Wes Cravens Klassiker „Nightmare – Mörderische Träume“ markierte 1984 bekanntlich den großen Durchbruch für Robert Englund alias Freddy Krueger. In einer Nebenrolle als Lehrerin war damals auch Lin Shaye dabei, aber es sollte bis weit ins neue Jahrtausend dauern, bis sie als entschlossene Geisterjägerin Elise Rainier in der inzwischen vier Teile umfassenden „Insidious“-Reihe selbst ebenfalls zu größerer Horror-Prominenz kam. Nun stehen Englund und Shaye erstmals seit 2005, als sie beide in der überdrehten Horrorkomödie „2001 Maniacs“ zu sehen waren, gemeinsam vor der Kamera. Doch diese erneute Wiedervereinigung in Travis Zariwnys Horrorthriller „The Midnight Man“ bereitet Genrefans nur bedingt Freude, da das Remake eines gleichnamigen irischen Low-Budget-Horrorfilms aus dem Jahr 2013 sich als absolut durchschnittliche Fließbandware entpuppt.
Alex (Gabrielle Haugh) wohnt im Haus ihrer kranken Großmutter Anna (Lin Shaye), um die sie sich seit dem Tod ihrer Mutter kümmert. Als Anna eines Abends nach einem Taschenspiegel verlangt, durchstöbert Alex zusammen mit ihrem Freund Miles (Grayson Gabriel) alte Koffer. Dabei entdecken sie die Anleitung für ein Spiel, das sie aus Neugier beginnen. Doch damit beschwören sie einen Dämon herauf, der sie ihre größten Ängste durchleben lässt. Ihre letzte Hoffnung liegt auf Annas Arzt Dr. Goodbery (Robert Englund), denn der weiß, wie man dem „Midnight Man“ Paroli bieten kann.
Regisseur und Drehbuchautor Travis Zariwny („Cabin Fever: The New Outbreak“) legt zunächst sehr viel Wert auf den Aufbau einer stimmigen Gruselatmosphäre und Kameramann Gavin Kelley zeigt wie schon in mehreren Episoden der TV-Serie „American Horror Story“ sein hervorragendes Gespür für unheilvolle Kamerafahrten durch die großen verwinkelten Räume eines alten Herrenhauses. Doch der Schauplatz, an dem sich „The Midnight Man“ fast vollständig abspielt, kommt auf die Dauer trotzdem nicht so recht zur Geltung, denn die hier bis an den Punkt ermüdender Einseitigkeit eingesetzte schummrige Low-Key-Beleuchtung lässt meist einen Großteil der Kulisse im Dunkeln verschwinden.
Alex und Miles tappen hier buchstäblich lange Zeit im Dunkeln, bis der gewiefte Dämon nach den komplexen Regeln des Spiels (als Miles‘ Kerze für mehr als zehn Sekunden erlischt) das erste Mal zuschlagen darf. Die Attacken des Schreckgespensts, das vom Aussehen an „He-Man“-Antagonist Skeletor erinnert, werden von durchaus gelungenen und recht blutigen Gore-Effekten begleitet (ein explodierendes Kind im Prolog ist das brachiale Highlight), sind in dem sichtbar schmal budgetierten Horrorthriller aber spärlich gesät. Und so können sie auch die erzählerischen Defizite von „The Midnight Man“ letztlich nicht übertünchen. So unterbrechen mehr oder weniger unnötige Rückblenden immer wieder den Erzählfluss und mindern die Spannung, während eine Figur wie Alex‘ Freundin Kelly (Emily Haine), die sich kurz am Spiel beteiligt, ebenso plötzlich und unvermittelt wieder verschwindet wie sie aufgetaucht ist.
Grundsolide sind in „The Midnight Man“ indes die Schauspielerleistungen. Gabrielle Haugh („Jeepers Creepers 3“) trägt den Film als traumatisierter und nachdenklicher Teenager, dazu glänzt Robert Englund in seinem 20-minütigen Auftritt als Arzt und Annas Jugendfreund mit ein paar süffisanten Dialogzeilen. Die besten Momente gehören allerdings der mit einer ordentlichen Portion Wahnsinn aufspielenden Lin Shaye („Ouija – Spiel nicht mit dem Teufel“): Wenn sie Alex mit zur Fratze verzerrtem Gesicht hysterisch schreiend maßregelt oder wie von Sinnen auf Dr. Goodbery einprügelt, braucht es keine Unterstützung durch Effekte, um den Zuschauer das Fürchten zu lehren. Diese Ausraster, mit denen sie Englund schon fast bieder erscheinen lässt, sind die triumphalen Höhepunkte in diesem allzu betont düsteren, aber nur selten furchteinflößenden Werk. Sie sind wie die einsamen Lichtkegel im ansonsten undurchdringlichen Schwarz der extremen Low-Key-Kompositionen.
Fazit: Einige gelungene Gore-Effekte und die wenigen Momente, in denen Lin Shaye die Grusel-Furie gibt, sind die seltenen echten Höhepunkte des Horrorthrillers "The Midnight Man". Mit nachlässigem Spannungsaufbau und aufdringlich-einseitigen Beleuchtungseffekten verschenken die Macher eine Menge Potenzial.