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    Schluss mit lustig, Marvel: Nach "Thor 3: Tag der Entscheidung" wird es wieder Zeit für ernstere Superheldenfilme

    Kann ein Film eigentlich zu lustig sein? FILMSTARTS-Redakteur Julius Vietzen jedenfalls findet, „Thor 3“ wird genau das zum Verhängnis. Denn die zahlreichen Gags gehen auf Kosten von Spannung und Dramatik. Zeit, das zu ändern, Marvel!

    Walt Disney

    Ich habe in der Pressevorführung von „Thor 3: Tag der Entscheidung“ genauso viel gelacht wie die meisten anderen Anwesenden, doch dabei blieb zunehmend ein irritierender Nachgeschmack, der auch in den kommenden Tagen nicht verschwinden wollte. Ganz im Gegenteil: Mittlerweile kann ich mich kaum noch an einen konkreten Gag aus „Thor 3“ erinnern, dafür nervt mich der alberne Humor rückschauend umso mehr. Deswegen hier die Bitte an Kevin Feige und die anderen kreativen Köpfe im MCU: Bitte demnächst weniger Klamauk und dafür wieder mehr Spannung und Action!

    Nicht, dass ich im Kino nicht gerne lache. Aber wenn ich einen Comic-Blockbuster sehe, dann erhoffe ich mir bestimmte Dinge: sicherlich eine gesunde Portion Humor, aber eben auch krachende Action, standhafte Helden, ein gewisses Maß Anspruch und auch eine Prise Pathos. Ich will nicht nur lachen, sondern auch begeistert werden, gespannt sein, berührt werden, Gänsehaut bekommen. Doch davon ist „Thor 3“ meilenweit entfernt.

    Schuld daran ist der klamaukige Tonfall des Films, den wir in unserer FILMSTARTS-Kritik auf eine einfache Formel bringen: „Eine vermeintlich dramatische Situation spitzt sich langsam zu – und wird dann durch eine unpassende Bemerkung oder Geste einer Figur plötzlich ironisch gebrochen.“ Auch wenn die Gags großartig geschrieben sind und das komödiantischen Timing der Darsteller um Chris Hemsworth perfekt ist: Spannung oder gar Dramatik kommt so nie auf.

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    Das MCU hat sich zwar schon immer durch einen humorvolleren Tonfall als bei der direkten Konkurrenz aus dem Hause DC ausgezeichnet, doch in letzter Zeit geht mir die fast zwanghafte Witzelei mehr und mehr auf die Nerven. Dass in „The First Avenger: Civil War“ etwa direkt nach dem dramatischen Höhepunkt schon wieder Witze gerissen werden (Stichwort: „Tony Stank“) oder dass Benedict Cumberbatchs erster Auftritt in voller Magier-Montur in „Doctor Strange“ durch seinen eigensinnigen Umhang augenzwinkernd gebrochen werden muss, finde ich komplett überflüssig. Gleichzeitig war die Balance aus Action, Drama und Humor in den beiden Filmen aber insgesamt noch intakt. Und selbst in „Guardians Of The Galaxy Vol. 2“, in dem James Gunn wie Taika Waititi in „Thor 3“ aufkeimende Ernsthaftigkeit zumeist ironisch bricht und im Zweifelsfall eher auf Humor als auf Spannung setzt, wirkt die Mischung insgesamt runder – auch weil es im letzten Drittel einige ernsthafte, dramatische Momente mit ganz viel Herz gibt.

    In „Thor 3“ ist davon nicht viel zu sehen oder zu spüren. Dabei bietet die Geschichte genug Potential für Dramatik, schließlich geht es darin, wie der Originaltitel „Thor: Ragnarok“ andeutet, um nicht weniger als die nordische Götterdämmerung. Doch wegen des albernen Tonfalls und des Witze-Dauerfeuers nimmt man etwa die zahlreichen Tode oder die Zerstörung von Asgard beinahe schulterzuckend hin. Und auch dass sich Bruce Banner gewissermaßen opfert und wieder zum Hulk wird, um seine Freunde zu retten, wird nicht als eine dramatische Szene, sondern als ein weiterer Gag verkauft.

    Doch tatsächlich geht das Problem sogar noch tiefer: Nicht nur fehlt in „Thor 3“ die ausgewogene Mischung aus Humor, Action, Drama und Anspruch, die die MCU-Filme bislang zumeist auszeichnete. Vor allem passt der klamaukige Humor und der respektlose Tonfall nicht zur Titelfigur. Eingeführt wurde der Donnergott als ebenso furchtloser wie eingebildeter Krieger, der in „Thor“ eine Lektion in Demut und Selbstlosigkeit erfuhr und in „Thor 2“ und seinen „Avengers“-Gastauftritten mit seiner Doppelrolle als Thronfolger von Asgard und Beschützer der Erde rang und sich zwischen seiner Familie und seiner Geliebten Jane (Natalie Portman) hin- und hergerissen sah. Die Lustigkeit der Figur entsprang seiner süffisanten Arroganz und seiner Weltfremdheit, doch nie übertünchte das seine inneren Konflikte. In der Interpretation von Taika Waititi wird aus dieser genau umrissenen, im MCU einzigartigen Figur ein pubertärer Wichtigtuer, der sich mit dem Hulk darum kabbelt, wer der stärkste Avenger ist, und ein unpassend alberner Sprücheklopfer, der sich von anderen launigen MCU-Recken wie Star-Lord (Chris Pratt), Iron Man (Robert Downey Jr.) und Ant-Man (Paul Rudd) eigentlich nur durch seine Frisur und den Umfang seiner Oberarme unterscheidet.

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    Natürlich können „Thor“-Filme auch lustig sein, im ersten Teil sorgte etwa der mit den Gepflogenheiten auf der Erde nicht vertraute Donnergott mit einigen gelungenen Fish-Out-Of-Water-Momenten für Lacher, im zweiten Teil dann der Anblick von Thor bei einer U-Bahnfahrt in voller Kampfmontur. Doch das war Situationskomik, die Figur Thor hatte immer einen ziemlich ernsten Charakter. Und natürlich ist „Thor 3“ im Kino eine äußerst lustige Erfahrung. Doch spätestens, wenn sich der Donnergott in „Avengers 3: Infinity War“ wieder unter seine Superhelden-Kollegen mischt, steht man bei Marvel nun vor einem Problem: Wie passt dieser neue Thor nun in die bislang ausgewogene Gruppendynamik der Avengers? Ist er jetzt einer von vielen Scherzkeksen? Davon gibt es eigentlich schon genug. Oder lässt man ihn dann eine Rolle rückwärts machen und verwandelt ihn wieder in den tendenziell eher tragischen, zerrissenen Helden, der er vorher war, damit er sich von Iron Man & Co. unterscheidet und ein Gegengewicht zu ihnen bildet? Beides fände ich unbefriedigend.

    Ein besorgniserregender Trend deutet sich hier an, den Marvel in seinem MCU bislang gekonnt umschiffte: Wo bisher kaum ein Film (oder Superheld) dem anderen glich und man, um Langeweile vorzubeugen, mit Versatzstücken aus verschiedenen Genres experimentierte – Buddy-Komödie in „Iron Man 3“, Heist-Film in „Ant-Man“, Polit-Thriller in „The Return Of The First Avenger“ –, wirkt es in „Thor 3“ teilweise so, als wollte man auf Teufel komm raus die Erfolgsformel der beiden „Guardians Of The Galaxy“-Filme kopieren – ohne dabei zu beachten, dass deren ebenso ironischer wie alberner Humor eben nur in Kombination mit den skurrilen Figuren und der einzigartigen Gruppendynamik der Guardians funktioniert.

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    Diese Gleichschaltung kann nicht im Sinne der MCU-Verantwortlichen sein, denn so macht man sich das mühsam aufgebaute Kinouniversum früher oder später kaputt. Und auch wenn man sich anfangs noch prächtig über den neuen, lustigen Donnergott amüsiert: Auch der ein oder andere Zuschauer wird dann auf Dauer die Lust auf Superheldenfilme verlieren. Also, Marvel: Schluss mit dem ständigen Augenzwinkern und Vorsicht vor klamaukigem Einheitsbrei! Ab sofort wünsche ich mir wieder Filme, die mich abwechselnd beeindrucken, berühren und zum Lachen bringen. Dann müssen auch keine etablierten Figuren mehr verbogen werden, so dass sie in ein neues Konzept passen.

     

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