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    The Ministry of Ungentlemanly Warfare
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Ministry of Ungentlemanly Warfare

    Guy Ritchies Version von "Inglourious Basterds"

    Von Lutz Granert

    Im Januar 1942 gelang den Briten ein bedeutender militärischer Erfolg gegen die Truppen des bis dahin als übermächtig erscheinenden Nazi-Deutschlands. Auf dem umgebauten und mit Geschützten aufgerüsteten Fischtrawler Maid Of Honor gelang es 55 Soldaten, unbemerkt an die Westküste Afrikas zu segeln und dort im Hafen der zum neutralen Spanien gehörenden Insel Fernando Po deutsche und italienische Handelsschiffe zu kapern. Damit war die Versorgung der zuvor den Atlantik dominierenden Nazi-U-Boote empfindlich gestört. Details über diese „Operation Postmaster“ wurden nach Jahrzehnten der Geheimhaltung erst 2014 durch zusammengetragene Erinnerungen der Beteiligten in dem Buch „Churchill's Secret Warriors: The Explosive True Story Of The Special Forces Desperadoes Of WWII“ von Damien Lewis* sowie 2016 durch die freigegebenen Geheimakten von Winston Churchill publik.

    Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung sicherte sich Paramount in einem Bieterwettbewerb die Filmrechte an dem Sachbuch. Nachdem ein erster Skriptentwurf beim Studio noch durchgefallen war, stieß der britische „Sherlock Holmes“-Regisseur Guy Ritchie zu dem Projekt. Mit reichlich künstlerischen Freiheiten verpasst er „The Ministry Of Ungentlemanly Warfare“ seine ganz eigene und mit rotzigem Humor gewürzte Handschrift – und die ist der seines großen Vorbilds Quentin Tarantino nicht unähnlich: Bekanntlich schaffte der Brite seinen Durchbruch einst mit Filmen wie „Bube, Dame, König, grAs“ und „Snatch“, die ebenfalls schon von den Werken des „Pulp Fiction“-Regisseurs beeinflusst waren. Bei seiner überdrehten Kriegs-Actionkomödie stand nun eindeutig „Inglourious Basterds“ Pate. Doch mithalten kann sie mit dem Vorbild nicht. Die an den amerikanischen Kinokassen gefloppte und im Großteil der Welt – wie von Anfang an geplant – im Angebot von Amazon Prime Video startende 60-Millionen-Dollar-Produktion wirkt dafür einfach viel zu halbgar.

    55 Männer machten sich in Wahrheit auf die Operation Postmaster, in Guy Ritchies Version sind es fünf wackere Anti-Helden. Amazon
    55 Männer machten sich in Wahrheit auf die Operation Postmaster, in Guy Ritchies Version sind es fünf wackere Anti-Helden.

    Ende des Jahres 1941 stehen die Briten im Krieg gegen Nazi-Deutschland mit dem Rücken zur Wand. Also plant Winston Churchill (Rory Kinnear) zusammen mit seinem Stab um den späteren „James Bond“-Bestsellerautor Ian Fleming (Freddie Fox) eine geheime Mission: Unter der Leitung des eigentlich im Gefängnis sitzenden Major Gus March-Phillips (Henry Cavill) soll ein kleines Team um den Segel-Experten Henry Hayes (Hero Fiennes Tiffin), den Sprengstoff-Spezialisten Freddy Alvarez (Henry Golding) und den Hünen Anders Lassen (Alan Ritchson) in den Golf von Guinea aufbrechen und im Hafen der Insel Fernando Po liegende Handelsschiffe zur Versorgung der deutschen U-Boote aus dem Verkehr ziehen.

    Das riskante Unterfangen steht von Anfang unter keinem guten Stern. Schließlich sind nicht nur die Nazis eine Bedrohung, auch jeglicher Kontakt mit der britischen Marine könnte für die streng geheime, nicht sanktionierte Mission das Ende bedeuten. Während die kleine Crew mit einem unauffälligen Fischtrawler durch neutrale Gewässer und gegen eine tickende Uhr dem Ziel entgegen schippert, reisen die beiden Agenten Heron (Babs Olusanmokun) und Marjorie Stewart (Eiza González) mit dem Zug quer durchs besetzte Afrika, um vor Ort die letzten Vorbereitungen zu treffen…

    Spaß beim Nazis metzeln!

    In der Eröffnungsszene entert eine Nazi-Patrouille ein scheinbar harmloses Fischerboot, inspiziert es – und wird nach einem Überraschungsmoment unter Deck von der vierköpfigen Besatzung um March-Phillips reichlich blutig dahingemeuchelt. Eine Weile später befreit das Quartett mal eben lässig das von Nazis auf einem streng bewachten Stützpunkt auf den Kanareninseln inhaftierte, noch fehlende Crewmitglied Geoffrey Appleyard (Alex Pettyfer), sodass anschließend die fünf Protagonisten (die für die realen 55 Soldaten stehen) zusammen sind. Mit diesen beiden frühen Actionszenen setzt Ritchie direkt den Ton für seinen Film.

    Schließlich schickt March-Phillips seinen Trupp nicht ohne Grund mit einem saloppen „Try to have fun!“ in das sehr einseitig verlaufende, extrem brutale Scharmützel bei Appleyards Befreiung. An dessen Ende stolziert der kleptomanisch veranlagte Offizier im schwarzen Mantel eines Gestapo-Offiziers aus dem hinter ihm explodierenden Gefangenenlager. Jede Einstellung macht dabei klar: All das soll lässig, cool und überzeichnet sein. Wie bei den Gewalteruptionen von Tarantino – zumal Ritchie beide Szenen noch mit Musik unterlegt, die mit ihren vielen Pfeiftönen an die vom „Kill Bill“-Macher so gerne zitierten Italo-Western angelehnt ist.

    Anders Lassen („Reacher“-Star Alan Ritchson) nimmt den Befehl seines Majors, Spaß beim Nazi-Metzeln zu haben, besonders ernst. Amazon
    Anders Lassen („Reacher“-Star Alan Ritchson) nimmt den Befehl seines Majors, Spaß beim Nazi-Metzeln zu haben, besonders ernst.

    Auf brachiale und plakative Komik wird zwar viel gesetzt, doch hintersinniges Augenzwinkern genießt im Skript Seltenheitswert. Nur hier und da blitzt mal etwas davon durch, wenn Ritchie zum Beispiel am Ende die Behauptung aufstellt, dass der reale Major Gus March-Phillips dem an der Operation beteiligten Fleming als Vorbild für seine berühmte Romanfigur James Bond diente (und Flemings Boss sicher nicht zufällig von allen nur „M“ genannt wird).

    Insgesamt schafft es der „Aladdin“-Regisseur in der zweiten Hälfte seiner semi-seriösen Geschichtsstunde aber nicht mehr, für neue Überraschungen zu sorgen. Die unterschiedlichen Marotten der einzelnen Crewmitglieder sind schnell auserzählt und taugen so nicht mehr für neue Lacher. Stattdessen schleichen sich dann öde Momente und viele Längen in das plötzlich sehr ernste, wenn auch mit reichlich Pyrotechnik aufgemotzte und dadurch ziemlich explosive Finale.

    Auch Til Schweiger reißt es nicht raus

    Zumal Ritchie auch zu wenig aus all den zahlreichen Nebenfiguren rausholt. Aus deutscher Sicht ist natürlich besonders Til Schweiger interessant. Als schmieriger Nazi-Industrieller mit einer Vorliebe für bildungsbürgerliche Tier-Gleichnisse verfällt er erst der Undercover-Agentin Marjorie, um dann entsetzt zu entdecken, dass sie Jüdin ist. Dass er darüber nicht hinwegkommt, wird höchst schmierentheaterhaft in einer ausgedehnten Szene demonstriert. In dieser muss der deutsche Bösewicht-Darsteller im Julius-Caesar-Kostüm viel zu lange einen versteinerten „Hulk wütend“-Gesichtsausdruck aufsetzen.

    Nicht weniger unfreiwillig komisch geht es aber auf der britischen Seite zu. Da wird das zumindest an sich durchaus überzeugende Spiel von Charakterdarsteller Rory Kinnear („Men“) als Winston Churchill hinter einer schwammigen und nur vage dem realen Vorbild ähnelnden Latexmaske versteckt. So weiß man bei den Szenen, in denen Churchill sich bis zum hoffentlich erfolgreichen Abschluss der Geheimmission an der Macht halten muss, während der Rest der politischen Elite ihn zur Aufgabe im Krieg gegen Deutschland drängt, nicht, ob man angesichts des grotesken Make-up-Effekts lachen oder angesichts der eigentlichen spannenden Ausgangslage mitfiebern soll.

    Fazit: Guy Ritchie eifert Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ nach und verwurstet in seiner blutigen Nazi-Metzelei „The Ministry Of Ungentlemanly Warfare“ die historischen Details sehr frei. Das große Problem dabei: Sein Humor-Pulver verschießt er bereits in der ersten Hälfte nahezu komplett, wodurch die zwei Stunden Laufzeit zunehmend zäh geraten.

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