?
Christoph Waltz: Nein, das merkt man überhaupt nicht, im Gegenteil. Ich habe ihn sehr dafür bewundert, wie sehr er den einzelnen Gewerken die Verantwortung überlässt, das auch zum Funktionieren zu bringen. Wobei ich aber sicher bin, dass er ihnen auch sehr, sehr präzise Aufgaben gestellt hat.
FILMSTARTS: …augenscheinlich mit dem Ziel, in diesem spektakulären Blockbuster, der „Alita: Battle Angel“ nun mal ist, vor allem eine Geschichte mit Herz zu erzählen.
Christoph Waltz: Und das ist das, worauf James Cameron Wert legt und womit er meiner Meinung nach auch völlig richtig liegt, weil es langweilig wäre, nur effektloses Zerstören von Hardware zu beobachten. Ich glaube wirklich, dass man in dem Fall sagen kann, die Form folgt der Funktion. Was soll es erzählen? Und dafür haben wir die richtige Form gefunden. Es ist auch eine große Geschichte, die von so vielen Motoren betrieben wird und von so vielen Quellen gespeist wird. Da sind wirklich die wichtigsten Themen unserer Problematik, in unserer Welt, zu unserer Zeit zu einer sehr, sehr interessanten Geschichte verwoben. Wenn man sich dem Sentimentalischen nicht so aufgeschlossen zeigt, hat man trotzdem ein großartiges Erlebnis und spürt trotzdem eine sehr, sehr intensive emotionale Verbindung zur Sache.
FILMSTARTS: Gerade bei einem Film wie „Alita: Battle Angel“ tut sich noch einmal einiges in der Post-Produktion. Wie war es schließlich, den fertigen Film zu sehen?
Christoph Waltz: Ich habe das Drehbuch ganz gut gekannt [schmunzelt] und Illustrationen gesehen, die James Cameron schon vor Jahren hat machen lassen. Der hatte da eine sehr konkrete Vorstellung. Insofern waren wir schon ein bisschen vorbereitet, was nicht heißt, dass ich nicht völlig überwältigt war, als ich das Ergebnis dann in Aktion gesehen habe. Ich finde die Musik wahnsinnig gut. Das ist echte Filmmusik und nicht so ein Geräuschteppich, sondern Dramaturgie auf musikalischer Ebene, die nicht wiederholt, was wir sehen, sondern Hinweise auf emotionale Verbindungen gibt, die nur in der Musik zu dem Moment passieren, die aber auch notwendig sind, um das, was man gerade erlebt, vollständig zu erschließen.
FILMSTARTS: Alitas übergroße Augen waren schon vorab ein großes Gesprächsthema…
Christoph Waltz: Robert Rodriguez behauptet, dass Alitas Augen deswegen so groß sind, weil die das Fenster zur Seele sind und dadurch auch das Fenster größer wird. Das ist eine ganz gute Erklärung, die ich so aber nicht ganz kaufe [schmunzelt], weil letzten Endes sind auch kleine Augen ein großes Fenster zur Seele, wenn man das schon so sieht. Ich denke aber auch nicht, dass wir die Seele eines Charakters, den wir auf der Leinwand verfolgen, durch Einblick via Augen erfassen können. Der Mensch liest Verhalten, der Mensch liest nicht unbedingt die Seele in den Augen. So sehe ich das. Aber ich bin auch Schauspieler und als solcher für Verhalten von Charakteren auf der Leinwand zuständig. Die Augen, wie ich das auch bei Alita auffasse, dienen mehr zum Rausschauen als zum Reinschauen. Und das ist das, was bei „Alita“ schön ist. Das ist jetzt auch kein neues, aber ein wunderbar brauchbares und immer noch sehr nützliches Mittel, einen Blick auf unsere Welt durch die Augen eines Unschuldigen zu werfen.
FILMSTARTS: Was halten sie grundsätzlich von den neuen technischen Möglichkeiten, die Filmemachern mittlerweile ermöglichen, auch menschliche Figuren fast 1:1 nachzubilden? Auch wenn Alita gar nicht wie das nette Mädchen von Nebenan aussehen soll, sondern sich schon von der „Realität“ abhebt.
Christoph Waltz: 1:1 funktioniert im Film deshalb so großartig, weil man einen Menschen in der Rolle des Roboters sehen kann. Das hat in diesem Fall auch damit zu tun, dass sie ein Cyborg ist und dass ihr Gehirn und ihr Herz sozusagen noch original sind, dass ihr Geist, wenn man das so betrachten will, das, was den Menschen ausmacht, noch erhalten ist.
FILMSTARTS: Vom Sehen zum Hören: Im deutschen Trailer von „Alita: Battle Angel“ sind Sie mit anderer Stimme zu hören, im Film sprechen Sie ihren Part allerdings selbst. Richtig?
Christoph Waltz: Ja, genau. Das war nur im Trailer so, das ging sich zeitlich vom Timing her einfach nicht aus.
FILMSTARTS: Gehört das Synchronisieren ihrer nicht-deutschsprachigen Rollen für Sie zum Job dazu?
Christoph Waltz: Es gehört schon irgendwie dazu, was nicht heißt, dass es nicht auch anders ginge. Wenn es bei den anderen geht, warum soll es bei mir nicht gehen? Aber solange ich das machen kann, mache ich das auch.
FILMSTARTS: Sie sagten einmal in einem Interview, dass Sie an Geschichten interessiert sind, die unabhängig von ihrer Sprache einfach funktionieren. Seit ihrem Erfolg mit „Inglourious Basterds“ waren Sie an keiner deutschen Produktion mehr beteiligt. Hat das einen bestimmten Grund?
Christoph Waltz: Das ist im Moment irgendwie der Fluss der Gegebenheiten. Man bietet mir hier nicht so viel an und das hat gar nichts mit Deutsch oder Englisch zu tun. Gut, ich kriege schon Angebote, aber die hätte ich früher auch nicht angenommen, also sehe ich keinen Grund, jetzt damit anzufangen. Ansonsten wird das nicht irgendwie geplant oder gesteuert, sondern das ergibt sich so und ich bin ganz zufrieden damit. Aber ich habe natürlich sehr viel mehr Wahl als früher.
FILMSTARTS: Filme, die auf einem Buch, Comic oder eben auf einem Manga beruhen, bekommen oft nachgesagt, sie wären „nicht so gut wie die Vorlage“. Was heißt das überhaupt? Was macht eine gute Buchadaption für Sie aus?
Christoph Waltz: Stanley Kubrick hat einmal gesagt, wenn man einen Roman adaptiert, sollte man den einmal lesen und dann weglegen – und dann das Drehbuch schreiben. Ob das so ist oder nicht, weiß ich nicht, aber ich verstehe, was er meint. Denn das Übertragen in ein anderes Medium kann nicht das Verschieben von einem Medium ins andere bedeuten, es muss ein Übertragen sein. Das heißt nicht, dass da etwas verloren geht, aber verschiedene Dinge werden entbehrbar. Der Natur des Mediums muss natürlich Rechnung getragen werden.
„Alita: Battle Angel“ läuft seit dem 14. Februar 2019 in den deutschen Kinos.