Damit hatte 2022 niemand so wirklich gerechnet: Der mit einem schmalen Budget von 17 Millionen Dollar gedrehte „Smile“ wurde zum erfolgreichsten Horrorfilm des Jahres und zu einer veritablen Social-Media-Sensation. Der Regisseur Parker Finn erzählt darin von einer psychiatrischen Ärztin, die von einer sich aus Traumata speisenden Kreatur besessen die Sicht auf die Realität verliert: Patienten und Familie, alle verzerren ihr Gesicht plötzlich zu einem fratzenhaften Lächeln – eine Miene, die seitdem vielfach kopiert wurde und längst zum ikonischen Bestandteil der Horrorfilmgeschichte geworden ist. Für eine Fortsetzung, die seit dem 17. Oktober 2024 in den deutschen Lichtspielhäusern zu sehen ist, wählte Finn nun eine ganz andere, größere und bunte Welt: das Leben eines Popstars im Scheinwerferlicht.
FILMSTARTS-Autor Kamil Moll hatte die Gelegenheit, mit dem Regisseur über das Sequel, die Faszination der glitzernden Popwelt und die in Teilen parasitär geführte Beziehung zwischen Stars und Fans zu sprechen.
FILMSTARTS: Zu Beginn von „Smile 2“ sehen wir zunächst den Abschluss des ersten Films, so wie du in der Eröffnungssequenz des ersten „Smile“ auch erst mal die Geschichte deines Kurzfilms „Laura Hasn't Slept“ fortgesetzt hast. Ist es dir wichtig, eine Kontinuität zwischen den Filmen herzustellen, obwohl du voneinander unabhängige Geschichten erzählst?
Parker Finn: Meine Herangehensweise war es, ein Sequel zu machen, das sofort als „Smile“-Film erkennbar ist, sich aber dennoch ganz und gar einzigartig anfühlen sollte. So als hätte es seine eigene Identität, quasi seinen eigenen Stoffwechsel. Und diese Art von Verbindungsstück war eine gute Möglichkeit, in den neuen Film einzusteigen. Ich liebe so eine Form von Kontinuität.
FILMSTARTS: Die mörderische Kreatur nimmt diesmal von einer Popsängerin Besitz, die nach einem traumatischen, ein Jahr zurückliegenden Unfall gerade das Comeback mit einer großen Livetournee plant. Die Popkulturwelt von „Smile 2“ bildet einen großen Kontrast zum alltäglichen, intimen Rahmen des ersten Teils. Aber visuell gibt es zahlreiche Motive und stilistische Mittel, die in beiden Filmen auftauchen. Und du arbeitest, was Produktionsdesign, Kamera, Kostüme oder Filmmusik betrifft, wieder mit den gleichen Leuten zusammen. Wie hast du den größeren Rahmen des zweiten Teils entwickelt? Wie nah sollte der Film an seinem Vorgänger bleiben?
Parker Finn: Ich wollte einen Rahmen für den zweiten Film schaffen, der von Natur aus ein ganz anderer ist. Wir haben es hier mit einer Prominenten zu tun, die auf der internationalen Bühne steht und ständig von Menschen umgeben ist. Das war ein interessanter Kontrast für mich, denn das ist jemand, der ständig von Menschen umgeben ist und sich dennoch wie der einsamste Mensch auf der Welt fühlt. Der bestimmte Dinge privat und geheim halten muss und das Gefühl hat, dass er niemandem in seiner Umgebung vertrauen oder mit ihm reden kann, was einen großen Unterschied zum ersten Film darstellt.
Stilistisch gesehen denke ich, dass beide Filme unterschiedliche Welten sind, die aber zumindest im selben Universum spielen. Wir sind subjektiv an die jeweiligen Hauptfiguren gebunden, und die Welt eines Popstars fühlt sich natürlich ganz anders an. Und doch gibt es darin auch direkte Anklänge an den ersten Film.
FILMSTARTS: Wir sehen den von Naomi Scott gespielten Popstar Skye Riley bei den Proben für Bühnenauftritte und in Talkshows. Bei YouTube kann ich mir auch zwei Musikvideos von ihr anschauen, so als sei sie eine real existierende Künstlerin. Wie wichtig war es für den Film, diesen detaillierten Background für die Figur zu erzeugen, sodass man den Eindruck hat, es hier tatsächlich mit einem Popstar zu tun zu haben?
Parker Finn: Ich wollte sicherstellen, dass sich das Popstarelement nicht wie etwas anfühlt, das einfach nur zufällig oder beiläufig angehängt wurde. Das ist es wirklich, was diese Figur ausmacht. Das ist ihre Welt. Ich weiß, dass ich als Zuschauer, wenn ich mich auf einen Horrorfilm einlasse, wirklich in die Figur hineinversetzt werden möchte, und das bedeutete, dass ich der Figur Glauben schenken und ihre Glaubwürdigkeit als Popstar aufbauen musste. Mir gefiel die Idee, die Grenzen zwischen Fiktion und Realität zu verwischen und in diesem Meta-Raum zu leben, in dem man das Gefühl hat, dass sie ein Popstar ist, der in unserer Welt existieren könnte. Und doch ist sie eine fiktive Figur.
FILMSTARTS: Was macht die Popwelt zu einem geeigneten Schauplatz für einen Horrorfilm?
Parker Finn: Berühmtheiten auf diesem Popularitätslevel müssen mit etwas umgehen, das schlichtweg bizarr ist und sich von alltäglicher menschlicher Erfahrung unterscheidet. Diese Erwartung, die entsteht, ständig auftreten zu müssen, eine Rolle zu spielen, ein Lächeln als Maske zu tragen, steht im starken Gegensatz zu dem, was eigentlich in ihrem Inneren vor sich geht. Diese Dichotomie war genau das Richtige für einen neuen „Smile“-Film: dass wir hinter den Samtschleier von Popularität schauen, einen wirklich intimen Blick wagen, Skye in privaten Momenten zeigen, wenn sie emotional angreifbar und menschlich greifbar wird.
FILMSTARTS: Welche Popkünstlerinnen waren ein Einfluss für Skye Riley? Was hat dich daran gereizt, so ein Popspektakel zu inszenieren?
Parker Finn: Es gibt eine Menge Künstlerinnen, die die Popästhetik des Films beeinflusst haben. Vor allem Rihanna und Lady Gaga, sogar Britney Spears, aber auch Popkünstlerinnen wie Olivia Rodrigo, Tate McRae, FK Twigs und Sia. Viele von ihnen gingen mir durch den Kopf, als ich das Drehbuch schrieb. Ich habe jede Dokumentation, jeden Artikel und jedes Essay über diese Frauen verschlungen, weil mich ihr Leben und das, was dort wirklich vor sich geht, so sehr interessiert hat. Und vieles von dem, was ich recherchiert habe, fand seinen Weg in den Film. Aber hier geht es vor allem um kleine stilistische Ausschmückungen und dergleichen, während Skye als Mensch, die private Seite der Figur im Film, eine ganz andere, eigene Sache war. Sie sollte nicht unbedingt eine konkrete, existierende Frau widerspiegeln.
FILMSTARTS: Wie Sosie Bacon im ersten Teil spielt Naomi Scott nun jemanden, dessen Umfeld zunehmend an ihrer psychischen Gesundheit zu zweifeln beginnt. Das sind diesmal aber nicht nur ihre Freunde und ihre Familie, sondern auch eine permanent anwesende mediale Öffentlichkeit. Öffentliche Meltdowns sind seit vielen Jahren ein fragwürdiger Teil der Celebrity-Kultur, weil das Rampenlicht solche psychischen Zusammenbrüche zu begünstigen scheint und sie mitunter sensationsgeil ausbeutet. Wie nah hast du dich hier an der Realität orientiert?
Parker Finn: Ich denke, dass wir alle, nicht nur die mediale Öffentlichkeit, Erfahrungen mit Popstars, mit jeder Art von Prominenten haben. Wir erleben das alles durch die Medien, durch Paparazzi, durch die Nachrichten, durch die sozialen Medien. Wir sehen nur diese Seite, die sehr ausbeuterisch und intensiv sein kann. Ich war neugierig darauf, was sich auf der anderen Seite abspielt. Das wollte ich erforschen. Ich habe das Gefühl, dass wir in „Smile 2“, während wir erleben, was Skye durchmacht, sehen, wie es von außen aussehen könnte. Aber weil wir wissen, womit sie zu kämpfen hat, wird es unglaublich frustrierend und angstauslösend und bringt uns dazu, uns neu zu überlegen, wie wir über eine Prominente denken, die damit zu kämpfen hat.
FILMSTARTS: Du zeigst im Film auch die Beziehung zwischen Popstar und Fans, das hat ja oftmals etwas Parasitäres an sich. Ein guter Stoff für ein Horrorszenario also.
Parker Finn: Ja, das schien mir ein gutes Thema für einen Horrorfilm zu sein: Wie viel schuldet ein Popstar seinen Fans und wie beunruhigend kann eine solche parasoziale Beziehung letztlich werden? Skye hat eine Stufe des Ruhms erreicht, bei der es sich anfühlt, als hätte sie keine Kontrolle über ihr eigenes Leben, bei der sie nicht wirklich die Kontrolle über irgendetwas hat, wegen all der Erwartungen, die an sie gestellt werden, und wie ihr Leben ständig von anderen Leuten gesteuert wird. Für mich war das ein interessanter Ansatzpunkt, um herauszufinden, wie ich sie dazu bringen kann, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und zwar mit wirklich grausamen Mitteln.
FILMSTARTS: Dein nächster Film wird ein Remake von Andrzej Żuławskis „Possession“. Das ist ja auch eine Mischung aus psychologischem Horror und „Creature Feature“. Wie ist es denn zu diesem Projekt gekommen?
Parker Finn: „Possession“ ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme, von dem ich schon seit Langem besessen bin. Ich möchte etwas machen, das eine Hommage an Żuławskis Meisterwerk ist, aber auch etwas Neues, eine Neuinterpretation. Eine Art Geistesverwandte des Films, um mit ihm in ein Gespräch zu treten. Ich möchte sicherstellen, dass mein Film das Original ehrt und gleichzeitig etwas Neues schafft.