FILMSTARTS: Wenn in der Geschichte eine neue Dinosaurierart zum ersten Mal auftaucht, kennst du dich dann gut genug aus, um selbst die korrekte Spezies im Skript zu benennen? Oder schreibst du dann erst mal als Platzhalter sowas wie „ein möglichst großer, fleischfressender Dinosaurier kommt von links ins Bild“, um dann später einen Experten die passende Art für die Situation ergänzen zu lassen?
Colin Trevorrow: Ich mache das selbst. Ich kenne meine Dinosaurier schon seit meiner Kindheit – und es gibt eine ganze Reihe von ihnen, die ich unbedingt in einem der Filme sehen will. Ich versuche allerdings, ein gewisses Maß an Zurückhaltung zu bewahren und meine Favoriten so über die Filme zu verteilen, dass sie auch wirklich in ihre jeweilige Szene passen. Wenn Leute aus einem Gefängnis ausbrechen wollen, dann braucht man eben einen Stygimoloch. Jeder Dinosaurier hat seine Aufgabe. Der Carnotaurus zum Beispiel sieht mit seiner rötlich-schwarzen Farbe einfach fantastisch vor dem Vulkan im Hintergrund aus.
FILMSTARTS: Wenn wir jetzt hier um die Ecke ins Natural History Museum gehen würden, könntest du da also auch eine Tour durch die Dinosaurier-Abteilung geben?
Colin Trevorrow: Ich glaube schon, dass ich da einen ganz guten Job machen würde, ja!
Jurassic World 2: Das gefallene KönigreichFILMSTARTS: Als ich „Jurassic World 2“ gestern gesehen habe, hat sich in mir ein gewisses warmes nostalgisches Gefühl ausgebreitet. Allerdings konnte ich das nur manchmal an bestimmten Szenen oder Einstellungen festmachen, die mich an die Original-Trilogie erinnert haben – es war viel mehr der Geist oder der Ton des Films, der die Erinnerungen in mir hochgespült hat. War das der Plan?
Colin Trevorrow: Ja, das war Absicht. Unser Regisseur J.A. Bayona ist für vieles davon verantwortlich. Er pflegt eine tiefe Bewunderung für Steven Spielberg und seinen Stil. In „Jurassic Park“ hat jede Einstellung drei Ebenen – und Bayona arbeitet ganz ähnlich. Die Story ist zudem inspiriert von dem Ton und dem Geist von Michael Crichton. Er hat sich immer gerade die Sci-Fi-Ideen vorgeknöpft, die auch etwas mit der aktuellen Zeit zu tun haben. Es geht bei ihm immer darum, in Geschichten die Fragen zu stellen, die sich die Menschheit auch gerade stellt – und wir haben dasselbe gemacht, nur eben mit modernen Problemen, die die Menschen heutzutage betreffen.
FILMSTARTS: Als J.A. Bayona als Regisseur angekündigt wurde, hat uns die Verpflichtung sofort eingeleuchtet. Schließlich hat er mit „The Impossible“ bewiesen, dass er Katastrophen spektakulär in Szene setzen kann. Zudem konnte er bei der Arbeit an „Sieben Minuten nach Mitternacht“ Erfahrungen mit CGI-Kreaturen sammeln. Aber es hat mich jetzt doch überrascht, dass mich „Jurassic World 2“ letztendlich sogar am meisten an seinen Gothic-Horrorfilm „Das Waisenhaus“ erinnert…
Colin Trevorrow: Das liegt daran, dass „Jurassic World 2“ quasi wie gemacht für ihn ist. Als wir uns überlegt hatten, was wir machen wollen, eine Familiengeschichte, eine Naturkatastrophe, ein Spukhaus, mit Kindern und Erwachsenen, CGI und Animatronics, da hat er sich einfach wie genau die passende Wahl angefühlt. Aber ebenfalls sehr wichtig war uns, dass er es gewohnt ist, die emotionale Komponente solcher Science-Fiction- und Fantasy-Elemente herauszuarbeiten. Man muss verstehen, was die Figuren fühlen, selbst wenn das, was sie durchmachen, zunächst einmal vollkommen absurd erscheint. Nur so kann es sich am Ende real anfühlen.
Gerade so noch FSK 12
FILMSTARTS: Für einen Film mit einem PG-13-Rating (entspricht etwa einer FSK ab 12 Jahren) ist „Jurassic World 2“ zum Teil schon ziemlich heftig. Wer von euch war es denn, der ganz besonders versucht hat, die Grenzen des Erlaubten auch wirklich auszureizen?
Colin Trevorrow: Die Ideen für die meisten gewaltsamen Tode stammen von mir. Sie stehen im Skript. Aber Bayona hat es drauf, sie so zu inszenieren, dass sie am Ende noch um einiges brutaler und schockierender wirken. Wir haben uns wegen ein oder zwei Tötungsszenen sogar zusammengesetzt und miteinander ausgetüftelt, auf welche Weisen wir die Menschen noch für ihre Sünden bestrafen können. Solche Szenen können gleichermaßen furchteinflößend und befriedigend sein. Wir wissen, dass gerade amerikanische Zuschauer großen Wert darauf legen, dass der Tod von Figuren auch gerechtfertigt ist. Deshalb haben wir auch sehr darauf geachtet, dass sich die Bösen ihren Tod auch wirklich verdienen.
FILMSTARTS: Eine deiner großen Leistungen bei der Arbeit an „Jurassic World“ war das Design des gleichnamigen Dino-Freizeitparks. Wie war es für dich, beim Dreh von „Jurassic World 2“ durch die Ruinen deiner Schöpfung zu spazieren?
Colin Trevorrow: Es fühlte sich an wie ein Schritt vorwärts. Ich war mir nämlich nicht sicher, ob überhaupt noch jemand einen Film sehen will, der wieder in derselben Umgebung spielt. Wir haben alles getan, was man in solch einem Freizeitpark tun kann. Wir haben ihn sehr gründlich zerstört – und es hat uns sehr viel Spaß gemacht. Ich mag aber auch diese Atmosphäre des alten verlassenen, halb zerfallenen Parks. Wir haben das Park-Set für den ersten Film auf dem Parkplatz eines verlassenen Freizeitparks in New Orleans gebaut. Als wir den Film gedreht haben, lag die Zukunft des Parks und der ganzen Reihe also nur einen Steinwurf entfernt. Da habe ich mich in die Idee eines verlassenen Parks verliebt.
Erzählerische Experimente
FILMSTARTS: „Jurassic World 2“ besteht dramaturgisch aus zwei Hälften – mit der größten Actionszene auch noch genau in der Mitte und nicht wie gewohnt am Ende. Ist das ein bewusster Bruch mit erzählerischen Traditionen oder hat sich der Aufbau einfach ganz natürlich aus der Geschichte entwickelt?
Colin Trevorrow: Mir waren die erzählerischen Risiken durchaus bewusst. Aber unser Film ähnelt so auch dem originalen „Jurassic Park“, denn auch der hat die größte Actionsequenz in der Mitte. In der zweiten Hälfte wird die Atmosphäre immer klaustrophobischer, bis schließlich nur noch die Kinder und die Raptoren zusammen in der Küche sind. Steven Spielberg hat etwas Ähnliches auch später noch ein paar Mal gemacht, etwa in „Minority Report“ oder „Bridge Of Spies“. In meiner Karriere als Regisseur und als Autor war ich schon immer sehr interessiert daran, den Figuren die Regeln des Genres unter den Füßen wegzuziehen, den Ton aber beizubehalten. Das ist etwas, mit dem ich immer gerne experimentiere.
FILMSTARTS: Direkt in der ersten Minute des Films gelingt euch ein echter Doppelschlag mit zwei ebenso ikonischen wie erschreckenden Einstellungen. Wie ist dieses Cold Opening zustande gekommen?
Colin Trevorrow: Ich wollte die ultimative „Jurassic Park“-Eröffnungsszene schreiben, weil ich wusste, dass wir nicht mehr an diesen Ort zurückkehren werden. Von den ikonischen gelben Regenjacken bis hin zu der Art und Weise, wie sich der T-Rex in die Szene einmischt – dazu mehrere Ebenen von Überraschungen und das langsame Anziehen der Spannung. Bayona hat das echt super hinbekommen.
Was erwartet uns in "Jurassic World 3"
FILMSTARTS: Nach dem ersten Film hast du gemeinsam mit deinem Schreibpartner einen Roadtrip unternommen, um die Geschichte für die Fortsetzung zu entwickeln. Werdet ihr das diesmal wieder genauso machen?
Colin Trevorrow: Wir machen es ein wenig anders. Denn Derek Connolly und ich haben auf dem Roadtrip bereits genügend Ideen für zwei Filme gesammelt. Die Entscheidung war dann nur noch, wie weit wir schon in diesem Film gehen und was wir für „Jurassic World 3“ zurückhalten wollen. Wir haben dann einen sehr natürlich Schlusspunkt am Ende dieses Films gefunden – wenn man „Jurassic World 2“ sieht, dann wird am Ende sehr klar, dass von nun an alles ganz anders sein wird. Ich schreibe gerade gemeinsam mit Emily Carmichael am Skript zu „Jurassic World 3“, aber weil ich hier in London lebe, treffen wir uns immer wieder in anderen Städten rund um die Welt, wo wir dann für ein paar Wochen ein Büro aufmachen.
FILMSTARTS: Du wirst mir ja wahrscheinlich nicht verraten, was in „Jurassic World 3“ passiert…
Colin Trevorrow: Nein.
FILMSTARTS: Aber beim ersten „Jurassic World“ ging es vor allem um das Staunen, im zweiten Teil vor allem um den Schrecken. Was ist das Gefühlt, das ihr mit dem dritten Teil auslösen wollt?
Colin Trevorrow: Befriedigung. Die Figuren müssen eine gewisse Form von Erlösung finden. Einen Abschluss. Auch die Story soll als Ganzes einen Sinn erfüllen. Mit einem Regisseur wie Bayona zu arbeiten, der nicht nur seinen Film, sondern zugleich auch die Trilogie als Ganzes verstanden hat, ermöglicht es uns, dass sich alle drei Filme am Ende wie eine einzelne lange Geschichte anfühlen. Es war uns sehr wichtig, dass alle beteiligten Filmemacher zu 100 Prozent mit an Bord sind, was die Vision für das ganze Franchise angeht.
FILMSTARTS: Das Ende von „Jurassic World 2“ liefert ja schon einen gewissen Ausblick auf den dritten Teil – er wird also globaler…
Colin Trevorrow: … und sehr viel teurer…
FILMSTARTS: Könnte man da vielleicht sagen, „Jurassic World 3“ wird sowas wie der James-Bond-Film der „Jurassic Park“-Reihe?
Colin Trevorrow: Das ist ein interessanter Vergleich. Ich will mich jetzt aber erst mal auf diesen Film konzentrierten. Aber ich kann definitiv sagen, dass es mir wichtig ist, dass man am Ende von jedem Film ein Verlangen nach etwas hat, von dem einem der gerade gesehene Film nicht so viel geliefert hat. Am Ende von „Jurassic World“ wollte man womöglich etwas Intensiveres und Spannenderes. Und am Ende von „Jurassic World 2“ hat das Publikum hoffentlich Bock auf etwas Größeres und Globaleres.
War da nicht was mit "Star Wars"
FILMSTARTS: Nach „Jurassic World“ hattest du ja eine Zeitlang den Regieposten bei „Star Wars 9“ inne. Hättest du ohne diesen Sternenkrieg-Abstecher bei „Jurassic World 2“ selbst die Regie übernommen?
Colin Trevorrow: Nein, denn die Entscheidung habe ich schon vor der ganzen „Star Wars“-Sache gefällt. Manchmal treffe ich einfach merkwürdige Entscheidungen. (lacht) Aber ich wollte einfach auch noch andere Filme machen und hatte zudem auch das Gefühl, dass das Franchise von einem anderen Regisseur für den zweiten Teil profitieren würde. Steven Spielberg hat mich damals schon gefragt, ob ich denn für den dritten Teil zurückkehren würde – und ich habe ihm zugesagt. Aber er war auch ganz aufgeregt, dass Bayona den zweiten Teil macht – wir haben uns gegenseitig davon überzeugt, dass es der beste Weg für das Franchise ist. Und ich glaube, wir hatten Recht. (lacht)
FILMSTARTS: Ironischerweise spiegelt ihr ja jetzt die neue „Star Wars“-Trilogie – denn auch dort wird mit J.J. Abrahams nun ein Regisseur den ersten und den dritten Teil inszenieren…
Colin Trevorrow: Aber der Unterschied ist, dass in unserem Fall die Drehbücher zu allen Teilen von denselben Leuten stammen…
FILMSTARTS: Bei Filmreihen, die so erfolgreich sind wie „Jurassic World“, verlangen Studios heutzutage ja oft nicht mehr nur nach möglichst vielen Fortsetzungen, sondern möglichst auch noch nach Spin-offs und so weiter. Ist es ein harter Kampf, das Studio davon zu überzeugen, dich erst einmal in Ruhe deine Trilogie erzählen zu lassen, bevor man das Dino-Universum dann womöglich noch erweitert?
Colin Trevorrow: Ich genieße eine große Freiheit, aber trage deshalb auch eine große Verantwortung. Ich bin Universal wirklich dankbar, dass sie die Zurückhaltung beweisen, uns in einem Film alle drei Jahre eine lange Geschichte erzählen zu lassen. Aber man muss an solch einer Beziehung auch arbeiten. Deshalb helfe ich gerne dabei, dass es Videospiele, VR-Experiences, Spielzeuge und LEGO-Sets gibt. Es ist ein Geben und Nehmen. Ich bin übrigens ganz aufgeregt auf das Videospiel. Man kann seinen eigenen Jurassic-World-Park bauen, es ist das Coolste.
„Jurassic World 2: Das gefallene Königreich“ läuft seit dem 6. Juni in den deutschen Kinos.