„Thor 2 – The Dark Kingdom“ war trotz eines Donnergottes, der mitten im Showdown einfach mal ein paar Stationen mit der Londoner U-Bahn fährt, einer der dunkleren Filme im Marvel Cinematic Universe (MCU). Und als dann auch noch bekannt wurde, dass der dritte Teil im englischen Original den Untertitel „Ragnarok“ (der Weltuntergang in der nordischen Mythologie) tragen soll, gingen viele Beobachter ganz logisch davon aus, dass in „Thor 3: Tag der Entscheidung“ wohl kaum plötzlich eitel Sonnenschein vorherrschen würde. (Die MCU-Verantwortlichen selbst sollen zwischenzeitlich sogar Angst gehabt haben, dass der Film zu düster werden könnte.) Aber Pustekuchen! Nachdem schon das Anheuern von Comedy-Spezialist Taika Waititi („5 Zimmer Küche Sarg“) als Regisseur sowie Chris Hemsworth‘ Wunsch nach „Guardians Of The Galaxy“-Humor darauf hindeuteten, war dann allerspätestens nach dem Release des ersten Trailers klar: In „Thor 3: Tag der Entscheidung“ wird vor allem auf Gags gesetzt. Und die Wahrheit ist nun sogar noch extremer: In „Thor 3: Tag der Entscheidung“ wird (fast) nur auf Gags gesetzt.
Nachdem er dem Feuerdämonen Surtur (Stimme im Original: Clancy Brown) seine Hörner abgenommen hat, um so den in seinen Träumen angekündigten Untergang Asgards zu verhindern, reist Thor (Chris Hemsworth) zurück auf die Erde, um dort nach seinem Vater Odin (Anthony Hopkins) zu suchen, den Thors verschlagener Halbbruder Loki (Tom Hiddleston) inzwischen in ein Altersheim in New York abgeschoben hat. Zugleich taucht die Todesgöttin Hela (Cate Blanchett) auf, die einst gemeinsam mit Odin die neun Welten der asgardischen Kosmologie eroberte, dann aber von ihm für Tausende Jahre gefangen gehalten wurde. Als Thor und Loki per Bifrost-Brücke nach Asgard zurückzukehren versuchen, werden sie von Hela aus dem regenbogenenfarbenen intergalaktischen Strahl herausgestoßen. Thor landet so auf dem (erstaunlich bunten) Müllplaneten Sakaar, wo er für den dort herrschenden Grandmaster (Jeff Goldblum) als Gladiator antreten muss und in der Arena überraschend auf einen guten alten Bekannten trifft…
Der gute alte Bekannte, das wurde schon früh in der Marketingkampagne zum Film offenbart, ist zugleich auch ein großer grüner Bekannter (Mark Ruffalo) – was Thor wiederum mit dem freudigen, der Situation eines Gladiatorenkampfes auf Leben und Tod völlig unangemessenen Ausruf quittiert: „YES! We know each other. He's a friend from work.“ Wäre man gemein, könnte man sagen, dass das nicht nur ein Gag, sondern so ziemlich der einzige Gag des Films ist – schließlich setzt Taika Waititi ab der Auftakt-Konfrontation zwischen dem an einer Kette baumelnden Thor und dem Feuerdämonen Surtur immer und immer und immer wieder auf dieselbe Pointe: Eine vermeintlich dramatische Situation spitzt sich langsam zu – und wird dann durch eine unpassende Bemerkung oder Geste einer Figur plötzlich ironisch gebrochen. Man kann es aber auch positiv ausdrücken: Wir haben selbst beim 50. Mal noch fast genauso laut gelacht wie beim ersten Mal – und das ist eine ziemlich erstaunliche Leistung.
Dass der „Wo die wilden Menschen jagen“-Regisseur in Chris Hemsworth einen Comedy-Bruder im Geiste gefunden hat, haben die beiden ja schon mit ihrer grandiosen Kurzfilm-Mockumentary über das Abbleiben von Thor während der Geschehnisse in „The First Avenger: Civil War“ bewiesen:
Auch wenn der Donnergott in den „Avengers“-Filmen einige der besten Gags hatte und die ersten zwei „Thor“-Filme einen beachtlichen Humoranteil aufweisen, wurde man nie ganz das Gefühl los, dass Hemsworth trotzdem noch mit leicht angezogener Handbremse agierte – gerade, wenn man sich dazu im Vergleich seine urkomischen, konsequent szenenstehlenden Gastauftritte in „Vacation“ und „Ghostbusters“ ansieht. Aber damit ist jetzt Schluss: Egal ob er sich komödiantische Schlagabtäusche mit Loki, Dr. Strange (Benedict Cumberbatch), Valkyrie (Tessa Thompson) oder natürlich dem Hulk (die beiden wirken in ihren besten Szenen wirklich wie ein altes zankendes Ehepaar) liefert – das Timing von Hemsworth in dieser intergalaktischen Nummernrevue ist schlichtweg makellos. Nur gegen einen kann er in dieser Hinsicht dann doch nicht anstinken: Die selbstironische Gaga-Performance, die „Jurassic Park“- und „Independence Day“-Star Jeff Goldblum hier als selbstverliebter, seine Untertanen in blauen Schleim transformierender Grandmaster abzieht, entpuppt sich nämlich als pures Comedy-Gold.
Aber das omnipräsente ironische Augenzwinkern hat auch seine Schattenseiten. Wenn die Dramatik der Heldenreise bereits Dutzende Male der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, dann stellt sich der Zuschauer darauf ein – und fiebert nicht plötzlich an seinen Nägeln kauend mit, wenn die spannungslösende Pointe irgendwann doch einmal ausbleibt: So entpuppt sich vor allem das epische Finale – wie schon häufiger bei Marvel – als ziemliche Enttäuschung. Auf der Zielgeraden von „Thor 3“ werden Opfer gebracht, Völker vertrieben und Welten zerstört, aber nichts davon entwickelt irgendeinen emotionalen Punch, kann es nach der vorangegangenen Sketchparade auch gar nicht mehr. Etwas Vergleichbares gilt neben Thors Beziehung zu Loki (hinter den amüsanten Sticheleien fehlt diesmal die zweite, ernsthafte Ebene) vor allem auch für die Rolle der Hela: Als Todesgöttin stimmt die zweifache Oscarpreisträgerin Cate Blanchett (ausgezeichnet für „Aviator“ und „Blue Jasmine“) zwar immer mal wieder mit sichtlichem Spaß in den Trash-Charme des restlichen Films ein, aber in der Figur steckt überaus offensichtlich noch viel mehr emotionales und finsteres Potential, das nun ungenutzt verpufft. Die erste weibliche Antagonistin in einem Marvel-Film ist okay in einer Komödie wie „Thor 3“ – aber in einem nur ein wenig ernsthafteren Comic-Blockbuster hätte es die hirschgeweihtragende Todesgöttin tatsächlich zu einem unvergesslichen Bösewicht bringen können.
Fazit: Die lustigen Momente in „Thor 3: Tag der Entscheidung“ sind tatsächlich SEHR lustig. Aber zugleich fallen die (zum Glück seltenen) dramatischeren Augenblicke völlig flach und sorgen so vor allem in der zweiten Hälfte doch für einige Längen – solche plötzlichen Wechsel vom brüllend Komischen zum berührend Dramatischen haben etwa im ersten „Guardians Of The Galaxy“ noch deutlich besser funktioniert.