Dass „Begierde“ im Kino unterging, ist schade. Aber nicht schockierend. Ein Regiedebütant besetzt Pop-Revolutionär David Bowie in einem Vampirfilm und bietet dann kein poppiges Blutvergießen, sondern eine Berg-und-Talfahrt zwischen verträumt-intellektueller Reflexion über Treue sowie Unsterblichkeit einerseits, animalisch-gedankenloser Erotik andererseits? Das findet selbstredend Fans, war aber 1983 schwer zu vermarkten.
Vier Jahrzehnte später sieht das anders aus: Erotisch aufgeladener Horror hat eine bessere filmkulturelle Stellung, nachdenklicher Grusel erlebt seit Jahren ein Hoch, und der Ex-Niemand ist der nun schmerzlich vermisste Tony Scott. Jetzt bekommt das stylische Debüt des „Top Gun“-Machers sein wohlverdientes Heimkino-Upgrade: Am 10. Mai 2024 feiert „Begierde“ seine Blu-ray-Premiere – als Limited Edition im Mediabook!
Das limitierte 2-Disc-Set umfasst neben der Blu-ray auch eine DVD von „Begierde“. Auf beiden Scheiben befindet sich ein gemeinsamer Audiokommentar von Darstellerin Susan Sarandon und Tony Scott, zudem enthält das Mediabook ein 20-seitiges Booklet.
"Begierde": Liebe, Lust, Leiden
Miriam Blaylock (Catherine Deneuve) liebt die Renaissance und antiken ägyptischen Schmuck. Sie ist verheiratet mit John Blaylock (David Bowie), einem kultivierten, talentierten Musiker, der wie Miriam Freude am Partnertausch hat. Das Paar macht in einer New-Wave-Disco Jagd auf Frischfleisch. Um seinen sexuellen Drang zu befriedigen, und um seinen Blutdurst zu stillen. Denn Miriam und John sind Vampire – er seit dem 18. Jahrhundert, sie seit Jahrtausenden!
Während sie über ewige Jugend verfügt, zeigen sich bei John plötzlich rapide Alterserscheinungen. Also bittet das Paar die Forscherin Dr. Sarah Roberts (Susan Sarandon), Johns Alterungsprozess zu stoppen. Aber dann kommt Begierde auf. Unbändige Begierde, die Miriam und John rascher trennen könnte als das Altern...
Tony Scott war Fan der Schriftstellerin Anne Rice und wollte der Legende nach zu Karrierebeginn ihren Romanklassiker „Interview mit einem Vampir“ adaptieren. Dies blieb ihm verwehrt, jedoch wurde ihm dafür die Möglichkeit geboten, Whitley Striebers „The Hunger“ zu verfilmen.
Für die Filmgeschichte war dies eine Glücksfall. Schließlich kamen wir sowohl in den Genuss von Neil Jordans „Interview mit einem Vampir“-Verfilmung, die zurecht zum Klassiker aufgestiegen ist, als auch von Scotts elf Jahre älterem Vampirfilm „Begierde“. Dem ist Scotts Passion für Rices Interpretation des Vampir-Mythos anzumerken, da sich auch in ihm über negative Implikationen der Unsterblichkeit und die Fallstricke ewiger Jugend der Kopf zerbrochen wird.
Zugleich atmet „Begierde“ aber eine ganz eigene, offensiv-lüsterne Atmosphäre und ist derart in queerer Gothic-, New-Wave- und Post-Punk-Ästhetik getränkt, dass er sich nach seinem gefloppten Kinoeinsatz hochverdient Kultstatus erarbeitete.
Anziehendes Selbstbewusstsein, der Horror des Verrats
Bereits die eröffnende Club-Szene, inklusive Gastauftritt der finster-glamourösen Band Bauhaus, macht deutlich, welche Tonalität Scott verfolgt: Miriam und John sind ein recht einsames Paar – nicht nur aufgrund ihrer Vampir-Identität, sondern auch aufgrund ihrer Vorlieben abseits des Mainstreams. Nicht, dass sie sich deswegen schämen würden. Sie machen keinen Hehl daraus, wie sie ticken. Und wer nicht ihren Stil oder Vibe schätzt, dürfte zumindest aufgrund ihres Selbstbewusstseins stockenden Atem bekommen.
Da sie aber, lustvollen Abenteuern mit Fremden zum Trotz, nur sich haben, wenn es darauf ankommt, schmerzt es sehr, wenn die Trennung droht. Egal, ob durch Johns potentiellem Schicksal oder durch eine nach jahrhundertelanger Innigkeit auftauchende Gier nach Abwechslung, die mehr ist als ein beidseitig abgesegnetes Erotik-Stelldichein.
Die zerrissene Performance Bowies und das imposant-unangenehme Effektmakeup, das ihm „Scanners“-Schminkspezialist Dick Smith verpasst, führen dazu, dass diese Story als überhöhtes, makaberes Romantikdrama ebenso funktioniert wie als hormonell befeuerter Horror. Genauso eindrucksvoll sind die souveräne Darbietung Deneuves als intellektuelle, triebgesteuerte Vampirin und ihre Chemie mit Sarandon als wissbegierige Ärztin, die sich der Blaylock-Sogkraft nicht verwehren kann.
Und es wäre kein Tony-Scott-Film, hätte er keine sich ins Gedächtnis brennende Ästhetik: „Begierde“ hat zwar ein lüstern-schleichendes Erzähltempo, statt einer nach Musikvideo-Verwertung schreiende, rasant vermittelte Hochglanzoptik im Stil seiner späteren Hits. Wohl aber hat er einen stringenten Style, in dem man dank des Pacings mühelos versinken kann. Morbide, exzentrisch, heißkalt.
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