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    Ein Fest fürs Leben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Ein Fest fürs Leben

    Ziemlich beste Hochzeitsplaner

    Von Markus Tschiedert

    Früher schaute vor allem Hollywood gerne nach Frankreich, um dortige Komödien-Hits neu aufzulegen: So wurde „Ein Elefant irrt sich gewaltig“ (1976) zu „Die Frau in Rot“ mit Gene Wilder, „Ein Käfig voller Narren“ (1978) zu „The Birdcage“ mit Robin Williams und „Der Boß“ (1985) zu „Ein verrückt genialer Coup“ mit Bill Murray. Auch der Mega-Erfolg „Ziemlich beste Freunde“ bekam sein US-Remake – als „Mein Bester & ich“ mit Kevin Hart und Colin Firth. Zuletzt schielten allerdings auch immer häufiger deutsche Filmschaffende zu unseren westlichen Nachbarn hinüber – immer auf der Suche nach Komödien-Perlen, die sich auch für den hiesigen Kinomarkt anbieten könnten. Dabei kam erstaunlich häufig Christoph Maria Herbst zum Zuge – in den drei größten Produktionen dieser Art hat jeweils der „Stromberg“-Star die Hauptrolle übernommen!

    Los ging es 2018 mit „Der Vorname“ (basierend auf dem gleichnamigen französischen Original von 2012), bevor Herbst dann für „Contra“ (basierend auf „Die brillante Mademoiselle Neïla“) sogar mit dem Ernst Lubitsch Preis für die beste komödiantische Leistung in einem deutschsprachigen Kinofilm ausgezeichnet wurde. Aber aller guten Dinge sind bekanntlich drei – und so folgt nun „Ein Fest fürs Leben“. Pate stand dafür die turbulente Hochzeits-Komödie „Das Leben ist ein Fest“ (2017) von den „Ziemlich beste Freunde“-Regisseuren Olivier Nakache und Éric Toledano. Zwar ist die deutsche Titelabwandlung alles andere als originell (und zugleich so nah am Original, dass man leicht durcheinanderkommt). Ansonsten ist dem deutsch-französischen Regisseur Richard Huber, der bisher vorwiegend fürs Fernsehen („Tatort“) tätig war, aber tatsächlich der bessere Film gelungen – und das, obwohl er nur minimal von der Originalstory abweicht.

    Dieter Salzmann (Christoph Maria Herbst) versucht alles, um sein Team in der Spur zu halten – aber an diesem Tag läuft einfach alles schief…

    Der Veranstaltungsunternehmer Dieter Salzmann (Christoph Maria Herbst) hat die Faxen dicke. Gerade muss er mit einem besonders geizigen Pärchen (ein köstlicher Gastauftritt von Wotan Wilke Möhring & Bettina Lamprecht) noch ums letzte Lachsbrötchen feilschen, da ereilt ihn auch schon der nächste Ärger: Die Vorbereitungen für die pompöse Hochzeitsfeier von Lasse (Ulrich Brandhoff) und Leonie (Mira Benser) auf einem Schloss verlaufen nicht nach Plan.

    Statt Roastbeef wurde Lamm geliefert, sein Team tanzt ihm auf der Nase herum, und der Bräutigam heizt die allgemeine Angespanntheit mit seiner Arroganz noch zusätzlich auf. Aber schlimmer geht bekanntlich immer: Dieters kellnernder Schwager Florian (Johannes Allmayer) baggert die Braut an, das Hauptmenü ist verdorben und führt zu einer Lebensmittelvergiftung, und als dann auch noch der Strom ausfällt, wird‘s richtig düster. Lässt sich da überhaupt noch was retten?

    Verdammt gut geklaut

    Auf dem ersten Blick scheint Richard Huber „nur“ eine Kopie des Originals hergestellt zu haben. Aber der Eindruck trügt. Zwar hat er das Handlungsgerüst fast komplett übernommen, aber hier und da gibt es eben doch kleine, aber durchaus entscheidende Unterschiede. Man könnte fast sagen: Nakache und Toledano haben mit „Das Leben ist ein Fest“ einen Diamanten gehoben, aber erst Huber hat ihm mit seiner Version den nötigen Feinschliff gegeben – indem er etwa die flacheren Sprüche weglässt, alle guten Gags aber treffsicher übernommen hat. Dazu gehören Running-Gags wie die Schlafanzughose des liebestoll-deprimierten Schwagers oder die Wortwitze, wenn sich Herbst beim SMS-Schreiben dank Autokorrektur ständig vertippt und dabei die frivolsten Doppeldeutigkeiten herauskommen.

    Auch der Slapstick sitzt, etwa wenn der für eine Ballettperformance an einem Ballon befestigte Bräutigam unkontrolliert davonschwebt – und natürlich die massenhafte Situationskomik, die sich schon daraus nährt, dass das Serviceteam die ganze Zeit damit beschäftigt ist, das allumfassende Chaos hinter den Kulissen bestmöglich zu verbergen. Hier schimmert dann auch ein Hauch von Sozialkritik durch: Während die betuchten Gäste protzen, müssen die Servicekräfte klotzen. Im Zentrum stehen aber all die plötzlich auftauchenden Probleme mit der Hochzeitsfeier – und fast noch mehr all die skurrilen Charaktere, die das Fest trotzdem noch irgendwie am Laufen halten müssen. Denn hier steckt nun mal das Potential für eine Komödie.

    Für die Eheleute Lasse (Ulrich Brandhoff) und Leonie (Mira H. Bender) soll es der schönste Tag ihres Lebens werden – aber da ergeben sich zunehmend immer mehr Fragezeichen!

    Natürlich gab es das sehr ähnlich auch in „Das Leben ist ein Fest“ – und doch ist „Ein Fest fürs Leben“ der eloquentere Film. „Läuft!“, rufen sich diesmal die Teammitglieder permanent zu, um zu signalisieren, dass alles verstanden wurde. Und „Läuft!“ trifft auch auf die Neuverfilmung zu. Alles kommt wunderbar in den Fluss. Zum einem, weil das Timing stimmt, zum anderen, weil sich Huber mehr als seine französischen Kollegen traut, Übertreibungen und Zuspitzungen zuzulassen. Etwa wenn sich die Musiker beim (vorherigen) Verzehr des vergammelten Lammfleischs den Magen verderben.

    Da liegen sie hier nicht nur leidend in einem Flur herum, sondern die Szene spielt dort, wo sie hingehört: auf dem Klo mit entsprechender Geräuschkulisse! Das ist derb, aber konsequent – und trifft womöglich auch mehr den deutschen Humor. Sowieso lernt man im Vergleich einiges über die feinen Unterschiede zwischen den Nationen: Wo der Franzose mit zunehmenden Alkoholgenuss anfängt, mit der Stoffserviette rumzuwedeln, reiht sich der Deutsche in eine Polonaise (natürlich nach Blankenese) ein, um die Partylaune weiter anzuheizen.

    Das Team rockt nicht nur die Hochzeit – sondern auch den Film!

    Ein weiterer Grund, warum es für das Remake so gut läuft, liegt auch daran, dass die Charaktere noch besser ausgefeilt sind. Überhaupt lebt „Ein Fest fürs Leben“ von der Ensembleleistung: Ob Jörg Schüttauf („Vorwärts immer“) als sich durchs Büffet fressender Fotograf, Marc Hosemann („Sophia, der Tod und ich“) als spleeniger DJ oder Cynthia Micas („Barbaren“) als streitbare Eventmanagerin – sie alle haben die eine skurrile Ecke und die andere emotionale Kante. Herzstück aber ist und bleibt Christoph Maria Herbst, der als Leitfigur den Film auf seinen Schultern trägt.

    Hin und wieder geht er zwar mit sarkastischen Seitenhieben in den „Stromberg“-Modus über (vielleicht auch, weil man das ganz einfach von ihm erwartet). Die meiste Zeit aber überzeugt er aber als frustrierter und zugleich melancholischer Problemlöser. Dafür wird seine Figur Dieter mit einer Lovestory belohnt, die sich viel geschmeidiger in einen Wohlfühlfilm einfügt als der Seitensprung im Original – vielleicht sind wir da hierzulande auch einfach nur spießiger als unsere Nachbarn, aber so zart am Rande miterzählt wie hier geht die kleine Romanze (nur Stunden, nachdem ihm seine Frau ihren Scheidungswunsch mitgeteilt hat) tatsächlich zu Herzen…

    Fazit: Die Franzosen mögen vielleicht die besseren Komödien erfinden, aber hin und wieder kann ein Deutscher sie noch besser umsetzen. Zumindest wenn Christoph Maria Herbst mit seiner Sprach- und Schlagfertigkeit an Bord ist, der erneut ein saukomisches Schauspielensemble anführt – und wenn das französische Original so treffsicher und humanistisch eingedeutscht wurde wie in diesem Fall von Richard Huber.

     

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