Kristin Scott Thomas (Oscar- und Golden-Globe-Nominierung für „Der englische Patient“) spielt in Joe Wrights elektrisierendem Politthriller „Die dunkelste Stunde“ die Ehefrau des britischen Premierministers Winston Churchill (Gary Oldman). Für ihre Rolle der Clementine Churchill wurde die 57-Jährige bei den BAFTA-Awards (die „britischen Oscars“) als beste Nebendarstellerin nominiert. Als selbstbewusste und intelligente Frau bietet sie dem berüchtigten Winston Churchill die Stirn und lässt sich in der Ehe mit dem mächtigen Mann nicht unterkriegen.
FILMSTARTS: Es war offenbar nicht einfach, dich davon zu überzeugen, Clementine Churchill zu spielen, so haben wir das zumindest gehört…
Kristin Scott Thomas: Ich wurde schon früher gefragt, Clementine zu spielen, von anderen Leuten für andere Filme. Ich fühlte aber nie, dass das der richtige Zugang zu dieser Frau war. Mich hat immer interessiert: Wer ist die Frau an der Seite eines großen Politikers, die liebt, sich kümmert und mit diesem Mann lebt, der diese unglaublich schwierigen Entscheidungen zu treffen hat und die Welt am Leben halten muss. Dafür haben ihn viele gehasst und viele verehrt. Wie ist es, die Frau von so jemandem zu sein? Als ich das Drehbuch las, hatte ich das Gefühl, dass dieser Punkt noch nicht gründlich genug untersucht war. Und ich sagte zu [Regisseur] Joe [Wright]: „Da ist noch eine Menge zu tun. Ich möchte wissen, wer diese Frau ist.“ Also haben wir meine Rolle etwas ausgeweitet und ihr mehr Dialogzeilen gegeben - ein paar zumindest.
Karriererückzug aus Langeweile
FILMSTARTS: Wie hast du reagiert, als du erfahren hast, dass Gary Oldman Winston Churchill spielt?
Kristin Scott Thomas: Oh, ich wusste, dass er Churchill spielen würde. Ich dachte, das ist eine sehr seltsame Wahl. Er ist ihm so gar nicht ähnlich. Aber ich wusste, dass Joe wusste, was er tat. Ich bin ein großer Fan von Joe Wright. Wir haben schon versucht, bei einigen anderen Filmen zusammenzuarbeiten, aber es hatte bisher nie geklappt. „Die dunkelste Stunde“ war also etwas, das ich unbedingt machen wollte - sogar angesichts der Tatsache, dass ich keine Filme mehr drehen wollte. Ich sagte Joe auch, dass ich eigentlich nicht mehr drehen wollte.
Die dunkelste StundeFILMSTARTS: Warum hattest du daran gedacht, das Schauspielern an den Nagel zu hängen?
Kristin Scott Thomas: Ich habe mich zunehmend gelangweilt, beim Make-Up zu sitzen, beruflich so zu tun, jemand anderes zu sein, ständig unterwegs zu sein…
FILMSTARTS: Liegt es daran, dass es keine aufregenden Drehbücher mehr gibt?
Kristin Scott Thomas: Nein, daran liegt es nicht unbedingt. Ich denke, dass ich einige sehr gute Filme gedreht habe. Es hat mich aber einfach nicht mehr befriedigt. Also bin ich für eine Weile zum Theater geflüchtet und habe dort Energie getankt. Und als mich Sally Potter gefragt hat, in „The Party“ zu spielen, meinem Wiedereintritt ins Filmgeschäft, nach vier Jahren Pause oder so, war das unwiderstehlich, weil die Drehzeit auch so kurz war. Nur zwölf Tage Dreh. Ich hatte dort eine großartige Zeit. Das hat mich daran erinnert, wie ich sehr das Filmemachen doch liebe.
FILMSTARTS: Hast du Angst vor dem Altern?
Kristin Scott Thomas: Nein, ich fühle mich so großartig. Die weißen Haare [von Clementine Churchill im Film] stehen mir.
Lieber kleine Filme als große Produktionen
FILMSTARTS: Auf welcher Seite des Atlantiks ist es leichter, einen Job als Schauspielerin über 40 zu finden?
Kristin Scott Thomas: Ich denke in Frankreich. Dort sind die Filmemacher immer noch sehr an erwachsenen Frauen interessiert. Teilweise ist das auch Leuten wie Catherine Deneuve und Isabelle Huppert zu verdanken. Und in England? Lass‘ uns nachdenken, wer ist da? Judi Dench… [überlegt]
FILMSTARTS: Helen Mirren… Vanessa Redgrave…
Kristin Scott Thomas: Genau. Aber der französische Markt ist viel kleiner und dort entstehen trotzdem so viele Filme. Catherine Deneuve spielt in zwei Filmen pro Jahr. Wir wollen alle Frauen in dem Alter sehen und wissen, wie es, eine Frau in dem Alter sein. In Frankreich hat man keine Angst vor Falten, sie mögen es einfach.
FILMSTARTS-Interview mit Gary Oldman und Joe Wright zu "Die dunkelste Stunde": "Rollen gewinnen Oscars, nicht Schauspieler!"FILMSTARTS: Wie ist es für dich, in Frankreich, England und Amerika in sehr unterschiedlichen Produktionen auf Englisch und Französisch zu drehen?
Kristin Scott Thomas: Ich liebe es wirklich, an sehr kleinen Filmen zu arbeiten. Da fühle ich mich am wohlsten. Große Produktionen mag ich nicht so sehr. Joes Film hier ist aber schon etwas Besonders. Auch Joe ist etwas Besonderes. „Die dunkelste Stunde“ ist ein Kunstfilm in großem Maßstab. Also, ich mag kleinere Filme, das Drehen in Frankreich ist perfekt für mich. Dort können wir Filme mit 30 Leuten machen - inklusive der Schauspieler. Ich mag diese Nähe und Vertrautheit. Ich bin gern ein Crewmitglied.
„Die dunkelste Stunde“ startet am 18. Januar 2018 in den deutschen Kinos.