Christopher Lee ist einem Großteil des Kinopublikums heute vor allem durch seine Darstellung des Saruman in Peter Jacksons bahnbrechender „Herr der Ringe“-Trilogie bekannt. Doch als er sich zum ersten Mal das Kostüm des bösen Zauberers überwarf, hatte der 2015 verstorbene Brite schon 55 Karriere-Jahre hinter sich, in denen er vor allem im Horror-Genre aktiv war. Seinen endgültigen Durchbruch feierte Lee im Jahr 1958 mit der Titelrolle im Hammer-Studios-Klassiker „Dracula“.
Mit insgesamt 266 (!) Filmen hält Christopher Lee bis heute einen Weltrekord, denn kein Schauspieler hat in einer vergleichbar großen Anzahl von Werken mitgewirkt. Unter so vielen Titeln den allerbesten herauszufischen, ist eine ziemlich schwere Aufgabe – doch Lee hat sie trotzdem gemeistert und den einen Film genannt, der für ihn aus seiner beeindruckenden Vita noch einmal ganz besonders herausragt. Viele „Herr der Ringe“-Fans dürfte es dabei überraschen, dass es sich dabei nicht etwa um eines der drei Fantasy-Epen handelt, sondern um einen Low-Budget-Horrorfilm aus den 70er Jahren, für den der Schauspieler nicht einmal bezahlt wurde.
Die Rede ist von „The Wicker Man“, nicht zu verwechseln mit dem Nicolas-Cage-Remake von 2006. Im Mittelpunkt des außergewöhnlichen Folk-Horror-Klassikers steht der Polizist Neil Howie (Edward Woodward), den es auf der Suche nach einem verschwundenen Mädchen auf die entlegene Insel Summerisle verschlägt. Schnell fällt ihm auf, dass irgendetwas mit der Dorfgemeinschaft nicht stimmt. Und nach und nach erfährt er auch den Grund dafür: Sämtliche Bewohner*innen gehören einem heidnischen Kult an, der von dem zwielichtigen Lord Summerisle (Lee) angeführt wird...
Wer den Film einmal gesehen hat, wird ihn mit Sicherheit nicht vergessen. Die befremdliche Atmosphäre, die bizarren Masken, unvermittelte Musical-Einlagen und vor allem das infernalische Ende brennen sich tief ins Gedächtnis ein. Erst einige Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung erlangte „The Wicker Man“ Kultstatus, und das, obwohl bis heute keine vollständige Fassung von ihm existiert: Das Original-Negativ gilt als verschollen, und keine der insgesamt drei erhältlichen Versionen (darunter die britische Kinofassung und ein acht Minuten längerer Director's Cut) enthält den Film in seiner ganzen Pracht.
„Ich glaube immer noch, dass er irgendwo in einer unmarkierten Dose existiert“, gab sich Lee im Interview mit Total Film hoffnungsvoll. „Ich glaube das immer noch, aber niemand hat ihn seither gesehen, also konnten wir keine neue Schnittfassung erstellen, was ich eigentlich immer machen wollte. Er wäre noch zehnmal besser gewesen.“
Doch obwohl von „The Wicker Man“ nur ein Torso existiert, hielt Lee ihn für seinen größten Film: „‚The Wicker Man‘ war der Film, nach dem ich am häufigsten gefragt wurde. Jetzt ist es ‚Der Herr der Ringe‘. Aber ich werde immer noch oft nach ‚The Wicker Man‘ gefragt, weil er einer der größten Kultfilme aller Zeiten geworden ist. […] Und ich habe immer gesagt, dass es der beste Film ist, den ich je gemacht habe, sogar in seiner geschlachteten Version.“
Christopher Lee wollte für "The Wicker Man" keine Gage
Das Budget des von Robin Hardy inszenierten Sekten-Schockers war äußerst knapp bemessen, doch Lee war so überzeugt von dem Projekt, dass er dafür sogar auf seine Gage verzichtete. „Sie haben mir nichts gezahlt“, bestätigte der „Star Wars“-Darsteller. „Ich wiederhole es immer wieder und die Leute glauben mir einfach nicht, dass das wahr ist. Dabei habe ich den Vertrag, um es zu beweisen. Wie auch immer, manchmal tut man Dinge aus Liebe. Wenn sie mir mein normales Honorar gezahlt hätten – und allen anderen ihr normales Gehalt –, hätten sie den Film nicht machen können.“
Man kann nur dankbar dafür sein, dass Lee auf seine Privilegien verzichtet hat, um die Entstehung des Films zu ermöglichen. Und wer weiß, vielleicht geht ja irgendwann auch noch sein Traum in Erfüllung und die verschwunden geglaubte Original-Version von „The Wicker Man“ taucht unerwartet wieder auf...
Wenn ihr wissen wollt, warum Christopher Lee die „Herr der Ringe“-Premiere boykottiert hat, lest auch den folgenden Artikel:
Ein ähnlicher Artikel ist zuvor auf unserer spanischen Schwesternseite Sensacine.com erschienen.
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