Mit dem prominent besetzten „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ wagt sich Eli Roth („Death Wish“) auf neues Gebiet. Der Jugend-Gruselfilm ist schließlich nicht nur seine erste Regiearbeit, die auf einer Buchvorlage basiert, sondern auch sein erster Familienfilm und damit seine erste Produktion, der in den USA kein R-Rating (also eine Freigabe nur für Erwachsene) verpasst wurde. Möglicherweise möchte der Horror-Spezialist, in dessen Filmografie sich so derbe Werke wie „Cabin Fever“, „Hostel“ und „The Green Inferno“ tummeln, auf diese Weise nun einen radikalen Schlussstrich ziehen.
So hat Roth erst vor kurzem dem Onlineportal slashfilm.com gegenüber seine Abkehr vom Horrorgenre als „natürliche Entwicklung“ beschrieben – er wolle quasi neu anfangen. Das gelingt ihm nun zumindest insoweit, dass sich „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ in Aufmachung und Zielgruppe tatsächlich klar von all dem, was Roth bisher gemacht hat, unterscheidet. Hält man allerdings nach den Stärken und Schwächen des Fantasy-Abenteuers Ausschau, fällt auf, dass man ausgerechnet in den weniger geglückten Elementen ziemlich deutlich die Handschrift des aus Boston stammenden Filmemachers wiedererkennt. Immerhin wissen wir jetzt, was jemand macht, der gezwungen ist, auf seine gewohnten Blutbäder zu verzichten: Statt auf menschliche greift er einfach auf - mindestens genauso unappetitlich aussehende - Kürbisinnereien zurück!
Nach dem tragischen Tod seiner Eltern findet der zehnjährige Lewis (Owen Vaccaro) Unterschlupf bei seinem schrulligen, aber liebenswürdigen Onkel Jonathan (Jack Black). Gemeinsam mit der seltsamen Nachbarin Mrs. Zimmermann (Cate Blanchett) kümmert sich Jonathan aufopferungsvoll um den Kleinen und gewährt ihm alle Freiheiten. Nur eine Regel muss er befolgen: Der große, alte, verschlossene Schrank in der Eingangshalle ist für Lewis tabu. Das findet der von seinen Mitschülern gemobbte Junge merkwürdig, genauso wie das nächtliche Umhergeistern seines Onkels. Darauf angesprochen eröffnet Jonathan ihm, dass er ein Hexenmeister sei und dass ein böser Mann („Twin Peaks“-Star Kyle MacLachlan) einst eine geheimnisvolle Uhr in den Wänden des Hauses versteckt habe, nach der er noch immer sucht. Fasziniert von der Zauberei lässt sich Lewis von seinem Onkel und Mrs. Zimmermann in die aufregende Welt der Magie einführen. Doch als den Jungen eines Tages Träume heimsuchen, die ihn dazu bringen, einen Toten wieder zum Leben zu erwecken, gerät die Situation außer Kontrolle ...
In der ersten Hälfte von „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ reiht sich ein bekanntes Motiv aus anderen Jugend-Fantasyfilmen an das nächste. Vor allem an die „Harry Potter“-Filme fühlt man sich immer wieder erinnert. Dabei ist es eigentlich genau andersherum: Die Vorlage „The House With A Clock In Its Walls“ von John Bellairs stammt schließlich aus dem Jahr 1973 und wurde 1979 bereits im Rahmen der Anthologie-Serie „Once Upon A Midnight Scary“ fürs Fernsehen adaptiert. Somit wurde hier also schon ein Vierteljahrhundert vor dem ersten „Potter“-Roman ein Grundstein für die moderne Jugend-Fantasy gelegt. Nur staunt man inzwischen eben nicht mehr ganz so doll, wenn das gesamte Interieur aus Möbeln, Bildern und als Tierfiguren zurechtgestutzten Bäumen plötzlich ein Eigenleben entwickelt. Auch die Prämisse des Waisenjungen, der die Welt der Magie kennenlernt und sich in ihr zurechtfinden muss, wirkt inzwischen nicht mehr sonderlich frisch. Und selbst Details wie das Design des Busses, in dem Lewis zu Beginn des Films bei seinem Onkel ankommt, könnten direkt aus „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ oder anderen Teilen der Zauberschüler-Reihe stammen.
Doch wer die „Harry Potter“-Filme kennt, der weiß auch um die enorme Sympathie, die von den insgesamt acht Filmen (das Spin-Off „Phantastische Tierwesen“ nicht eingerechnet) ausgeht. Und „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ hat ähnliche Qualitäten: Der von Newcomer Owen Vaccaro („Daddy’s Home 2“) überzeugend verkörperte Lewis bleibt von der ersten bis zur letzten Szene der Star, der mehr drauf hat als sämtliche Erwachsenen im Film zusammen. Da verzeiht man es dem Skript von Eric Kripke („Supernatural“) sogar ein Stück weit, dass es im Finale auf einen austauschbaren Weltherrschaftsplan des Schurken setzt und eine der Antworten auf das zentrale Rätsel allen Ernstes als Spielzeug-Beigabe (sprich Product Placement) in einer Ovomaltine-Packung zu finden ist. Letztlich ist vor allem wichtig, dass sich Lewis selbst in ausweglosen Situationen zu helfen weiß. Und diesbezüglich ist die Story einfach zu jeder Zeit ganz auf der Höhe seines Protagonisten und damit auch auf jener der jungen Zuschauer. Jack Black („Gänsehaut“) als angenehm schrulliger Hausherr sowie Cate Blanchett („Cinderella“) im selbstbewussten Hexen-Modus erweisen sich ebenfalls als Idealbesetzung für ihre extravaganten Rollen.
Während das filmische Universum innerhalb des Hauses mit all den animierten Fabelwesen, Monstern und lebendigen Möbeln wirklich großartig anzusehen ist, bekommt man nie ein Gespür dafür, was sich wohl außerhalb dieser vier Wände abspielen mag. Wann immer die Story kurz die Gruselhaus-Location verlässt, um beispielsweise Lewis‘ Schule zu zeigen, wirken diese Szenen wie aus einem völlig anderen Film. Und wenn Lewis dann beim Schulsport als letzter gewählt wird, um seine Außenseiterrolle zu unterstreichen, ist dies ebenfalls nicht gerade originell. Doch das alles wäre noch zu verkraften. Viek schwerer wiegt hingegen Eli Roths mangelhaftes Gespür fürs subtile Erzählen: Jede noch so berührende Szene wird radikal mit einem platten Gag abgebrochen, der auch gerne mal unter die Gürtellinie zielt. Und der Versuch, die tragische KZ-Vergangenheit von Mrs. Peppermint (kurz, aber prägnant ist an ihrem Arm die eintätowierte Häftlingsnummer zu sehen) mit in die Geschichte einzubauen, scheitert ebenfalls am mangelnden Feingefühl: Immerhin ist es schließlich sie, die ausgerechnet mit Gas eine ganze Horde Monsterpuppen ausknockt.
Fazit: Eli Roths erster Familienfilm „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ fährt optisch viel auf und besticht mit einem starken Newcomer in der Hauptrolle. Doch sobald nicht mehr die zahlreichen Zauberwesen und Monster im Mittelpunkt stehen, sondern die Geschichte, verzettelt sich Roth zusehends dabei, die reichlichen „Harry Potter“-Versatzstücke und eine tragische Weltkriegsgeschichte stimmig unter einen Hut zu bringen.