„Napoleon“-Regisseur Ridley Scott hat zwar bisher weder einen Oscar gewonnen, noch ist es je einem seiner Filme gelungen, die magische Marke von einer Milliarde Dollar an den Kinokassen zu nehmen. Doch was Scott an solchen Errungenschaften missen lässt, macht er mit zum Klassiker aufgestiegenen Filmen wett. Unter anderem inszenierte er „Thelma & Louise“, „Gladiator“ sowie die Sci-Fi-Meilensteine „Alien“ und „Blade Runner“.
Was aber oft untergeht: Ridley Scott gewann einst bei den Filmfestspielen von Cannes die Auszeichnung für den besten Debütfilm! Nämlich mit dem bildgewaltigen Historien-Epos „Die Duellisten“, das nicht zuletzt dank seiner Kampfszenen mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Falls ihr den Film nachholen (oder mal wieder gucken) möchtet: „Die Duellisten“ ist als VOD bei Amazon Prime Video zum Leihen und Kaufen verfügbar.
"Die Duellisten": Ein Hitzkopf und ein eitler Geck im ewigen Zwist
Leutnant Gabriel Feraud (Harvey Keitel) ist ein Choleriker und daher Fluch und Segen für die französische Armee: Einerseits zeigt er während der Napoleonischen Kriege unerbittlichen Einsatz, andererseits riskiert er aufgrund seiner zornigen Art unnötig Kopf und Kragen. Auch außerhalb der Schlacht ist er überaus reizbar, sucht unentwegt Streit, um sich anschließend beim Verteidigen seiner Ehre einen neuen Adrenalinkick zu ermöglichen.
Eines Tages kriegt er sich mit einem anderen Leutnant in die Haare: Dem eitlen Pfau Armand D’Hubert (Keith Carradine), mit dem er eine langlebige Feindschaft vom Zaun bricht. Andauernd fordern sie sich vom Neuen zum Duell auf. Irgendwann muss dieser Zwist auf ewig beendet werden...
Eine der bildgewaltigsten Szenen im "Napoleon"-Film von Ridley Scott ist so in Wahrheit nie passiert!„Die Duellisten“ basiert auf einer Kurzgeschichte des polnisch-britischen Schriftstellers Joseph Conrad, der sich von einer wahren, aber bloß rudimentär überlieferten Begebenheit inspirieren ließ. Daher erfand Conrad den Großteil seiner Kurzgeschichte, so wie sich daraufhin Drehbuchautor Gerald Vaughan-Hughes bei der Adaption seine Freiheiten erlaubte. Dessen ungeachtet legte Ridley Scott beim wichtigsten Aspekt des Films Augenmerk auf historische Genauigkeit:
Zugunsten der Spannung, und auch um das Publikum mit raffinierten Kampf-Choreografien zu beeindrucken, haben Filmkämpfe normalerweise eine gewisse Grazie an sich. Sei es ein kunstvoller, behänder Umgang mit dem Säbel (oder Degen oder Schwert oder...), ein selbstsicherer Einsatz von Schusswaffen oder ein packendes, ausdifferenziertes Handgemenge. Somit sind Duelle in Filmen mit Historien-Setting weit von der Realität entfernt.
In Wirklichkeit waren Duelle oftmals klobige, ungelenke Angelegenheiten: Zwei emotionale Menschen mit oftmals nicht gerade zuverlässigen Waffen stürmen aufeinander zu, und sobald einer ernsthaft getroffen wurde, war Schluss. Es sei denn, es kam zu keiner schweren Verletzung – dann arteten sie zu würdelos-unkoordinierten Kämpfen aus, die damit endeten, dass die Duellanten vor Erschöpfung zusammensacken.
So was wird im Kino zumeist vermieden, doch Ridley Scott und Kampf-Choreograf William Hobbs („Willow“) stürzen sich bei „Die Duellisten“ mit vollem Eifer auf diese eigentlich unfilmische Wirklichkeit.
Filmisch eindrucksvoll, gerade weil es so unfilmisch ist
Das Ergebnis ist ungewohnt, jedoch auch dank der Vehemenz, mit der es verfolgt wird, überaus kraftvoll: Die zunehmend sinnloseren Duelle zwischen Draufgänger Gabriel Feraud und Schnösel Armand D’Hubert sind impulsive, garstige Gewaltexplosionen ohne Anstand und Sportlichkeit – und prägen sich als solche enorm ein.
Dazu trägt auch die imposante Bildsprache von „Die Duellisten“ effektiv bei: Scott ließ sich von Stanley Kubricks „Barry Lyndon“ inspirieren, einem in Kerzenschein und schummriger Sonne gehüllten Meilenstein des Historien-Kinos. Eine weitere Inspirationsquelle waren prägende britische Landschaftsmaler des 18. und 19. Jahrhunderts: Scott und sein Kameramann Frank Tidy („Alarmstufe: Rot“) setzen auf spröde Natur sowie markante Licht- und Farbtupfer, was zu wortwörtlich bildschönen Landschaftsaufnahmen führt.
Diese stehen im Gegensatz zum Inhalt des Films und unterstreichen ihn zugleich: Die Natur in „Die Duellisten“ ist genauso überwältigend wie die die Feindschaft zwischen den zentralen Figuren. Doch die harmonische, hübsche Inszenierung konterkariert die brutale, ungestüme Handlung. Es ist ein bereicherndes Paradoxon, durch das Scott seinem Film die Kultiviertheit verleiht, die den Protagonisten abhanden gekommen ist.
Eine späte Ergänzung
Zwar erhielt „Die Duellisten“, Auszeichnung in Cannes hin oder her, in vergangenen Jahren nicht die verdiente Aufmerksamkeit. Jedoch schuf Scott kürzlich den idealen Begleitfilm zu seinem Debüt: „The Last Duel“, ein weiterer in Kapiteln erzählter Historienstoff.
Darin spielen Matt Damon und Adam Driver zwei zu Feinden gewordene Weggefährten, und wieder einmal stellen fragile Egos die erzählerische Triebfeder dar. Dennoch ist der Film keine reine Wiederholung, sondern ergänzt Scotts Blick auf kampflüsterne Männer um wichtige, neue Komponenten. „Die Duellisten“ und „The Last Duel“ ergeben daher zwar kein aufmunterndes, aber ein reizvolles Double Feature.
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