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    Aus Freundschaft zu "Pulp Fiction"-Star: Quentin Tarantino hat an einem der schlechtesten Filme aller Zeiten mitgearbeitet!
    Oliver Kube
    Oliver Kube
    -Freier Autor und Kritiker
    Oliver Kubes bevorzugte Filmemacher sind David Fincher, David Lynch, Martin Scorsese, Paul Thomas Anderson, Christopher Nolan, Stanley Kubrick, Quentin Tarantino, Joachim Trier sowie Steve McQueen.

    Die meisten der an diesem Film beteiligten Personen würden ihn lieber vergessen. Regie-Genie Tarantino hat jedoch kein Problem damit, zuzugeben, dass er parallel zum Drehbuch von „Pulp Fiction“ auch an einer ganz schlimmen Gurke mitgeschrieben hat.

    Was ist Pat?“ (Originaltite: „It‘s Pat“) eine politisch unkorrekte oder arg unsensible Komödie zu nennen, wäre wohl noch stark untertrieben. Das Ganze entstand allerdings in den 1990ern, in denen noch kaum jemand von nichtbinärer Geschlechtsidentität gehört hatte. Damals war es offenbar alltäglich, sich über Personen, die sich in Bezug auf ihr eigenes Geschlecht im Unklaren waren, lustig zu machen – auch im Kino und im Mainstream-TV.

    Eines der prominentesten Beispiele dafür war die fiktive Figur Pat, die zahlreiche Auftritte in der in den USA bis heute extrem populären Sketch-Comedy-Show „Saturday Night Live“ absolvierte. Die Serie machte im Laufe der Jahrzehnte einstige Newcomer*innen wie John Belushi, Dan Aykroyd, Bill Murray, Chevy Chase, Eddie Murphy, Adam Sandler, Tina Fey, Billy Crystal, Mike Myers, Chris Rock, Kristen Wiig, Amy Poehler, Will Ferrell und Andy Samberg zu Stars.

    Von 1990 bis 1994 gehörte auch Julia Sweeney („Stuart Little“) zum festen Ensemble des wöchentlich aus New York City live gesendeten Lacherfolgs. Wie sämtliche anderen Darsteller*innen entwickelte und schrieb auch Sweeney ihre Sketche selbst. Kam einer von ihnen besonders gut an, ging er schnell in Serie und es gab in unregelmäßigen Abständen Fortsetzungen. Die von Sweeney erfundene und gespielte Pat war auf Anhieb ein Hit beim Publikum. Die Zuschauer amüsierten sich köstlich darüber, wie die weder von anderen noch von sich selbst als Junge oder Mädchen zu identifizierende Figur sich mit einer Mischung aus Dusseligkeit und Dreistigkeit durch die unmöglichsten Situationen ihres kuriosen Daseins schlängelte.

    Nach dem durchschlagenden Erfolg von „Wayne‘s World“ waren die Hollywood-Studios damals ganz wild darauf, weitere „SNL“-Sketche zu Kinofilmen zu machen. Im Laufe der 1990er schafften es so unter anderem „Bob Roberts“, „Die Coneheads“, „Stuart Stupid“, „A Night At The Roxbury“ und „Waterboy“ auf die große Leinwand. Und auch Julia Sweeney erhielt das Angebot, ihre Pat-Gags abendfüllend auszuweiten.

    Was ist Pat?
    Was ist Pat?
    1 Std. 17 Min.
    Von Adam Bernstein
    Mit Julia Sweeney, Dave Foley, Kathy Griffin

    Quentin Tarantino liebt Pat

    Bei einer der üblichen Aftershow-Partys von „Saturday Night Live“ begegnete Sweeney im Januar 1993 erstmals Quentin Tarantino. Er hatte gerade „Reservoir Dogs“ an den Start gebracht und war in New York, um sein Debüt zu promoten, während er am Skript zu seinem nächsten Projekt feilte, das sich dann als „Pulp Fiction“ herausstellen sollte. Als Stargast stand an jenem Abend Tarantino-Kumpel Harvey Keitel mit Sweeney und ihren Kolleg*innen vor Kamera und Studiopublikum.

    Im Rahmen eines 2024 geführten Interviews mit dem Branchenblatt „Variety“ erinnerte sich Sweeney an ihr Kennenlernen: „[Quentin und ich] unterhielten uns drei Stunden lang über Yasujirō Ozu, der mein Lieblingsregisseur ist. Ich wusste sofort, dass ich in ihm einen großartigen neuen Freund gefunden hatte.“

    Bei der Gelegenheit sprachen sie dann auch über „Was ist Pat?“, zu dem Sweeney just einen ersten Drehbuchentwurf angefertigt hatte, den sie Tarantino spontan zeigte. „Er hatte gleich ein paar gute Ideen dazu, und wir schrieben das Skript [noch an Ort und Stelle] kurzerhand um“, berichtete die Komikerin.

    Tarantino wiederum sprach 1994 mit dem „Playboy“ über „Was ist Pat?“ und was für ihn die Faszination der Titelfigur ausmachte. Damals gab er Folgendes zu Protokoll: „Der androgyne Aspekt ist nur ein Teil dessen, was Pat [für mich] so attraktiv macht. Was ich an der Figur liebe, ist, dass sie so verdammt nervig ist. Um die Wahrheit zu sagen: Ich weiß nicht, was Pat ist. Aber ich weiß, was ich mir für Pat wünsche: Ich will, dass sie ein Mädchen ist.“

    Offenbar war Tarantino – wie Millionen andere Amerikaner zu dieser Zeit – ein großer Fan von Pat. Kannte er sich doch bestens mit der Figur aus, wie ein weiteres Statement von ihm im selben Interview beweist: „Es gibt nur einen Sketch, den Julia gemacht hat, der einen Hinweis darauf gibt, ob Pat ein Mann oder eine Frau ist. Es war der, in dem sie mit Harvey Keitel spielte. Die zwei sind auf einer einsamen Insel gestrandet und haben Sex. Trotzdem weiß Harvey noch immer nicht, was Pat ist. Und dann haben sie sich geküsst. Irgendwann dachten [die Macher der Sendung] wohl darüber nach, den Kuss herauszunehmen. Aber Harvey – wie er nun einmal ist – verlangte, dass sie ihn drin lassen würden. Ohne den Kuss wäre laut ihm die ganze Integrität des Moments verloren gegangen.“

    Tarantino führte noch weiter aus: „Das war das erste Mal, dass wir Pat in einer intimen Situation gesehen haben – beim Knutschen. Es gibt eine bestimmte Art und Weise, wie man den Kopf hält, wie man sich zum Kuss nähert. Und als ich da saß und zusah, dachte ich, dass Pat nicht wie ein Mann küsst. Pat küsst wie ein Mädchen.“

    "Was ist Pat?" war ein kolossaler Flop

    Trotz derlei tiefer Einsichten in die Materie sowie seiner Expertise als Drehbuchschreiber und Schöpfer genialer Dialoge konnte jedoch selbst ein Quentin Tarantino das Projekt nicht retten. Die US-Presse war sich einig wie selten, als ihr im Sommer 1994 die Arbeit von Regisseur Adam Bernstein („Breaking Bad“, „Scrubs“) vorgeführt wurde. Auf der Kritiken-Sammelseite Rotten Tomatoes sind bis heute erschütternde 0 Prozent positiver Rezensionen verzeichnet (Stand: 31. Dezember 2024). Das macht „Was ist Pat?“ zu einem der offiziell schlechtesten Filme nicht nur der 1990er, sondern aller Zeiten.

    Da verwundert es wenig, dass der Streifen, der über acht Millionen Dollar in der Herstellung verschlungen hatte, am Box Office zum gigantischen Flop mutierte. Insgesamt spielte „Was ist Pat?“ an seinem Startwochenende im August 1994 nur jämmerliche 31.370 Dollar ein. Dieses Ergebnis war dermaßen katastrophal, dass das Studio Touchstone Pictures und der Verleih Buena Vista (beide gehörten schon damals zum Disney-Konzern) den am Freitag angelaufenen Film bereits am Montag aus sämtlichen Kinos nahmen, um Platz für Titel zu machen, die ihnen tatsächlich Geld einbringen würden.

    Von einer Veröffentlichung in Deutschland wurde Abstand genommen, bis „Was ist Pat?“ erstmals 2001 nach Mitternacht auf Das Erste ausgestrahlt wurde. Zuletzt lief er 2003 im TV – erneut zur Geisterstunde. Eine DVD oder Blu-ray gab es nie und bisher hat sich kein Streaming-Service erbarmt, „Was ist Pat?“ in sein Programm aufzunehmen. Die Chance, dass dies – etwa bei Disney+ – noch passiert, ist zwar vorhanden, aber doch relativ gering. Tarantino-Komplettisten müssen sich also offenbar mit dem Gedanken daran arrangieren, eine Lücke in ihrer Sammlung zu haben.

    Sweeney und Tarantino blieben übrigens nach ihrer Zusammenarbeit am Skript für „Was ist Pat?“ Freunde. Als es an den Dreh zu „Pulp Fiction“ ging, rief der Regisseur die Schauspielerin an und bot ihr eine kleine Rolle in seinem kommenden Meisterwerk an. Sie ist als Raquel zu sehen, die Tochter des Besitzers des Schrottplatzes, auf dem Vincent Vega (John Travolta) und Jules Winnfield (Samuel L. Jackson) eine Leiche entsorgen.

    Auch wenn Tarantinos Hilfe am Skript nicht in den Credits zu „Was ist Pat?“ auftaucht, macht der Regisseur offenbar kein Geheimnis aus seiner Beteiligung an dem Flop. Die etwa zeitgleich bei ihm eingegangenen Angebote, zwei Mega-Hits der 1990er zu inszenieren, lehnte das „Once Upon A Time... In Hollywood“-Mastermind allerdings unbesehen ab. Um welche Blockbuster es sich handelt, erfahrt ihr im folgenden Artikel:

    "Ich habe nicht mal das Drehbuch gelesen": Quentin Tarantino lehnte 2 der größten Blockbuster der 1990er-Jahre ab!
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