FILMSTARTS: Was hat dich überzeugt, nach vier „Harry Potter“-Filmen nun auch die Regie bei „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ zu übernehmen?
David Yates: Sie haben mir einfach das Drehbuch geschickt. (Lacht.) Ich war sehr nervös, zurückzukommen, denn ich war ja nur drei bis vier Jahre weg. Aber ich las das Skript und es war wunderbar! Ich fand es bewegend, witzig, frisch, anders und bei der Vorstellung, dass es möglicherweise ein anderer umsetzen könnte, wurde ich sehr besitzergreifend. (Lacht.) Ich dachte einfach, ich kann das niemand anderen machen lassen, ich muss zurückkommen und das selbst machen.
Damals bin ich quasi auf den „Harry Potter“-Zug aufgesprungen, der die Hälfte seiner Reise schon hinter sich gebracht hatte. Ich versuchte einfach, es erwachsener zu machen und es mir zu eigen zu machen, aber gleichzeitig stand die Besetzung eben schon, die Welt war schon ausgearbeitet. Aber diesmal erschaffe ich diese Welt komplett von Grund auf. Die Arbeit mit Joanne K. Rowling, mit Steve Kloves und David Heyman, meine eigene Besetzung – das alles ist für mich sehr aufregend, dieser absolute Neubeginn. Darin lag der große Reiz.
FILMSTARTS: Newt ist eine ganz neue „Harry Potter“-Figur. Mit wem genau bekommen wir es hier in „Phantastische Tierwesen“ zu tun?
David Yates: Newt ist wirklich liebenswert und besessen von magischen Kreaturen. Ein richtiger Geek, sehr sachkundig, aber nicht gut im Umgang mit Menschen. Er ist von der Gesellschaft und der echten Welt eher etwas ausgeschlossen. Dafür geht er in der Natur und ihrer Schönheit absolut auf. Auf seiner Reise im ersten Film lernt er aber, dass es auch möglich ist, eine enge Verbindung zu anderen Lebewesen als seinen Tierwesen aufzubauen. Er hat zum ersten Mal einen Kumpel, der von Dan Fogler gespielt wird, das ist eine richtige Bromance. Außerdem trifft er Tina, eine eher unerwiderte Liebe zunächst. Dennoch macht er eben erstmals Erfahrungen damit, mit anderen Menschen auszukommen. Er ist eine fesselnde Figur, die großes Mitgefühl beim Publikum erfahren wird. Außerdem hat er ein dunkles Geheimnis, wie es bei einigen Figuren von Joanne K. Rowling der Fall ist. Es offenbart sich erst während des Films und wie ich Joanne kenne, vermute ich, dass es da in der Zukunft noch mehr geben wird.
Er ist charmant und belesen, ein bisschen auch wie Tierfilmer und Naturforscher David Attenborough, nur dass die Tiere hier eine ganz andere Hausnummer sind. (Lacht.) Eddie Redmayne bringt dazu eine gewisse Eleganz und viel Witz mit. Tatsächlich war das meine größte Frage, als es darum ging, Eddie eventuell zu besetzen: Kann er auch witzig sein? Denn ich sah mir seine Arbeiten an und wusste, dass wir etwas anderes für den Film brauchen würden, weil dieser auch viel Slapstick beinhaltet. Aber Eddie ist unglaublich witzig und gefühlvoll und bringt so viel emotionale Authentizität mit! Er ist so ein großartiger Schauspieler und nimmt seine Arbeit so ernst, da waren auch keine Tests nötig. Ich wusste, dass es mit seiner Hingabe funktionieren würde.
FILMSTARTS: Was sind die Unterschiede zwischen dem bestehenden „Harry Potter“-Universum mit seinen acht Filmen und dem neuen Projekt?
David Yates: Es ist frisch und neu, da wir uns nicht mehr in einer Zauberschule befinden. Wir haben es nun mit der echten Welt zu tun, wir sind im New York der 1920er Jahre und noch mehr als bisher in Europa geht es hier um die magische Außenwelt. Die Themen sind allgemein etwas komplexer. Magie ist in dieser neuen Welt verboten. Es gibt also eine versteckte Zauberer-Gemeinschaft, die in der Vergangenheit verfolgt wurde und nun im Verborgenen lebt. Es geht darum, was passiert, wenn deine wahre Identität unterdrückt und geleugnet wird und wie gefährlich das werden kann. Ansonsten gibt es aber auch Gemeinsamkeiten. Es gibt viele spaßige Elemente in der Geschichte und der Film hat sehr sanfte und emotionale Aspekte. Und natürlich gibt es auch wieder viel Magie.
FILMSTARTS: Im Gegensatz zu den anderen Filmen hat Joanne K. Rowling das Drehbuch diesmal selbst geschrieben. Wie hat das deinen Job verändert?
David Yates: Ich habe das Drehbuch zusammen mit Joanne K. Rowling entwickelt, was eine sehr interessante Erfahrung war. Bei „Harry Potter“ haben die Autoren die Drehbücher basierend auf den Büchern verfasst. Da war Joanne K. Rowling die Königin. Sie gab uns am Ende des Prozesses sehr hilfreiche kurze Anmerkungen und ging dann wieder. Diesmal hat Joanne die ganze Geschichte von Grund auf als Drehbuch entwickelt. So haben wir mit ihr gemeinsam an jedem Detail gearbeitet. Das war faszinierend, denn sie hatte zuvor nie ein Drehbuch verfasst. Sie hatte eine sehr steile Lernkurve, da es für sie ein ganz neues Medium darstellte. Ihr unglaubliches Talent lenkten wir diesmal also in eine ganz andere Richtung.
Bei einem normalen Drehbuchautor gehst du durch die Entwürfe, diskutierst, man schiebt sich Notizen hin und her und dann verschwindet der Autor für drei Monate wieder damit. Dann bekommt man eine neue Version und fragt sich, was hat sich denn da eigentlich verändert? Mit Jo sitzt man zusammen, diskutiert, macht Anmerkungen und dann, acht Stunden später, sagt sie: „Ich bin fertig!“
In der intensivsten Phase bekamen wir von ihr innerhalb von drei Wochen mehrere komplett überarbeite Versionen. Das war verrückt! Da mussten wir ihr sagen: Das ist nicht normal, so machen das Drehbuchautoren sonst nicht! Aber es war ihr Weg, die Figuren die Geschichte finden zu lassen. Sie hat einfach so viel Phantasie. Da kamen wir nicht hinterher. Es dauerte länger, ihr Anmerkungen zum Skript zu geben, als sie brauchte, um es umzuschreiben. Das wurde uns schon regelrecht peinlich. Bis wir uns über Änderungen einig werden konnten, hatte sie manchmal schon die nächste Version eingereicht. Das Potential dieser Reihe liegt aber auch darin, dass wir nicht an die Grenzen einer Buchvorlage gebunden sind. Die einzige Grenze bei diesem Projekt ist ihre Phantasie – die quasi grenzenlos ist. Es ist ihre Welt, ihr Universum - in erwachsener Form mit viel Charme und Humor.
FILMSTARTS: Lass uns noch über die Tierwesen im Film sprechen. Sie sind Joannes Erfindungen, aber es gibt, wie gerade angesprochen, trotz allem wahrscheinlich ein paar technische Grenzen. Wie habt ihr entschieden, welche Wesen es in den Film schaffen. Sind es welche aus den Büchern oder auch ganz neue?
David Yates: Joanne hatte da einige Favoriten, die wir selbstverständlich berücksichtigten, auch weil sie eine wichtige Rolle spielen. Andere wiederum wählten wir aus, da sie hilfreich für die Geschichte waren. Stück für Stück suchten wir uns da also unsere Lieblinge aus den Büchern aus. Wir wollten nicht, dass sie zu sehr nach Fantasy-Wesen aussehen. Sie sollten mehr so aussehen, als könnten sie auch natürlich in der echten Welt vorkommen. Es besteht immer die Gefahr, dass Dinge zu unglaubwürdig werden, daher war uns dieser organische Ansatz wichtig. Alle haben wunderbare Persönlichkeiten und wir werden ungefähr ein paar Dutzend davon im Film erleben. Einige spielen natürlich nur eine kleine Rolle, wir begegnen ihnen tatsächlich nur im Vorbeigehen in ihren natürlichen Lebensräumen. Das sind quasi die Tierwesen-Statisten. Andere wiederrum spielen eine tragende Rolle und haben ganze Szenen.
FILMSTARTS: Der Film spielt nun ausschließlich in den USA. Kam diese Idee auch von Joanne K. Rowling und waren auch andere Handlungsorte im Gespräch?
David Yates: Von dem ersten Entwurf an sollte die Geschichte 1926 in New York spielen. Das war komplett Jos Idee. Und es ist so ein schöner Einfall. Wir gehen zum Beispiel zu einer illegalen Kneipe namens „The Blind Pig“, voller Zauberer-Gangster, eine wirklich ulkige Gruppierung von Figuren. New York in den Zwanzigern bietet einfach unglaublich viel Spielraum. Aber das war Jos Konzept von Anfang an. Wenn sich die Geschichte fortsetzt, weiß ich schon, dass wir nicht zwangsweise in Amerika bleiben. Das wird sich auch in anderen Teilen der Welt weiterentwickeln. Nur in diesem Film spielt sich erst einmal alles nur in den USA ab.
FILMSTARTS: Gibt es eigentlich einen Bösewicht in „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“?
David Yates: Dazu kann ich leider nicht allzu viel sagen. Es gibt ganz klar einen Gegenspieler, der nicht das ist, was er vorgibt zu sein. Tatsächlich gibt es sogar mehrere davon. Aber einer wird entscheidend für die Geschichte – und zwar der, von dem man es wohl am wenigsten erwartet.