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    Selbst Schuld: Wegen eurer Vorurteile verpasst ihr reihenweise Action-Perlen!
    Björn Becher
    Björn Becher
    -Mitglied der Chefredaktion
    Begonnen mit den Stunts von Buster Keaton über die Akrobatik bei Jackie Chan hin zur Brachialgewalt in „The Raid“: Björn Becher liebt Actionfilme.

    Es gab nie bessere Zeiten für Actionfans wie aktuell, ist sich FILMSTARTS-Redakteur Björn Becher sicher. Er freut sich über reihenweise Genre-Perlen, die viele von euch aber aufgrund ihrer Vorurteile verpassen...

    Tiberius Film

    Es ist gerade ziemlich toll, ein Actionfan zu sein. Im Kino hievt Tom Cruise die „Mission: Impossible“-Reihe in immer neue Höhen, aus aller Welt kommen abgefahrene Genre-Werke wie „RRR“ oder „Shin Ultraman“ zu uns und mit den Erfolgen der „John Wick“-Reihe wird eine ganz neue Form handfester Action immer populärer. Auf den Spuren von Chad Stahelski bekommen immer mehr schon lange in der Branche etablierte Stunt-Könner die Chance, wenn auch im Fall von Sam Hargrave („Extraction“-Reihe) oder J.J. Perry („Day Shift“) bislang „nur“ auf Netflix und nicht im Kino. Auch in Deutschland entwickelt sich in diese Richtung etwas und ich warte auf den Tag, an dem Can Aydin (Stunts und Action-Choreografie für Titel wie „Violent Night“ und „Obi-Wan Kenobi“) einen Langfilm inszenieren darf.

    Doch das ist gar nicht so neu, denn die Vorarbeit für diese aktuelle Ära der größeren Aufmerksamkeit für Action-Expertise wird seit Jahren geleistet – in einem Bereich, der so gerne unterschätzt und gebrandmarkt wird: dem Direct-to-Video-Segment!

    Direct-to-Video hat einen schlechten Ruf ...

    Den Direct-to-Video-Bereich gibt es seit den 1980er-Jahren. Er erwies sich schnell als Chance, mit der Veröffentlichung von günstiger produzierten Filmen direkt als VHS in Videotheken statt im Kino Geld zu verdienen. Zu Beginn funktionierten vor allem Sex und Action, später kam auch immer mehr Horror dazu.

    Über die Jahre wurde der Ruf von DTV-Titeln immer schlechter. Die Masse, die in den Markt gepumpt wurde, brachte ja auch wirklich viel Mist hervor. Heute, wo Videotheken und ihr begrenzter Platz Geschichte sind und Streamingdienste dominieren, erscheinen noch mehr Titel – damit natürlich auch mehr Mist.

    Das hat dazu geführt, dass „DTV“/„Direct to Video“ für viele schon ein Schimpfbegriff ist. Da werden in Diskussionen Filme damit abgetan, dass sie ja nichts taugen können, weil sie direkt im Heimkino erschienen sind. Oder es werden schlechte Kinofilme mit den Worten kritisiert, dass sie die Qualität eines Direct-to-Video-Films haben.

    … doch der ist nicht verdient

    Ich finde das sehr bedauerlich, weil gerade aktuell so viele Perlen im Direct-to-Video-Bereich erscheinen wie wahrscheinlich noch nie. Jahrelang wurde der Ruf auch durch Ex-Kino-Stars wie Steven Seagal, Bruce Willis oder ganz aktuell Mel Gibson ruiniert, die für einen dicken Scheck und wenig Arbeit mit ihrem Antlitz auf dem Blu-ray-Cover die Verkaufszahlen nach oben und gleichzeitig regelmäßig die Qualität des jeweiligen Films nach unten treiben.

    Aber daneben haben Leute in dem Bereich eine Nische gefunden, um wirklich harte und coole Action mit deutlich weniger Kompromissen zu machen, als sie im Kino-Studio-System eingehen müssten. Da ist ganz vorne natürlich ein Schauspieler wie Scott Adkins zu nennen, aber auch Regisseure wie John Hyams, Isaac Florentine oder Jesse V. Johnson, die mit ihren Ideen, Teams und Herangehensweisen dann durchaus auch Kino-Actionfilme beeinflussen.

    Der bereits aus dem Jahr 2012 stammende „Universal Soldier: Day of Reckoning“ ist ein Meisterwerk. Der Film widerlegt alle Vorurteile gegenüber DTV-Filmen, dass hier doch nur bekannte Marken („Universal Soldier“) und bekannte Gesichter (Jean-Claude Van Damme, Dolph Lundgren) genutzt werden, um schnell und einfach den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Stattdessen hat hier mit John Hyams ein innovativer Filmemacher diesen Rahmen genutzt, um kompromisslos seine ganz eigene Vision durchzuziehen.

    Universal Soldier - Day of Reckoning
    Universal Soldier - Day of Reckoning
    Starttermin 24. Januar 2013 | 1 Std. 54 Min.
    Von John Hyams
    Mit Jean-Claude Van Damme, Scott Adkins, Dolph Lundgren
    Pressekritiken
    3,7
    User-Wertung
    3,0
    Filmstarts
    4,0

    Isaac Florentine hat derweil einen eher schwachen Kinofilm (Walter Hills Box-Drama „Undisputed“ mit Wesley Snipes) genommen und daraus frei von den Fesseln einer Studio-Großproduktion im DTV-Markt mit gleich einer ganzen Reihe etwas viel Besseres zu erschaffen – mit dem ultra-harten Knast-Actioner „Undisputed III: Redemption“ als grandiosen Höhepunkt.

    Undisputed III: Redemption
    Undisputed III: Redemption
    Starttermin 25. Januar 2011 | 1 Std. 37 Min.
    Von Isaac Florentine
    Mit Scott Adkins, Mykel Shannon Jenkins, Mark Ivanir
    User-Wertung
    3,8

    Und kaum ein Regisseur versteht es so gut wie Jesse V. Johnson, regelmäßig Filme so aussehen zu lassen, als hätten sie das Vielfache ihres tatsächlichen Budgets gekostet. Selbst wenn ein Titel von ihm nur mittelmäßig ist (wie zuletzt „White Elephant“), hat er ein paar kurze Actionszenen, die nach mehr aussehen (und zudem verstand er es als einziger Regisseur in den vergangenen Jahren, Bruce Willis gut aussehen zu lassen). Mit „Avengement“ gelang ihm 2019 sogar ein richtig grandioser Reißer.

    Avengement - Blutiger Freigang
    Avengement - Blutiger Freigang
    Starttermin 27. Juni 2019 | 1 Std. 26 Min.
    Von Jesse V. Johnson
    Mit Scott Adkins, Craig Fairbrass, Thomas Turgoose
    User-Wertung
    3,1
    Im Stream

    Natürlich möchte ich den Artikel nun auch nutzen, um nicht nur diese (hoffentlich einigen von euch dann doch schon bekannten) Klassiker des DTV-Actionkinos aufzuzählen. Schließlich erscheint regelmäßig starke Kost. Ganz vorne aus der jüngsten Vergangenheit sind da der ohne einen sichtbaren Schnitt gedrehte „One Shot“ und das gerade erst veröffentlichte Sequel „One More Shot“ von James Nunn zu nennen. In Kürze gibt es zudem William Kaufmanns „The Channel – Waffenbrüder“ (siehe Artikelbild) endlich auch in Deutschland. Außer „The Town“ kam kein US-Film so nah an die Intensität des großen Schusswechsels in Michael Manns Meisterwerk „Heat“ – und ausgerechnet ein DTV-Film mit Mini-Budget macht das gleich mehrfach, verpackt es zudem durch eine unglaublich intensive Inszenierung in einen unglaublich spannenden Trip.

    Es gibt noch mehr Vorurteile

    Ich weiß, was einige von euch denken. DTV-Filme erzählen doch bekannte, schon x-mal gesehene und damit ausgelutschte Geschichten. Die Dialoge sind doch meist eher simpel und richtig grandiose Schauspielleistungen bekomme ich nicht. Natürlich. Viele (nicht alle) Geschichten hat man so oder so ähnlich schon mal gesehen. Jemand muss Rache üben, ist in bester „Stirb langsam“-Manier zur falschen Zeit am falschen Ort oder will einfach nur ein besseres Leben für sich und seine Familie. Fein geschliffene Dialogwechsel aus der Feder eines Aaron Sorkin sollte man nicht erwarten und es hat schon einen Grund, dass Scott Adkins wahrscheinlich nie einen Oscar als Bester Hauptdarsteller gewinnen wird. Aber who cares bei einem Action-Kracher, wenn es dafür so richtig rummst, man Schläge, Explosionen und Schusswechsel förmlich spürt und einen all das auch emotional mitreißt?

    „Dune 2“-Regisseur Denis Villeneuve hat jüngst beklagt, dass TV-Serien das Publikum versaut hätten, weil es nun nach Story, nach Erklärungen, nach ausführlichen Dialogen giert. „Ich bin nicht an Dialogen interessiert“, erklärte er daraufhin. „Ich erinnere mich nicht an Filme aufgrund einer guten Dialogzeile, ich erinnere mich an Filme aufgrund starker Bilder“, führte er zudem aus und stellte dann fest: „Reine Bilder und Sounds, das ist die Macht des Kinos“ – und ich nehme mir die Freiheit, dies trotz Villeneuves Begriff „Cinema“ gerade auf gute Direct-to-Video-Filme zu erweitern (insbesondere auf Actionfilme).

    Gerade die vielen sogenannten B-Movie-Regisseure wie die in diesem Artikel erwähnten John Hyams, Isaac Florentine, Jesse V. Johnson, James Nunn oder William Kaufman, aber auch ihre in diesem Artikel unterschlagenen Action-Choreografen und Stunt-Crews verstehen das. Sie nutzen vor allem Bilder sowie Sound und nicht Story und Exposition, um einen Film großartig zu machen. Sie finden regelmäßig neue Wege, Action abwechslungsreich zu inszenieren und das Publikum spüren zu lassen. Dafür liebe ich den DTV-Bereich (und übrigens auch innovatives Action-Kino aus der ganzen Welt – das wäre aber noch mal ein ganz neuer Artikel), freue mich dort über Neuentdeckungen und wühle mich dafür auch gerne durch viele schwächere Filme.

    Netflix enttäuscht mich als Action-Fan: Man hätte ein Genre zelebrieren können, es wurde ein unwürdiges Schauspiel
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