„Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ ist einer der legendärsten Science-Fiction-Filme überhaupt, der 1979 mit seinen fürs damalige Mainstream-Kino ungewohnt blutigen Körperhorror-Elementen einige Zuschauer*innen dazu brachte, schreiend aus dem Kinosaal zu flüchten (mehr dazu in diesem Artikel). Zugleich war Ridley Scotts stilprägendes Meisterwerk der Startpunkt für ein ganzes Franchise, das am 16. August dieses Jahres mit „Alien: Romulus“ bereits in die siebte Runde geht.
Doch was selbst viele Fans nicht wissen: Gleich zwei absolute Kult-Regisseure haben behauptet, dass sich Scott für „Alien“ großzügig bei ihnen bedient hat – sowohl David Cronenberg als auch David Lynch waren der Meinung, dass der Genre-Klassiker mit Sigourney Weaver ohne ihre Vorarbeit ganz anders ausgesehen hätte. Vor allem Cronenberg hat dabei nicht mit deutlichen Worten gespart...
Bereits 1979 – im Entstehungsjahr von „Alien“ – äußerte sich der Body-Horror-Meister gegenüber der Zeitschrift Fangoria wie folgt (via Espinof.com): „Es gibt keine Metaphysik, keine Philosophie. Die Kreatur ist am Ende ein Mann in einem Krokodilanzug, der eine Gruppe von Menschen durch einen Raum jagt. Ich glaube, meine eigenen Filme erreichen viel mehr, weil sie einen tiefen Nerv treffen, mehr einfordern als nur die Reaktion, dass man nicht von einem Krokodil gefressen werden möchte.
,Alien' war nichts weiter als ein 300.000-Dollar-B-Movie mit einem Budget von 10 Millionen Dollar. Der Parasit wird nicht metaphorisch verwendet, er wird nicht benutzt, um etwas zu evozieren. In ,Alien' hat John Hurt den Parasiten in sich und geht seinem normalen Leben nach. In ,Shivers' [Anm.: der in Deutschland unter dem Titel ,Parasiten-Mörder' veröffentlicht wurde] bleibt der Parasit in den Menschen und verändert ihr Verhalten und ihre Motive. Er wird mehr als nur zum reinen Schrecken eingesetzt.“
David Cronenberg äußert Plagiatsvorwürfe immer deutlicher
Später erinnerte sich Cronenberg daran, wie „Shivers“ auf einem Festival in Deutschland gezeigt wurde, ein Zuschauer empört aufstand und rief: „Wie können Sie es wagen, diesen Film zu zeigen? Es ist offensichtlich, dass Sie aus dem Film ,Alien' geklaut haben! Da kommen Parasiten [aus dem Körper] und es gibt Säure, die das Gesicht verbrennt, genau wie in ,Alien'!“ Auf Cronenbergs Einwand, dass „Shivers“ bereits 1975 gedreht wurde, soll der Zuschauer entgegnet haben: „Ah, jetzt wissen wir, wer der Dieb ist!“
Der „Videodrome“-Schöpfer wurde über die Jahre immer deutlicher, was seine Plagiatsvorwürfe angeht. Im Gespräch mit The Film Experience ging er näher darauf ein, warum er davon überzeugt war, dass „Alien“ tatsächlich von ihm abgekupfert hat: „In meinem Film ,Shivers' gibt es einen Parasiten, der in dir lebt und sich seinen Weg aus deinem Körper herausbrennt und auf dein Gesicht springt und dir die Kehle runterklettert. Ich weiß, dass Dan O'Bannon [einer der Drehbuchautoren von ,Alien'] meinen Film kannte. In so einem Fall wäre es nicht schlecht, wenn man ein wenig Anerkennung dafür bekäme. […] Ich habe es zuerst gemacht.“
Und auch im Buch „David Cronenberg: Interviews with Serge Grunberg*“ kam der 81-Jährige, der bei den kommenden Filmfestspielen von Cannes seinen neuen Film „The Shrouds“ vorstellen wird, auf das Thema zu sprechen: „Ich muss sagen, dass einige meiner Bilder, wie zum Beispiel der Parasit, in Filmen wie ,Alien' gelandet sind, die viel populärer waren als alle Filme, die ich je gemacht habe. […]
John Landis [Anm.: Regisseur von ,Blues Brothers' und ,American Werewolf'] erzählte mir, dass Dan sehr vertraut war mit dem, was er ,die kanadischen Filme' nannte, womit er ,Shivers' und ,Rabid' meinte […]. Und deshalb weiß ich, dass er die ganze Parasitensache […] geklaut hat. Dan O'Bannon leugnete später, diese Filme gesehen zu haben, aber John Landis schwört, dass er die ganze Zeit über sie gesprochen hat und sie sehr gut kannte.“ Diese Anschuldigungen wiederholte der „Die Fliege“-Regisseur später noch einmal in einem Gespräch mit Collider – das Thema scheint also tatsächlich auch Jahrzehnte später an ihm zu nagen...
Auch David Lynch erhebt Anschuldigungen – zumindest laut "Alien"-Designer HR Giger
Doch wie eingangs erwähnt, ist Cronenberg nicht der einzige, der Elemente aus seinen Filmen in „Alien“ wiedererkannt hat. Zwar kennen wir die Vorwürfe von David Lynch nur aus dritter Hand, dafür kommen sie aus mutmaßlich verlässlicher Quelle: Niemand Geringeres als HR Giger, der das berühmte Design für den Xenomorph entworfen und für „Der Wüstenplanet“ eine Zusammenarbeit mit dem „Mulholland Drive“-Macher angestrebt hat, hat in der Zeitschrift Cinefantastique über das Thema gesprochen.
„Über einige Freunde fragte ich Lynch, ob er an einer Zusammenarbeit mit mir interessiert sei“, so der Künstler, der auch an Filmen wie „Poltergeist II“ und „Species“ beteiligt war. „Doch ich habe nie etwas von ihm gehört. Später erfuhr ich, dass er verärgert war, weil er dachte, wir hätten das Alien-Monster von seinem Baby-Monster in ,Eraserhead' kopiert, was nicht stimmte. Ridley Scott und ich hatten den Film zu der Zeit noch nicht einmal gesehen. Wenn irgendein Film ,Alien' beeinflusst hat, dann war es ,Blutgericht in Texas'. Ich hätte gerne mit Lynch an ,Dune' gearbeitet, aber anscheinend wollte er alle Entwürfe selbst machen.“
Während Giger die Anekdote im Buch „The Complete Lynch"* wiederholte, stammt die einzige bekannte Aussage, die Lynch selbst zu dem Thema getroffen hat, aus dem Mitte der 80er Jahre erschienenen Filmjahrbuch Nr. 1. Darauf angesprochen, dass der Interviewer beim Anblick von „Alien“ sehr an „Eraserhead“ hätte denken müssen, antwortete Lynch folgendermaßen: „Sie mögen Recht haben. Aber ich bin nicht derjenige, der urteilt. Giger hat einmal gesagt, dass dies einer seiner Lieblingsfilme ist.“
Wie so oft liegt die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo dazwischen – weder der Meisterschaft von „Eraserhead“ oder „Shivers“ noch der Wirkmacht von „Alien“ tut das aber glücklicherweise einen Abbruch...
Dieser Artikel ist von einem Beitrag inspiriert, der bei unserer spanischen Schwesternseite Espinof.com erschienen ist.
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