Was ist im Tresor?
Von Oliver KubeHome-Invasion-Thriller sind deshalb so angsteinflößend, weil wir uns als Zuschauer*innen besonders leicht in die Rolle des Opfers hineinversetzen können. Fast jeden Tag klingelt jemand an unserer Tür, den wir nicht kennen. Zum Glück ist es meist nur die Paketbotin, ein Typ, der Werbeprospekte in die Briefkästen stopfen will, oder Kinder, die sich einen Scherz erlauben. Aber was würden wir tun, wenn eine Gruppe maskierter Unbekannter in unser Heim kommt und ohne ersichtlichen Grund versucht, uns zu töten? Oder sich eine Familie, die genauso aussieht wie wir, aber doch ganz anders ist, einfach aufs Sofa setzt und damit beginnt, scheinbar unzusammenhängendes, aber verdammt bedrohlich klingendes Zeug zu reden? Und was zur Hölle könnten wir schon gegen zwei mit Golfschlägern bewaffnete Yuppie-Männer ausrichten, die nebenan wohnen und sich eigentlich nur ein paar Eier leihen wollten, uns nun aber einem perfiden, noch dazu ziemlich blutigen Psychoterror aussetzen?
An die gerade angerissenen Genre-Highlights „The Strangers“, „Wir“ und „Funny Games“ kommt der vom Franzosen Julius Berg inszenierte „The Owners“ nicht heran. Das Werk des bisher ausschließlich mit Fernsehserien wie „Die purpurnen Flüsse“ beschäftigten Regisseurs kann weder in Sachen Intensität noch in puncto Bosheit, Brutalität oder Originalität mit den Vorbildern mithalten. Für einen unterhaltsamen, streckenweise sogar überraschend amüsanten Abend im Kino oder vor dem heimischen Bildschirm ist der auf der Graphic Novel „Vollmondnacht“ basierende Film aber ziemlich gut zu gebrauchen.
Mary (Maisie Williams) ist eigentlich nur mitgegangen, um eine Eskalation zu verhindern ...
England in den 1990ern: Mary (Maisie Williams) sitzt in einem trostlosen Kaff irgendwo im provinziellen Nirgendwo fest. Ihr arbeitsscheuer und zu Gewaltausbrüchen neigender Lover Nathan (Ian Kenny) ist da genauso wenig eine Hilfe wie dessen Kumpels Gaz (Jake Curran) und Terry (Andrew Ellis). Da bekommt Mary zufällig mit, dass die drei Tagediebe planen, das prächtige Landhaus von Dr. Huggins (Sylvester McCoy) und seiner Frau (Rita Tushingham) auszurauben. Da sie den Doktor samt Gattin mag und Nathan das Ganze nicht ausreden kann, geht sie lieber mit, um Schlimmeres zu verhindern. Doch als die Bewohner heimkommen und sich trotz massiver Bedrohung verzweifelt weigern, die Tür-Kombination des riesigen Safe-Raumes in ihrem Keller herauszurücken, kommt es zur Katastrophe. Allerdings ganz anders, als Mary es befürchtet hatte…
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Zunächst hängen die drei jungen Männer einfach nur in einem schäbigen Kleinwagen ab und quatschen. Dabei verspricht vor allem Gaz, der von Jake Curran („Dragonheart 3“) mit Anleihen an klassische Guy-Ritchie-Filme wie „Bube, Dame, König, grAS“ verkörpert wird, eine wirklich interessante, auf vielschichtige Weise bedrohliche Figur zu werden. Zwar geizt er nicht mit schnippischen Bemerkungen, aber zugleich erfahren wir über ihn von allen zentralen Figuren am wenigsten. Allerdings schöpfen Regisseur Berg und sein Co-Autor Mathieu Gomple („Les Petit Princes“) dieses Potential mit ihrem Drehbuch dann doch nie aus. Denn ab dem Moment, wenn die Einbrecher das Haus betreten, mutiert Gaz dann plötzlich doch noch zu einem enttäuschend plumpen, weil eindimensionalen und jederzeit vorhersehbar agierenden Psychopathen.
So ist dann weder Gaz noch die von „Game Of Thrones“-Star Maisie Williams solide gespielte Mary, sondern der von „Der Hobbit“-Zauberer Sylvester McCoy virtuos verkörperte Doktor, der zum eindeutigen Star der fast ausschließlich in den Mauern des Huggins-Anwesens stattfindenden Ereignisse avanciert. Zunächst als harmlos liebenswerter, fast schon etwas einfältig daherkommender Ü70-Landarzt präsentiert, zeigt er recht früh im Laufe der 92 Minuten, dass viel Düsteres und Durchtriebenes in ihm steckt. Wobei das Skript hier ebenfalls Schwächen offenbart. Denn spätestens als der Doc darauf besteht, er müsse mit einem der im Rahmen einer Auseinandersetzung schwer verletzten Kriminellen unbedingt allein im Raum sein, um ihm helfen zu können, dürften selbst die Unbedarften im Publikum misstrauisch werden. Die Freunde des mit einem Messer im Bauch auf dem Tisch liegenden Einbrechers sind hingegen zwar um dessen Wohl besorgt und irritiert, schöpfen aber zunächst keinerlei Verdacht, dass sich dunkle Motive hinter der zur Schau gestellten Hilfsbereitschaft verbergen könnten.
... aber dann endet die Nacht doch in purem Horror - wenn auch ganz anders als erwartet.
Es ist ohnehin ein wenig schade, dass der Filmemacher sein Publikum mehrfach unterschätzt und diesem anscheinend nicht zutraut, selbständig die von ihm gestreuten Hinweise zu einem Ganzen zusammenzufügen. Immer wieder liefert er überflüssige Erklärungen nach, die dazu führen, dass das Finale leider keine allzu großen Überraschungen mehr birgt. Dabei hat Berg ansonsten – vor allem dank Ben Bairds („Lady Macbeth“) exzellente-atmosphärischem Sound-Design sowie den im letzten Drittel vom Breitwand-Format in ein klaustrophobisch-enges 1.37:1-Verhältnis wechselnden Bildern von Chef-Kameramann David Ungaro („Mary Shelley“) – auch eine ganze Menge richtig gemacht, um die Spannung anzuheizen.
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Ach ja, um falschen Erwartungen vorzubeugen: Der Trailer lässt „The Owners“ wie eine durchgehend ernste Angelegenheit erscheinen. Dem ist nicht so. Denn der Film bietet auch einige amüsante, schwarzhumorig und absurd anmutende Momente. Diese gehen hauptsächlich auf die Konten der leicht dementen Mrs. Huggins (Rita Tushingham aus „Doktor Schiwago“), des trotteligen Terry (richtig schön deppert: Andrew Ellis) und – zumindest zu Beginn – der krassen Persönlichkeit von Gaz.
Den Film deshalb als Komödie zu kategorisieren, wäre dennoch übertrieben. Dazu sind diese Einlagen zu rar gesät und nicht durchgehend komisch genug. Dank ihnen ist der Thriller aber längst nicht so düster, intensiv und radikal, wie er in der zweiminütigen Vorschau erscheint. Schon deshalb fällt es einem leichter, dem einen oder anderen Charakter die Daumen zu drücken beziehungsweise mit fortschreitender Laufzeit auch mal spontan die Sympathie-Seite zu wechseln. Dieses Hin und Her ist ein weiterer Punkt, der in „The Owners“ richtig gut funktioniert.
Fazit: Ein pulpiger Home-Invasion-Thriller, der das Genre nicht revolutioniert und leider auch recht voraussehbar ist. Trotzdem dürften Crime/Horror-Fans Spaß haben. Aufgrund einiger humoriger Einlagen ist der Film nämlich angenehm locker wegzugucken.
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