„Das Übertragen in ein anderes Medium kann nicht das Verschieben von einem Medium ins andere bedeuten, es muss ein Übertragen sein“, ließ uns Christoph Waltz im Interview wissen, als wir danach fragten, was für ihn denn eine gute Buch-, Comic- oder eben Manga-Verfilmung ausmachen würde. Und genau das hatte auch James Cameron zum Ziel, als er sich Yukito Kishiros Manga „Battle Angel Alita“ (Originaltitel: „Gunnm“) vor vielen Jahren vornahm und damit begann, den Stoff leinwandtauglich zu machen – denn eigentlich wollte ihn der „Avatar“-Schöpfer selbst ins Kino bringen. Mit Robert Rodriguez hat er schließlich einen Regisseur gefunden, der seine Vision nicht nur verstehen, sondern auch umsetzen konnte. „Alita: Battle Angel“ unterscheidet sich letztlich in vielen Punkten von seiner Manga-Vorlage, aber worin eigentlich genau?
Achtung, es folgen Spoiler zum Film sowie zum Manga!
Alitas Herkunft
Wie auch im Manga findet Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) das entsorgte Cyborg-Mädchen (Rosa Salazar), in dem noch Leben schlummert, auf dem unter der Himmelsstadt Zalem vor sich hin rostenden Schrottberg Iron Citys. Während der Robo-Doktor seine Entdeckung im Manga allerdings nach seiner kürzlich verstorbenen Katze benennt, ist es im Film seine tote Tochter, die einst auf den Namen Alita hörte – ein Detail, dass der Emotionalität der Beziehung zwischen Ido und Alita im Film zweifelsohne zugutekommt.
1993 gab es schon einmal eine Adaption des Stoffes in Form eines Anime, in dem Alitas Hintergrundgeschichte allerdings weniger stark beleuchtet wird. Hier gab es weder Rückblenden auf die Schlachten, die sie in ihrem früheren Leben austrug, noch einen Hinweis auf die vergessenen Kampftechniken der Panzerkunst. Zudem besteht das Damascus-Schwert, das sie im Film Hunter Warrior Zapan (Ed Skrein) abnimmt, im Manga erst aus zwei Teilen, die Alita während den Motorball-Spielen einsetzt — erst später wurden die beiden Klingen zu jenem Schwert geformt, wie wir es im Film sehen. Im Original ist es außerdem nicht sie selbst, die ihren neuen Körper in einem Raumschiff der URM findet, sondern Dr. Ido.
Die (menschlichen) Figuren
Auch hinsichtlich der anderen Figuren und deren Beziehungen untereinander haben sich Cameron und Rodriguez dazu entschlossen, sich sowohl am Manga als auch am Anime zu bedienen und dabei nicht nur das Beste aus beiden Welten zu vereinen, sondern auch neue Elemente einzustreuen. Dr. Ido hat im Film eine viel innigere Beziehung zu Alita als noch in „Gunnm“, was wohl nicht zuletzt an der erwähnten Katze liegt, die nun zur Tochter wird. Es ist deswegen auch wenig überraschend, dass Chiren (Jennifer Connelly), die Mutter seines verstorbenen Kindes, im Original gar nicht erst vor kommt. Ihre Figur wurde erst mit dem Anime eingeführt und für den 2019er-Film nahezu genauso daraus übernommen. Ihre erste große Liebe Hugo (Keean Johnson) trifft Alita in der Vorlage übrigens nicht beim Erkunden von Iron Citys Straßen, sondern während eines Kampfes mit einem Werwolf.
Vector (Mahershala Ali) ist ein Schurke, daran besteht in „Alita: Battle Angel“ kein Zweifel. Als Motorball-Organisator kennt er in der Leinwandadaption keine Skrupel und geht sogar über Leichen, um an die richtigen Ersatzteile für seine Cyborgs zu kommen. Außerdem dient er dem Oberbösewicht Nova (Edward Norton), der von Zalem auf Iron City herabblickt und immer wieder durch ihn spricht, als Handlanger. Im Manga ist Vector zwar ebenfalls ein zwielichtiger Händler von Robo-Teilen, keineswegs aber der große Antagonist wie im Film. Hier verschont ihn Alita auch, sodass sie sich Jahre später sogar noch einmal begegnen. Im Anime ist es letztlich Dr. Ido, der Vector konfrontiert, um Chirens Tod zu rächen. In „Alita: Battle Angel“ wird er hingegen von Alita getötet, während Nova Besitz von ihm ergriffen hat.
In der Hollywood-Version wird Nova als mysteriöser, übermächtiger Fiesling dargestellt, den wir in einem immer wahrscheinlicheren zweiten Teil besser kennenlernen dürften. Während er im Anime aber mit keinem Wort erwähnt wird, handelt es sich bei jener Figur im Manga um einen dubiosen Wissenschaftler namens Desty Nova, der mit intakten, menschlichen Überresten hantiert und mittels Nanotechnologie an seiner (Un-)Sterblichkeit herumpfuscht. In der Originalreihe fungiert er als Antagonist der Geschichte, in der „Last Order“-Manga-Serie wird er später sogar zu einem von Alitas Verbündeten.
Die Cyborgs
Im Film erlangt Grewishka (Jackie Earle Haley), der auf der Manga-Figur Makaku basiert, den sogenannten Schleifcutter – eine tödliche Waffe, die später auch Alita zum Verhängnis wird – mit Hilfe von Hugo und seiner Kleinganoventruppe, bevor Alita eine Schlägerei in einer Hunter-Warrior-Bar provoziert und anschließend freiwillig hinab in den Untergrund Iron Citys steigt, um Grewishka die Hölle heiß zu machen. Im Manga erlangt dieser die High-Tech-Waffe ganz allein, lockt die Titelheldin dafür aber mit einem Baby, das er als Geisel genommen hat, in einen Kampf. Bevor er sich dem Kriegerengel schließlich geschlagen geben muss, wird im Manga allerdings noch auf seine (tragische) Hintergrundgeschichte eingegangen und erklärt, wie er zu dem Monster wurde, als das wir ihn kennen. Einem Fiesling wie Grewishka auch eine menschliche Seite zu verpassen, hätte dem Film sicherlich gutgetan – dennoch wurde darauf gänzlich verzichtet.
Die Darstellung von Zapan im Film entspricht weitestgehend der ursprünglichen Figur. Sein Auftritt in „Alita: Battle Angel“ endet zwar damit, dass ihm Alita sein so wertgeschätztes Gesicht abschneidet – Zapans Ende muss das aber noch lange nicht sein. Denn im Manga wird der Hunter Warrior später noch zu einem ernstzunehmenden Gegner für Alita, nachdem auch er in Besitz eines mächtigen Berserker-Körpers kommt.
Der Härtegrad
„Alita: Battle Angel“ lässt es richtig krachen – da werden Cyborgs reihenweise zerstückelt, zermalmt oder auf andere Art und Weise dem Erdboden gleichgemacht. All das ist im Kino auch gar kein Problem, solange es keinen Menschen an den Kragen geht. Spätestens dann wird es allerdings heikel, denn eine sündhaft teure Produktion wie Robert Rodriguez' Manga-Spektakel kann sich eine zu hohe Altersfreigabe allein schon aus wirtschaftlicher Sicht nicht leisten – schon mit FSK 12 hat der Film an den Kinokassen zu kämpfen. Spätestens wenn Hugos Kumpel Tanji (Jorge Lendeborg Jr.) dann aber von Zapan in zwei Hälften geteilt wird und das, wenn auch nur für einen kurzen Moment, auch tatsächlich gezeigt wird, wird deutlich, dass die Filmemacher auch wirklich alles darangesetzt haben, „Alita“ auch in Sachen Brutalität der Vorlage so gerecht wie möglich zu werden.
Rodriguez reizt die ihm gegebenen Möglichkeiten zwar zweifellos aus, ganz so hart wie in der Vorlage geht es in der Verfilmung aber nicht zur Sache. Ob man aber auch im Detail sehen muss, wie diverse Figuren geköpft oder der kleine Streuner in der Hunter-Warrior-Bar in zwei Hälften geschnitten wird? Wohl eher nicht. Letzten Endes kommt es nämlich nicht nur darauf an, was auf der Leinwand gezeigt wird, sondern vor allem darauf, was sich der Zuschauer in seinem eigenen Kopf selbst ausmalt.
Das Setting
Besonders interessant ist zudem der Wechsel des gesamten Settings: Die Weltraumaufzüge, die Iron City mit Zalem verbinden, machen im Manga genau genommen nämlich keinen Sinn, da diese in Wirklichkeit nur in der Nähe des Äquators funktionieren können. Aus diesem Grund hat der technikaffine James Cameron, der in solchen Fällen besonders großen Wert auf physikalische Richtigkeit legt, die Stadt kurzerhand von Kansas City nach Panama verlegt. Aus einem in Nordamerika spielenden Manga wurde so ein futuristischer Sci-Fi-Blockbuster, der neben einem buntgemischten Cast vor allem auch mit seiner bunten, lateinamerikanisch angehauchten Landschaft auffällt.
Wer ganz genau hinsieht, wird feststellen, dass noch an vielen weiteren Stellen von „Alita“ Dinge verändert, weggelassen oder hinzugefügt wurden. Einige davon hätten durchaus auch im Film emotionale Zugkraft gehabt, etwa die Geschichte von Hugos älterem Bruder und dessen Mörder. Da der Film aber letztlich nicht einfach nur einen Band abhandelt, sondern sich hier und da auch der Fortsetzungen sowie des Animes bedient, ist es durchaus denkbar, dass uns in „Alita: Battle Angel 2“ einige der eben besprochenen fehlenden Elemente erwarten und vielleicht sogar Änderungen in ein ganz neues Licht gerückt werden.
„Alita: Battle Angel“ läuft seit 14. Februar 2019 in den deutschen Kinos.