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    Er rettete zahlreiche Meisterwerke: Hollywood-Legende und Oscarpreisträger Robert Towne ist tot
    Björn Becher
    Björn Becher
    -Mitglied der Chefredaktion
    Seit mehr als 20 Jahren schreibt Björn Becher über Filme und Serien. Hier bei FILMSTARTS.de kümmert er sich um "Star Wars" - aber auch um alles, was gerade im Kino auf der großen Leinwand läuft.

    Robert Towne ist tot – und damit ist eine der bedeutendsten Stimmen Hollywoods verstummt. Towne hinterlässt zahlreiche Klassiker – und zwar nicht nur jene, für die ihn jeder kennt, sondern auch viele, an denen er heimlich arbeitete.

    Paramount Pictures

    Robert Towne, der gefeierte Drehbuchautor hinter Klassikern wie „Chinatown“ und „Mission: Impossible“, ist am 1. Juli 2024 im Alter von 89 Jahren friedlich im Beisein seiner Familie gestorben, wie seine Sprecherin Carri McClure mitteilte.

    Towne war bekannt für seine herausragenden Drehbücher voller tiefgründiger Figuren. Damit prägte er das Kino über Jahrzehnte hinweg. Denn sein Schaffen gilt auch heute noch als Lehrstück für das Drehbuchschreiben. Zahlreiche heutige Autor*innen und Autoren sind so bewusst oder unbewusst von ihm beeinflusst. Daneben war er der legendäre Skript-Doktor Hollywoods schlechthin und rettete reihenweise Projekte...

    Von den B-Movies zum prägenden Autor von New Hollywood

    Der 1934 in Los Angeles geborene Towne begann seine Karriere in den 1960er Jahren wie so viele in jener Ära in der B-Movie-Schmiede von Roger Corman, wo er das Handwerk lernte. Mit seiner Mitarbeit am Drehbuch zu „Bonnie und Clyde“ sorgte er erstmals für größeres Aufsehen: Das New-Hollywood-Kino war geboren. Plötzlich hatten nicht mehr immer die Studios das Sagen, sondern eine neue Ära kompromissloser Filmemacher schaffte es (zumindest für einige wenige Jahre), ihre eigenen Visionen umzusetzen. Towne war ganz vorne dabei.

    Sein größter Erfolg war sicher sein Drehbuch zu „Chinatown“, das als eines der besten aller Zeiten gilt. Der Film unter der Regie von Roman Polanski und mit Jack Nicholson in der Hauptrolle wurde für elf Oscars nominiert. Towne selbst brachte er den Oscar für das beste Originaldrehbuch ein, nachdem er ein Jahr zuvor für sein Skript zu „Das letzte Kommando“ bereits erstmals nominiert war.

    Chinatown
    Chinatown
    Starttermin 19. Dezember 1974 | 2 Std. 10 Min.
    Von Roman Polanski
    Mit Jack Nicholson, Faye Dunaway, John Huston
    User-Wertung
    4,4
    Filmstarts
    5,0
    Auf Paramount+ streamen

    Weitere bemerkenswerte Arbeiten umfassen „Shampoo“ (ebenfalls oscarnominiert), „Der Himmel soll warten“, „Greystoke“ (weitere Oscarnominierung, obwohl er aufgrund eines Streits seinen Hund statt sich selbst im Vorspann als Autor listete), „Tequila Sunrise“, „Tage des Donners“, „Die Firma“ und die „Mission: Impossible“-Reihe, die er in den 1990er Jahren gemeinsam mit Tom Cruise wiederbelebte.

    Robert Towne perfektionierte Hollywoods bestbezahlten unbekannten Job

    Viele gehen davon aus, dass Towne noch viel mehr Geld als mit all diesen Drehbüchern mit einem Job verdiente, über den man in Hollywood nicht so gerne redet – als Skript-Doktor. Der kommt immer dann zum Einsatz, wenn es brennt: Es wird in Kürze gedreht oder die Kameras laufen bereits und da fällt auf, dass das Drehbuch noch Schwächen hat, welche die eigentlich Verantwortlichen nicht lösen können. Lange Zeit galt in Hollywood die Regel: Wenn man genug Geld hat, ruft man Towne. Der rettet einen.

    Schon beim bereits erwähnten „Bonnie und Clyde“ wurde er so von Hauptdarsteller Warren Beatty zur Rettung gerufen. Da war seine Mitarbeit noch so umfangreich, dass er eine Nennung bekam. Meist musste das aber geheim bleiben – auch aufgrund komplizierter Gewerkschaftsregeln in den USA. Dafür war sein Salär manchmal deutlich höher als das für die eigentliche Drehbuchentwicklung. Wie viele Projekte Towne zwischen Ende der 1960er- und Mitte der 2000er-Jahre so rettete, ist unbekannt. Viele gehen von einer dreistelligen Anzahl aus. Von einem Meisterwerk wissen wir es aber ganz sicher: „Der Pate“. Dort dankte ihm Francis Ford Coppola entgegen der Gepflogenheiten in Hollywood nämlich bei der Oscarrede.

    Der Pate
    Der Pate
    Starttermin 24. August 1972 | 2 Std. 55 Min.
    Von Francis Ford Coppola
    Mit Marlon Brando, Al Pacino, James Caan
    User-Wertung
    4,7
    Filmstarts
    5,0
    Auf Paramount+ streamen

    Die Freundschaft zu Tom Cruise entstand auch durch Townes Doktoren-Arbeit an Projekten des Superstars. Der machte es zeitweise zur Bedingung, dass Towne am Drehbuch mitarbeitet oder es mindestens noch einmal überarbeitet. Heute hat diesen Job bei Cruise-Projekten übrigens Christopher McQuarrie inne, der auch noch in einer anderen Hinsicht auf Towne folgte: Begann die „Mission: Impossible“-Reihe einst mit Cruise und Towne, bringen sie nun Cruise und McQuarrie (seit Teil 5 für Regie und Drehbuch aller Teile verantwortlich) gemeinsam zu Ende.

    Towne schätzte an dem Job als Skript-Doktor die Flexibilität und Ungebundenheit. An eigenen Drehbüchern saß er Monate, investierte viel Herzblut und musste am Ende vielleicht mitansehen, wie es aufgrund von Eingriffen durch Studio und Regie nicht so verfilmt wurde, wie er es sich vorgestellt hatte. Als Skript-Doktor konnte er für wenige Tage Hand anlegen, das Geld kassieren und ohne jede emotionale Verbindung zum Projekt wieder seines Weges ziehen.

    Robert Towne: Nur wenige Ausflüge in die Regie

    Neben seiner Arbeit als Drehbuchautor inszenierte Towne auch ein paar wenige Filme selbst. Sein Debüt als Regisseur gab er mit dem 1982 erschienenen „Personal Best“, der wahren Geschichte über die lesbische Liebe zwischen zwei Leichtathletinnen. Für Towne war die Arbeit keine freudige Erfahrung. Ein großer Hollywood-Streik unterbrach den Dreh. Das Projekt stand mittendrin deswegen sogar vor dem Aus. Der erfolgreiche Musikproduzent David Geffen sprang als Finanzier ein, doch Towne und er zerstritten sich. Später verklagte der Autor und Regisseur den Produzenten sogar auf 110 Millionen Dollar. Dabei ging es nicht nur um den Film selbst, sondern auch um die Drehbücher zu „Greystoke“ und „Tequila Sunrise“, die ihm Geffen unrechtmäßig abgeluchst habe. Von der Kritik wurde „Personal Best“ gefeiert, von Geffen selbst zerrissen, vom Publikum verschmäht.

    Bei dem erwähnten „Greystoke – Die Legende von Tarzan, Herr der Affen“ durfte Towne so nicht Regie führen, obwohl er es als sein Herzensprojekt verstand und dies seiner Meinung nach vereinbart war. Aus Verbitterung setzte er durch, dass nicht sein Name, sondern der seines Hundes Vazak im Vorspann gelistet wird. Er erklärte später, dass er nichts in seinem kreativen Leben so bedauere, wie die Weggabe von „Greystoke“, um „Personal Best“ zu retten. „Tequila Sunrise“ erlangte er dagegen wieder. Mit Mel Gibson, Michelle Pfeiffer und Kurt Russell in den Hauptrollen kehrte Towne so einige Jahre später auf den Regie-Stuhl zurück. Doch auch hier gab es wieder Streitigkeiten, weil das Studio sein düsteres Ende nicht akzeptierte. Immerhin wurde der Film zum kommerziellen Erfolg.

    Erst zehn Jahre später kehrte Towne mit dem 1998 veröffentlichten „Grenzenlos“ über den legendären Läufer Steve Prefontaine noch einmal auf den Regie-Stuhl zurück. 2006, als Towne eigentlich längst im Ruhestand war und nur noch gelegentliche Aufträge als Skript-Doktor übernahm, drehte er zudem noch „Ask the Dust“ mit Colin Farrell, Salma Hayek und Donald Sutherland. Die Romanverfilmung wollte er schon in den 1990er-Jahren gemeinsam mit Johnny Depp realisieren, fand damals aber keine Finanzierung. Als diese nun plötzlich klappte, wollte er sich nicht nehmen lassen, es selbst zu machen.

    Sein letztes Projekt: "Chinatown" mit David Fincher

    Zuletzt arbeitete Towne übrigens im hohen Alter doch noch mal. Er unterstützte „Fight Club“-Regisseur David Fincher bei dessen Versuch, eine Prequel-Serie zu „Chinatown“ für Netflix zu entwickeln. Im Mittelpunkt soll eine jüngere Version des von Jack Nicholson im Original verkörperten Jack Gittes stehen. Die Serie soll irgendwann bei Netflix erscheinen. Die Drehbücher sind wohl alle fertig und von Towne selbst abgenommen. Zuletzt schien es aber so, dass Fincher anderen Projekten den Vorzug gibt, wir auf die Umsetzung also noch etwas warten müssen.

    Womöglich können wir dann via Netflix in einigen Jahren aber sogar ein letztes Mal die Brillanz von Robert Towne in bewegten Bildern erleben.

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