KRITIK: PARASITE
Im Jahr 2019 brachte Bong Joon-ho „Parasite“ in die Kinos, welcher für sechs Oscars nominiert war, und vier davon in den Kategorien Bester Film, bester internationaler Film, bestes Originaldrehbuch, sowie die beste Regie. Nicht nur die Oscar Akademie lobte diesen Film. Die Filmkritiker haben nur positive Worte verloren und die Oscars waren nicht nur die einzigen Awards für diesen südkoreanischen Film. Da er auch diesen Preis einräumen konnte, wurde er als „coolste goldene Palme seit Pulp Fiction“ bezeichnet. Doch ist all dieser Ruhm gerecht ? Ist Parasite ein Meisterwerk ?
Die Antwort auf diese Frage lautet „Ja.“ Parasite hat nicht nur eine gute Story oder nur gute Schauspieler. Nein, dieser Film bietet mehrere Verknüpfungen, eine gute Musik, herausragend geschriebene Charaktere, eine besondere Auswirkung, sowie Diskussionsbedarf und ein Ende der ganz speziellen Art.
Bei Parasite ist es zudem der Fall, dass man auf keinen Fall spoilern darf. Diesen Film kann man beim ersten Mal nur gucken, wenn man bis auf die Grundhandlung und den Trailer absolut nichts darüber weiß. Daher wird die Handlung nur ganz kurz zusammengefasst, ohne dabei etwas zu verraten.
Die Familie Kim lebt in einem Armenviertel in Südkorea und halten sich mit Pizzaschachtelfalten über Wasser. Doch dann kriegt der Sohn Ki-woo, gespielt von Choi Woo-sik, eines Tages ein Angebot von seinem Freund, bei der reichen Familie Park der Englischlehrer der Tochter Da-hye, gespielt von Jeong Ji-so, sein zu dürfen. Das Angebot nimmt er natürlich an und da der kleine Sohn der Parks, Da-song, gespielt von Jung Hyung-jun, gerne malt, empfiehlt er der Mutter Yeon-kwo, gespielt von Cho Yeo-jeong, seine Tochter Ki-jung, gespielt von Park So-dam, welche er aber natürlich nicht als seine Tochter, sondern als unbekannte Studentin darstellt. Denn die Familie Park soll im Glauben gelassen werden, dass Ki-woo nicht in einem Armenviertel wohnt, da er sonst rausgeschmissen werden würde. Durch geschicktes, aber auch unbarmherziges Planen schaffen die Kims es, Vater Ki-taek als Chauffeur, gespielt von Song Kang-ho, und Mutter Chung-sook als Hausfrau, gespielt von Jang Hye-jin, ebenfalls einzuschleusen, sodass sie wieder viel Geld verdienen können. Doch das ist nicht der einzige Grund. Als der kleine Da-song Geburtstag hat, will die Familie einen Campingausflug machen. Das nutzen die Kims und genießen all die Luxusgüter des Hauses. Doch kann das wirklich gutgehen ? Wenn das mal die einzige Sore wäre…
Song Kang-ho hat ja schon öfters mit Bong Joon-ho zusammengearbeitet. Auch da sind bekannte Werke, wie beispielsweise Memories of Murder oder Snowpiercer herausgekommen, die sich ebenfalls größter Beliebtheit erfreuen. Doch für diesen Film haben sie sich wohl noch ein wenig mehr ins Zeug gelegt, sodass Song Kang-ho in Locarno übrigens auch den Excellence Award erringen konnte. Regisseur und Schauspieler kommen wunderbar miteinander aus, wie sie auch in Interviews berichteten. Und in Parasite merkt man, dass Song Kang-ho wirklich Spaß an seiner Rolle hatte, sie aber immer mit dem nötigen Ernst und der Disziplin runtergespielt hat. Soviel jedenfalls vorweg: Auf diesen Schauspieler kann man sich noch am Meisten freuen, was die Großartigkeit der anderen nicht in den Schatten stellen soll, da seine Figur die Interessanteste ist.
Doch generell sind die Charaktere hier großartig geschrieben, was aber auch an der Story liegt. Das heißt: Die Story kann aufgrund der starken Charaktere so gut sein und umgekehrt. Denn es ist ja direkt einmal eine interessante Idee, in einem Film arm und reich auf eine Weise zusammenzubringen, wo die arme Familie in das Leben der reichen gewissermaßen eindringt, wenn man es so nennen will. Es soll witzig auf den Zuschauer wirken, wie die Kims sich als Angestellte bei den Parks bewerben, ohne dass diese von deren Armut wissen. Tatsächlich üben sie zuhause, wie sie sich den Parks möglichst glaubhaft verkaufen können.
Dadurch wird natürlich auch früheres unschuldiges Personal entlassen und man hat sich auf jeden Fall die Frage zu stellen, ob man mit den Kims sympathisieren soll. Und da hat Bong Joon-ho die Zuschauer sehr gekonnt hingeführt und der bereits erwähnte Diskussionsbedarf wird angeheizt. Denn es liegt in der Natur jedes Einzelnen, seine ganz eigene Meinung zu haben. Denn zum Einen sind die Kims ja wirklich arm und werden keinesfalls unsympathisch dargestellt, doch wenn sie anderen den Job wegnehmen, nur um ihn selbst zu bekommen, lässt sie das nicht mehr im hellsten Licht erscheinen.
Ein weiterer besonderer Punkt, den man hier loben muss, ist die Musik von Jeong Jae-il. Der eigentlich unbekannte Komponist schaffte es, Soundtracks zu schaffen, die die Spannung noch einmal extrem unterstreichen. Denn eines sei gesagt: Parasite hat viele spannende Momente, die aber, und das ist besonders wichtig, zu keinem Zeitpunkt übertrieben wirken. Oft wird im Film aber auch klassische Musik eingespielt. Immer wenn das getan wird, handelt es sich um eine groteske Situation. Ein Beispiel wäre hier, wie Ki-woo einen Jungen, der vor ihrer Haustür gekotzt und uriniert hat, was es sicher nicht in Deutschland gibt, mit einem Eimer Wasser verjagen will. Um die Szene in Slo-Motion zu zeigen, damit die Musik auch viel länger ertönen kann, greift Bong Joon-ho zu einem netten Mittel. Tochter Ki-jung hält mit ihrem Handy auf die Szene und filmt es, aber eben in Slo-Motion. Das wird dann wieder von der ganz normalen Kamera gezeigt, aber da wir vorher die Tochter beim Filmen gesehen haben, fragen wir uns nicht, warum jetzt grundlos diese Perspektive angezeigt wird.
Jetzt könnte man sich fragen, warum überhaupt eine Auseinandersetzung der beiden Jungen gezeigt wird. Das ist aber genau richtig. Es unterstreicht, wie die Kims leben. Denn man muss wissen: Der größte Teil des Films spielt sich im Hause der Reichen ab. Da müssen die Kims unbedingt schick aussehen und haben logischerweise immer die gleiche Kleidung an, weil sie nunmal nur jeweils eine teure Kleidung besitzen. Daher sollen uns diese Szenen, wo sie wieder in ihren Slums sind, daran erinnern, wie arm sie eigentlich sind. Sie sollen uns auch dazu bringen, mit ihnen mitzufühlen. Doch dann gibt es eben auch andere Szenen, Szenen, in denen sie sich extrem besaufen und ziemlich unsympathisch dargestellt werden. Da wären wir dann wieder beim angesprochenen Kontrast, den man eigentlich noch viel genauer erläutern könnte.
Jedenfalls ist Parasite nicht nur ein spannender Thriller, bei dem sich in dem Haus der Reichen die Armen eingeschlichen haben und es irgendein Geheimnis gibt. Regisseur Bong Joon-ho wollte noch mehr zeigen. Ein Beispiel wäre da die Armut in Südkoreas Armenvierteln. Die Szene mit den beiden Jungen ist ein Beispiel dafür, es gibt aber noch viel mehr. Das sollte aber nicht verraten werden, da es komödiantische, sowie erschreckende Momente dazu gibt. Dieser Kontrast von arm und reich ist jedenfalls wunderbar gelungen, was nicht zuletzt an der Kameraarbeit von Hong Kyung-pyo liegt. Seine Kamera ist im Hause der Kims immer ganz nah an der Familie dran, woran man erkennt, dass sie kaum Platz haben. Das ist im Hause der Parks ganz anders. Die Gänge sind viel breiter und man hat Platz. Kyung-pyo schafft diese Erzeugung, indem er immer eine Distanz zu den Bewohnern hält. In Szenen, wo es maximal zwei Personen gibt, geht er immer kaum merklich etwas näher an die Personen dran. Wird dazu die passende Musik gespielt, und das ist ja der Fall, hat man wieder eine wunderbare Spannungserzeugung. Ebenfalls zu loben ist die Schnelle seiner Aufnahmen. In einer Szene, wo sich das Geheimnis zu lüften scheint, läuft wieder spannende Musik und Kyung-pyo nimmt den Platz von der laufenden, er läuft mit seiner Kamera, Yeon-kwo ein. Das bedeutet, dass das, was die Mutter sieht, wir haben vorher gesehen, wie sie lief, nun auf der Kamera zu sehen ist. Das ist vom Prinzip her das Gleiche wie bei der Slo-Motion Szene mit den beiden Jungen. Nur ist hier mal wieder ein hervorragender Unterschied gelungen: In der einen Szene ist es extrem langsam, in der anderen extrem schnell. Und das ist auch noch in anderen Szenen so und bestimmt den gesamten Film. Die Schnelligkeit der Kamera ist immer in den richtigen Szenen eingesetzt worden, die Langsamkeit ebenso. So geht es für den Zuschauer auch nie zu schnell, er kann angenehm bei einem wunderbaren Film zusehen.
Im Film wird auch noch, wie man sich vielleicht denken kann, die Beziehung zwischen den Reichen und ihren Arbeitern gezeigt. Auch das ist für viele sicherlich interessant. Aber auch wenn einen das nicht anspricht, zieht das gar nichts Positives ab. Nein, die Story ist einfach perfekt geschrieben und die Spannung steigt bis zum Ende und der Zuschauer weiß zudem nie, was als Nächstes geschieht.
Worüber man sich eventuell streiten könnte, ist das Ende. Wie gesagt, es wird nichts verraten. Erst konnte ich nicht verstehen, was da gerade überhaupt passiert. Es hatte mit etwas zu tun, was vorher im Film gesagt wurde. Da wusste ich gar nicht, was ich davon halten sollte. Einmal wurde es auch als witzig dargestellt.
Gewissermaßen wurde es erklärt. Es wurde erklärt, wie es für die Person war. Aber hat da wirklich nicht noch mehr reingespielt ? Es war für mich einfach etwas schwer nachzuvollziehen. Andererseits gibt das Ende auch Raum für Interpretationen, was viele Zuschauer, wie ich auch, ja lieben und so auch wieder gut ist.
Ich würde das Ende wirklich als unfassbar genial bezeichnen, der Twist kommt so unvorhergesehen wie in kaum einem anderen Film. Zu Prestige oder Fight Club fehlt da wirklich nicht viel. Doch diese eine fehlende Erklärung, was im Kopf dieser einen Person vorgegangen ist, wäre für viele sicher noch hilfreich gewesen.
Nichtsdestotrotz ist Parasite wie schon erwähnt ein Meisterwerk und die Kritiken sind absolut gerechtfertigt. Wer diesen Film noch nicht gesehen hat, sollte das wirklich schleunigst nachholen, da die Story wirklich jeden fesselt. All die positiven Aspekte wurden ja jetzt genannt. Daher hat Parasite sich das überragende Rating von 9,5 auf jeden Fall verdient. Nur die fast unmöglichen 10 von 10 Punkten sind hier auch nicht zu vergeben, was eben an der einen fehlenden Erklärung im Ende und ein paar unpassenden Bildern liegt.
Fakt ist aber, dass Bong Joon-ho hier etwas geschaffen hat, was man unter den heutigen Filmen fast nicht nicht mehr findet. Viele Filmemacher können sich hiervon eine Scheibe abschneiden.