Nicolas Cage IST der Film!
Von Oliver KubeYuval Adler hat sich den Titel seines Thrillers von den Rolling Stones entliehen: In dem 1968 erschienenen Song „Sympathy For The Devil“ singt Frontmann Mick Jagger aus der Sicht des Leibhaftigen höchstpersönlich – er sei halt eine komplexe Person und die bösen Taten lägen einfach in seiner Natur, weshalb er sich von den Menschen doch ein bisschen mehr Mitgefühl erbitten würde. Schließlich täte ein wenig von ihm ja auch in jedem von uns stecken.
Die Entscheidung, welche der beiden Hauptfiguren nun der titelgebende Teufel ist und ob er tatsächlich unsere Sympathie verdient, überlässt der „Die Agentin“-Regisseur am Ende von „Sympathy For The Devil“ ganz dem Publikum. Und auch sonst bleibt vieles ambivalent oder gleich ganz offen – was dem Film nicht unbedingt zum Vorteil gereicht. Der (einzige?) große Trumpf des Films ist derweil Nicolas Cage. Der Oscargewinner (für „Leaving Las Vegas“) gibt einmal mehr alles und macht die eineinhalb Stunden so zumindest für seine Fans zur Pflichtveranstaltung.
Nicolas Cage, wie wir ihn kennen und lieben!
Las Vegas: David Chamberlain (Joel Kinnaman) macht sich auf den Weg zum Krankenhaus, in dem seine schwangere Frau in den Wehen liegt. Während er in der Parkgarage der Klinik noch nach einem freien Platz sucht, steigt plötzlich ein fremder Typ (Nicolas Cage) zu ihm in den Wagen auf die Rückbank. Er zückt einen Revolver und verlangt, dass der Familienvater wieder zurück auf die Straße fährt.
David leistet geschockt Folge, woraufhin sich ein zunächst nur mit Dialogen, bald aber auch handgreiflich ausgetragenes Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Männern im Auto entwickelt. Der ungebetene Passagier will unbedingt nach Boston. Zudem besteht er darauf, dass David zugibt, selbst einmal in das organisierte Verbrechen in der Zielstadt verwickelt gewesen zu sein – obwohl der Entführte felsenfest darauf schwört, absolut nichts damit zu tun zu haben…
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Große Teile des nahezu in Echtzeit ablaufenden „Sympathy For The Devil“ spielen im Auto. Aber selbst in diesem beengten Szenario schafft es Nicolas Cage, seine Figur derart übergroß wirken zu lassen, dass man fast das Gefühl bekommt, sie würde gleich von der Leinwand ins Publikum springen. Der Film läuft schon knappe acht Minuten, als seine namenlose Figur zum ersten Mal auftaucht. Bis dahin wirkt das Ganze sehr gedämpft, fast schon schläfrig. Die Informationen, die wir über den von Joel Kinnaman nüchtern gespielten David erhalten, sind karg: Er geht einem nicht weiter beschriebenen Beruf nach, scheint seine Familie zu lieben und sich Sorgen wegen der bevorstehenden Entbindung zu machen. Das war‘s – so weit, so generisch.
Aber dann kommt Cage – und endlich passiert etwas! Gleich der erste Auftritt des Meisters dürfte all seinen Anhängern sofort ein Strahlen ins Gesicht zaubern – so „klassisch Cage“ ist er geraten: Mit einem extravaganten Sakko, einem überenthusiastisch-irren Blick, karminrot gefärbten Haaren sowie erratischen Bewegungen wirkt der Namenlose zunächst wie eine in die Jahre gekommene Version von Sailor, den Cage 1990 in David Lynchs Kult-Klassiker „Wild At Heart“ verkörperte. Und ja, singen und tanzen darf er im weiteren Verlauf ebenfalls noch – diesmal allerdings keine Elvis-Nummer, sondern den herrlich kitschigen Disco-Stampfer „I Love The Nightlife“ von LGBTQ+-Ikone Alicia Bridges.
Ist doch klar, dass hinter David Chamberlain (Joel Kinnaman) noch sehr viel mehr steckt als nur ein durchschnittlicher Familienvater.
Die Thriller-Handlung hat unterdessen wenig zu bieten – und ist deshalb zwingend auf Cages wahnsinniges Minenspiel, seine exzentrischen Ausbrüche sowie die über weite Strecken offenbar improvisierten Monologe angewiesen, um das Publikum bei der Stange zu halten. Der von Drehbuchautor Luke Paradise entworfenen Story wäre das allein nämlich kaum gelungen: Von Anfang an ist klar, dass der so harmlos dargestellte Fahrer ganz sicher nicht harmlos ist. Bis wir mit seiner abgründigeren Seite Bekanntschaft machen dürfen, unterhält sein Gegenüber uns (und vor allem auch sich selbst) mit so wild-abgefahrenen wie größtenteils wohl frei erfundenen Schwänken aus seiner Vergangenheit, während ansonsten – mit Ausnahme einer recht trocken abgewickelten Begegnung mit einem Cop – kaum etwas passiert.
Etwas mehr inszenatorischen Schwung gibt es erst nach etwa der Hälfte der Laufzeit, als die Männer an einer Raststätte halten, um dort ein gegrilltes Thunfisch-Käse-Sandwich zu sich zu nehmen. Hier haben Regisseur Adler und sein Chef-Kameramann Steven Holleran etwas Raum, um uns mehr als sich träge abwechselnde Close-Ups und Drohnenaufnahmen eines nächtlichen Highways zu zeigen.
Die Diner-Sequenz beginnt auch recht vielversprechend – nicht zuletzt, weil mit der schnippischen Kellnerin (Alexis Zollicoffer) und dem mürrischen Koch (Burns Burns) zwei neue Figuren mit Potential eingeführt werden. Dieses wird letztlich aber ebenso vergeudet wie die sich schon regelrecht aufdringlich ankündigende Auflösung der Identitäten und Motivationen des Protagonisten-Duos. Ausgerechnet der Showdown wirkt dann nämlich – nachdem der Film lange nicht aus den Puschen gekommen ist – plötzlich überhastet.
Fazit: Als bloßer Thriller wäre „Sympathy For The Devil“ wohl mit dem Prädikat „lau“ passend umschrieben – und das entspräche exakt der FILMSTARTS-Wertung von 2 von 5 Sternen. Allerdings gibt es in diesem Fall noch mal ein ganzes Bonussternchen obendrauf – und zwar einzig und allein für den immens unterhaltsamen Nicolas „der personifizierte Wahnwitz“ Cage!
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