+++ MEINUNG +++
Achtung, der folgende Text enthält Spoiler zu „Aquaman“!
Marvel und DC sind direkte Konkurrenten auf dem Comic-Markt und kämpfen längst auch im Kino um die Gunst der Zuschauer. Es liegt also auf der Hand, auch das MCU und das DCEU direkt miteinander zu vergleichen, auch wenn das eigentlich ein wenig unfair ist: Das Marvel Cinematic Universe besteht aus mittlerweile 20 Filmen und wird immer weiter gestrickt. Die von Journalisten und Fans als DC Extended Universe betitelte Welt von Warner hingegen war eigentlich mal als auf fünf Filme begrenzte Filmreihe angelegt, bevor Zack Snyders Pläne nach und nach über den Haufen geworfen wurden (was mit „Justice League“ dann seinen Höhepunkt fand).
MCU und DCEU unterscheiden sich also schon einmal grundlegend, was das ursprünglich vorgesehene Ausmaß betrifft. Noch entscheidender sind aber die stilistischen und tonalen Unterschiede der beiden Comic-Film-Welten. Die Marvel-Formel bedarf nach 20 Filmen wohl keiner Erklärung mehr und auch wenn die düsteren, ernsten und brutalen DC-Filme wie „Man Of Steel“ und „Batman V Superman: Dawn Of Justice“ nicht jedermanns Sache waren: Immerhin hatte das DCEU zu jener Zeit noch eine erkennbare eigene Handschrift. Mit „Aquaman“ ist diese jedoch endgültig Geschichte. Dass sich Regisseur James Wan in vielen Momenten an Marvel zu orientieren scheint, ist schade, zumal die Kopie nur selten das Niveau des Originals erreicht.
James Wan ist nicht James Gunn
Das beginnt bei der Verwendung von Songs in „Aquaman“: Wie schon bei „Suicide Squad“, wo man mit der schieren Anzahl an Liedern deutlich übers Ziel hinausschoss, wirkt es so, als wollte Wan hier die beiden „Guardians Of The Galaxy“-Filme von James Gunn imitieren. Allerdings gibt es insgesamt zu wenige Songs, um diese letztlich auch tatsächlich als Stilmittel zu bezeichnen, vor allem aber brennen sich die „Aquaman“-Songs nicht mal ansatzweise so sehr ins Gedächtnis wie bei den Guardians. Ganz abgesehen davon, dass die Verwendung der Songs auch viel zu plump ist: Als Arthur (Jason Momoa) und Mera (Amber Heard) in die Sahara reisen, erklingt etwa „Ocean To Ocean“ von Pitbull feat. Rhea, eine miese Cover- bzw. Sample-Version von Totos „Africa“.
Das digitale De-Aging-Debakel
In „Civil War“, „Guardians Of The Galaxy 2“, den beiden „Ant-Man“-Filmen und auch dem kommenden „Captain Marvel“ führt Marvel seine verblüffende patentierte CGI-Verjüngungstechnologie vor. Natürlich weiß man, dass Michelle Pfeiffer, Michael Douglas & Co. nicht mehr so jung sind, wie sie hier aussehen, die Resultate wirken dennoch unglaublich echt.
Bei „Aquaman“ hingegen leider nicht: Die digital verjüngten Nicole Kidman, Temuera Morrison und Willem Dafoe sehen in den Rückblenden in die 80er Jahre kein bisschen überzeugend aus, sondern erinnern an erste gruselige De-Aging-Versuche à la „X-Men: Der letzte Widerstand“ – was umso schwerer wiegt, weil man nun auch den direkten Vergleich zum MCU vor Augen hat.
Guter Humor ist gar nicht so leicht
Am auffälligsten ist die Annäherung an das MCU jedoch beim Humor: „Aquaman“ hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie schwierig die Balance aus Action, Dramatik und Humor eigentlich ist, die den Machern der MCU-Filme bisher eigentlich fast jedes Mal gelungen ist. Manch einem mag die sogenannte Marvel-Formel mittlerweile zum Hals raushängen (ich zum Beispiel hatte meine Probleme mit „Thor 3“), aber eines muss man anerkennen: Bei Marvel sitzt fast jeder Witz.
Und noch viel wichtiger: Die Witzeleien untergraben nur selten die dramatische Wirkung des gesamten Films. Auch in einem „Avengers: Infinity War“ werden immer wieder humorvolle Töne angeschlagen, doch die Macher wissen eben auch, wann Schluss mit lustig sein muss, damit auch das schockierende Ende seine Wirkung entfalten kann. Bei „Aquaman“ hingegen wirken die wenigen dramatischen oder epischen Szenen, etwa Arthurs erster Auftritt im kompletten Aquaman-Kostüm, wie Fremdkörper in einem durch und durch spaßigen Film.
Zudem hatte ich auch ein Problem mit dem Humor an sich. Nur etwa die Hälfte der Gags zündet, die andere fällt ins Wasser. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Viele Witze kündigen sich etwa schon lange vorher an, etwa der, als einer von Orms Schergen seinen Kopf in eine Toilette steckt, um sich vor dem Austrocknen zu bewahren. Und bei anderen Szenen vergreifen sich die Drehbuchautoren David Leslie Johnson-McGoldrick und Will Beall schlicht und einfach im Tonfall: Wenn Arthur etwa witzelt, er hätte ja auch auf den alten atlantischen Holozylinder pinkeln können, dann kann nicht einmal mehr der charismatische und auch in „Aquaman“ sonst großartige Jason Momoa diese Szene retten.
Aller Anfang ist schwer
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich finde es gut, dass Warner und DC mit „Aquaman“ eine neue Richtung einschlagen. Ich persönlich mochte zwar auch das alte (ernste und düstere) DCEU, aber spätestens nach dem Misserfolg von „Justice League“ und dem Abschied von Zack Snyder war klar, dass es sich damit endgültig hatte.
Und ich bin zuversichtlich, dass zukünftige DCEU-Filme nicht mehr wie ein schwacher Abklatsch eines MCU-Films wirken, sondern eher auf eigenen Beinen stehen werden. „Shazam!“ etwa verspricht, eine respektlos-selbstironische Komödie zu werden. „Birds Of Prey“ dürfte der erste nicht-jugendfreie DCEU-Film werden, während das MCU wohl immer jugendfrei bleiben wird. Und wenn „Wonder Woman 2“ auch nur ansatzweise so gut wird wie der erste Teil, steht uns 2020 damit ein weiteres Highlight bevor.