Die wahre Geschichte hinter "The Ministry of Ungentlemanly Warfare": Der Abspann lässt Wichtiges weg
Björn Becher
Björn Becher
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Seit mehr als 20 Jahren schreibt Björn Becher über Filme und Serien. Hier bei FILMSTARTS.de kümmert er sich um "Star Wars" - aber auch um alles, was gerade im Kino auf der großen Leinwand läuft.

Auf Amazon Prime Video könnt ihr „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ streamen. Der Kriegs-Actioner mit Henry Cavill, „Reacher“-Star Alan Ritchson und Til Schweiger nimmt sich einige Freiheiten gegenüber der realen Historie – selbst im Abspann.

Amazon Prime Video

Es dürfte niemanden verwundern, dass „The Ministry Of Ungentlemanly Warfare“ sich einige Freiheiten gegenüber der wahren Geschichte nimmt. Schließlich ist der Film zu jeder Sekunde ein überbordendes, auf Coolness und Comedy setzendes Spektakel im Stil von Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“. Etwas überraschender dürfte da sein, dass selbst der Abspann, in dem ja bewusst auf die wahre Geschichte geblickt wird, nur die Hälfte erzählt und an mindestens einer Stelle sogar die Unwahrheit. Doch der Reihe nach.

Fangen wir mit den offensichtlichen Änderungen im Film an. Die beschriebene „Operation Postmaster“ gab es wirklich. Eine geheime Einheit unter der Führung von Major Gus March-Phillips (im Film: Henry Cavill) wurde wirklich damit beauftragt, vor der Insel Fernando Po liegende Schiffe aus dem Verkehr zu ziehen, um die U-Boot-Versorgung der Nazis zu treffen. In Wirklichkeit machten sich insgesamt in zwei Gruppen aber mehrere dutzende Männer auf diese geheime Mission – und nicht nur fünf. Das hat man natürlich für den Film reduziert, um Identifikationsfiguren zu schaffen.

Vier dieser fünf Männer im Mittelpunkt von „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ gehörten aber alle wirklich zur Einsatztruppe – auch wenn Segel-Experte Henry Hayes (Hero Fiennes Tiffin) in der Realität kein Ire war und man auch nicht erst Planer Geoffrey Appleyard (Alex Pettyfer) mit viel Nazi-Metzeln aus einem Gefangenenlager befreien musste. Da fehlte Regisseur Guy Ritchie einfach noch eine große Actionszene im ersten Drittel, sodass man diese Erstürmung eines Stützpunkts eingebaut hat. Zur Historie passt nur, dass Appleyard nicht zum Beginn mit March-Phillips an Bord war. Er war Teil eines Vorauskommandos.

Der von Henry Golding verkörperte Freddy Alvarez ist dagegen eine reine Erfindung der Filmemacher.

Einfacher Diebstahl statt explosiver Showdown

Eine andere Person ist dagegen fiktiv: Der die Operation vor Ort vorbereitende Agent Heron (Babs Olusanmokun) ist eine rein für den Film erfundene Figur. Seine Partnerin Marjorie Stewart (Eiza González) gab es dagegen wirklich. Es gibt aber keinerlei Beweise, dass die Schauspielerin, die wirklich vor und nach dem Krieg in zahlreichen Filmen mitwirkte, an der Operation Postmaster beteiligt war. Das ist eine Erfindung der Filmemacher.

Die größten inhaltlichen Abweichungen gibt es am Ende. Im Film planen die Briten, die Versorgungsboote zu versenken. Das klappt aber nicht, weil der misstrauische Nazi Heinrich Luhr (Til Schweiger) – übrigens auch eine komplett erfundene Figur – ihren Rumpf mit Stahlplatten verstärkt hat. Spontan entscheiden March-Phillips und Co. dann einen verwegenen Diebstahl durchzuziehen, der aber in einem explosiven Feuergefecht mündet.

In Wirklichkeit war es von Anfang an der Plan, die Boote zu stehlen. Das gelang auch – und zwar, ohne dass die britischen Kommandos bemerkt wurden und es eine Schießerei gab. Die Nazis und die Italiener und vor allem die das Gebiet kontrollierenden Spanier hatten so keine Ahnung, wer sie bestohlen hat.

Das war ein wichtiger Teil der Mission, weil Spanien keine Kriegspartei war, Großbritannien mit dem Entdecken eines militärischen Einsatzes in dem neutralen Gebiet einen möglichen Kriegseintritt der Spanier provoziert hätte. Die spontane Improvisation und der Showdown machen aber für ein Filmfinale in Sachen Spannung und Action viel mehr her, sodass es verständlich ist, warum Ritchie hier von der Historie so deutlich abwich.

Traurige Schicksale für die britischen Helden

Im Abspann von „The Ministry Of Ungentlemanly Warfare“ wird mit Fotos auf die realen Vorbilder der Figuren geblickt. Hier verschweigt Guy Ritchie ziemlich viel, weil er sich auf den Helden-Aspekt der Figuren konzentrieren will. So erfahren wir, dass March-Phillips diverse Orden bekam sowie dass er und Marjorie Stewart kurz nach der Operation Postmaster geheiratet haben. Nicht erzählt wird, dass das Eheglück aus traurigen Gründen nach der Heirat im April 1942 nur wenige Monate Bestand hatte. Im September 1942 wurde March-Phillips bei einer neuen Geheimorganisation an der Küste Frankreichs getötet.

Auch die weiteren Mitglieder überlebten den Krieg nicht, was im Abspann verschwiegen wird. Geoffrey Appleyard starb im Alter von nur 26 Jahren im Juli 1943 vor der italienischen Küste, als sein Flugzeug spurlos verschwand. Es gilt als wahrscheinlich, dass es nach versehentlichem Freundesbeschuss ins Meer stürzte.

Bei Graham Hayes verrät uns der Abspann korrekt, dass er schon bei der nächsten Mission von den Nazis gefangen wurde. Anschließend heißt es im Film, dass er für über ein Jahr von der Gestapo festgehalten und befragt wurde, dabei aber nie brach, wie der Abspann sogar besonders deutlich herausstellt. Unerwähnt bleibt dabei, dass ihn die Nazis im Juli 1943 im Gefängnis hinrichteten. Hier ist auch ein faktischer Fehler enthalten: Hayes war nicht über ein Jahr in Gefangenschaft, sondern insgesamt rund neun Monate.

Vier dieser fünf Männer gab es wirklich. Amazon Studios
Vier dieser fünf Männer gab es wirklich.

Ähnlich heroisierend ist die Einblendung zu Anders Lassen. Herausgestellt wird, dass der Däne die höchste britische Militärmedaille, das Victoria Cross, verliehen bekam. Verschwiegen wird aber, dass sie ihm posthum verliehen wurde. Die Auszeichnung bekam er für den Einsatz, der ihm in Italien 1945 das Leben kostete.

Allerdings zeigt hier die wahre Geschichte, dass „Reacher“-Star Alan Ritchson ihn – abgesehen von der Bodybuilder-Statur, die ganz sicher kein Kommando im Zweiten Weltkrieg hatte – recht passend verkörpert hat. Der Sprengstoff-Experte (auch das passt) führte nämlich laut Berichten ein kleines Team gegen eine feindliche Übermacht in den Kampf. Dabei gelang es ihm, den Eindruck zu erwecken, in Wirklichkeit einen Großangriff anzuführen, weil er so brachial und laut agierte. Der gegnerischen Stellung näherte er sich übrigens als vermeintlich glückloser Fischer – was sehr an den Auftakt des Kriegs-Actioners auf Amazon Prime Video erinnert.

Und was ist nun mit James Bond?

Ach ja – und dann ist natürlich noch zum Abschluss die James-Bond-Frage: Ja, der in „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ von Freddie Fox verkörperte Bestseller-Autor und 007-Erfinder Ian Fleming war wirklich beim britischen Marine-Geheimdienst und Teil der „Operation Postmaster“ wie weiterer Geheimoperationen (siehe zuletzt auch den Kinofilm „Die Täuschung“). Dass ihn wirklich March-Phillips als Inspiration für James Bond diente, wie es im Abspann heißt, ist immer wieder zu hören und stimmt wahrscheinlich. Der reale Major ist aber nur einer von sehr, sehr vielen Einflüssen.

The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ könnt ihr aktuell bei Amazon Prime Video streamen. Was dort im August 2024 neu startet, erfahrt ihr in dem folgenden Artikel:

Neu auf Amazon Prime Video im August 2024: Endlich "Der Herr der Ringe"-Nachschub, eine neue "Batman"-Serie & Action mit John Cena
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