Seit dem 3. Oktober 2024 läuft „Der wilde Roboter“ in den deutschen Kinos – und wir von FILMSTARTS können euch das Science-Fiction-Abenteuer allein schon aufgrund der wunderschön animierten Landschaftsbilder und der niedlichen Wald-Bewohner*innen ans Herz legen. FILMSTARTS-Redakteur Stefan Geisler hatte im Rahmen des Kinostarts des liebevollen Animationsfilms die Gelegenheit, mit Regisseur Chris Sanders („Drachenzähmen leicht gemacht“) zu sprechen.
Dabei wollten wir von dem Filmemacher nicht nur alles über die Design-Einflüsse wissen, die die Gestaltung von „Der wilde Roboter“ bestimmt haben, sondern haben mit ihm auch über eine mögliche Fortsetzung und die Macht von tragisch-schöne Enden in Kinderfilmen gesprochen. Doch zuerst einmal mussten wir dem Regisseur gestehen, dass auch bei uns einige Tränen während des Films geflossen sind...
FILMSTARTS: Mir hat „Der wilde Roboter“ wirklich ausgesprochen gut gefallen. Ich glaube, es war das erste Mal, dass mich 2024 ein Film im Kino zu Tränen gerührt hat. Ist das dein geheimer Plan, alle Eltern zum Weinen zu bringen? Chris Sanders (lacht): Ich bin wirklich froh zu sehen, dass es etwas ist, das die Leute anspricht und berührt. Ich versuche mich selbst auf eine bestimmte Art und Weise zu fühlen, damit die Zuschauer das auch tun. FILMSTARTS: Wie bist du auf die Buchreihe „Der Wilde Roboter“ aufmerksam geworden? Chris Sanders: Meine Tochter hatte es in der Schule gelesen – da wusste ich aber noch gar nicht, dass ich es irgendwann einmal damit zu tun bekommen würde. Als ich bei DreamWorks auf der Suche nach meinem nächsten Projekt war, wurde mir auch das Buch „Der wilde Roboter“ vorgelegt. Bereits nach der kurzen Beschreibung dieses speziellen Werks wusste ich, dass ich daran interessiert war. Ich hab es dann nahezu verschlungen und war regelrecht verliebt und begeistert von den Figuren, ihren komplexen Beziehungen zueinander und den Themen, die darin vorkommen.
FILMSTARTS: „Der wilde Roboter“ ist für mich definitiv der schönste Sci-Fi-Film des Jahres. Woher kommen die Design-Einflüsse? Chris Sanders: Die stammen aus Filmen, die uns allen in der Animationsbranche sehr am Herzen liegen, wie „Bambi“ oder „Mein Nachbar Totoro“. Sie haben uns allen viel bedeutet, und ich beschreibe sie so, dass sie alle diese analoge Wärme haben, die nur von menschlicher Hand kommt. Deshalb wussten wir, dass wir unsere Technologie weiter vorantreiben mussten, auch wenn DreamWorks in diesem Bereich bereits große Fortschritte gemacht hatte.
Eines der Dinge, die mich glücklich gemacht haben, war, dass DreamWorks mit „Der gestiefelte Kater 2: Der letzte Wunsch“ und „Die Gangster Gang“ von diesem CG-Look abgewichen war, dem wir so lange verhaftet waren. Sie haben sich an diesen illustrierten Stil versucht, aber ich wollte noch weiter gehen. Etwas, das an die Illustrationen von Tyrus Wong in „Bambi“ erinnerte, die meiner Meinung nach die perfekte Darstellung von Wäldern waren.
FILMSTARTS: Deine Animationsfilme schaffen sehr gut kinderfreundlichen Spaß und erwachsene Unterhaltung zu kombinieren. Auch in „Der wilde Roboter“ gibt es wieder einige Witze, die komplett über die Köpfe der jungen Zuschauer*innen hinweggehen werden. Was ist das Geheimnis – wie bringt man diese beiden Elemente passend zusammen? Chris Sanders: Meine Arbeit soll alle ansprechen – das hat sie immer getan. Das habe ich gelernt, als ich in der Story-Abteilung von Disney anfing. Wir arbeiten, um zu unterhalten. Ich denke, wir sind in erster Linie wir selbst. Wir sind sehr offen und unsere Zuschauer sind es genauso. Ich hatte immer das Gefühl, dass unser Publikum intelligent und offen ist, aber nicht prätentiös. Sie akzeptieren und interessieren sich für die Art von Geschichten, die wir erzählen.
FILMSTARTS: Die Geschichte bietet Potenzial für ein Sequel – schließlich gibt es ja noch eine Fortsetzung von Peter Brown. Befindet ihr euch bei Erfolg im Zwiespalt? Würdet ihr einen weiteren Film machen? Denn immerhin ist das Ende wirklich fantastisch und fühlt sich traurig, aber auch herzerwärmend schön und irgendwie vollständig an. Chris Sanders: Wow, das war eine wirklich gute Beschreibung. Die werde ich so übernehmen (lacht). Wir waren sehr froh darüber, dass die Verantwortlichen bei DreamWorks sich an das ursprüngliche Ende des Buches gehalten haben, obwohl es ein trauriges, hartes Ende ist. Meine Aufgabe als Drehbuchautor und Regisseur war es, das Ende des Buches zu nehmen und den Film so zu verpacken, dass er dem Buch treu bleibt. Aber auch so, dass man nicht das Gefühl hat, am Ende des Films hängen gelassen zu werden. Das war eine heikle Balance, die wir erreicht haben, und ich denke, das ist uns gelungen. Ich bin wirklich gespannt darauf, die Geschichte fortzusetzen.
FILMSTARTS: Du hast ein Händchen dafür, Geschichten mit Happy Ends zu erzählen, die dennoch einen Funken Tragik in sich tragen. Warum fühlen sich diese Enden zumeist runder und befriedigender an als ein reines Happy End? Chris Sanders: Wenn die Dinge zu leicht und fröhlich sind, dann können sie uns wahrscheinlich sehr gut unterhalten, aber sie haben auch nicht so viel Konsequenz – und werden uns nicht langfristig beschäftigen. Ich denke, wenn man große Gefühle empfindet, dann gibt es auch immer einen Unterbau der Traurigkeit. Ich vergleiche das mit der Zeit, als ich ein Kind war und in Colorado Schneemänner baute. Je schöner der Schneemann war und je stolzer ich auf ihn war, desto schmerzhafter war es, ihn schmelzen zu sehen. Und wir alle werden dasselbe erleben, wenn wir vielleicht ein Kind großziehen und es das Nest verlässt - aufs College geht oder heiratet.
Ich habe mich immer zu den Teilen der Geschichten in Kinderbüchern hingezogen gefühlt, die mich am meisten erschreckt haben. Ich weiß nicht, warum das so ist, es hat einfach etwas mit der Art zu tun, wie wir verdrahtet sind. Die Geschichten, die wirklich Bestand haben, schaffen eben diese Balance.
FILMSTARTS: Ähnlich wie in „Drachenzähmen leicht gemacht“ ist es in „Der wilde Roboter“ auch ein Außenseiter, der die bestehenden Regeln auf den Kopf stellt und die Gesellschaft zum Besseren verändert. Ist das die Lehre des Films, dass wir den ungehörten Stimmen mehr Aufmerksamkeit widmen sollen – und das wir uns selbst und unsere Ansichten stärker hinterfragen müssen? Chris Sanders: Was ich an dem Film liebe, ist der Gedanke, dass wir irgendwann mal unsere Programmierung ändern müssen. Wir sind alle Gewohnheitstiere und wir mögen keine Veränderungen. Auch ich möchte, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind. Aber wenn ich letztlich doch mal etwas ändere oder durch äußerliche Einflüsse dazu gezwungen werde, schaue ich später zurück und bin fast immer dankbar dafür. Ich habe dann stets das Gefühl, dass ich an der neuen Herausforderung gewachsen bin. Natürlich spreche ich nur für mich selbst – wahrscheinlich ist die Angst vor Veränderung auch immer die Sorge davor, dass man sich selbst verlieren könnte. Doch im Endeffekt verliert man sich nie, man wird nicht zu jemanden, aber man wächst und entwickelt ein vielschichtigeres Ich.
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