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    Sierra Burgess Is a Loser
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Sierra Burgess Is a Loser
    Von Markus Fiedler

    Ab und zu passiert es, dass zwei Filmemacher zufällig zur selben Zeit auf dieselbe Idee kommen, ohne dass der eine vom anderen weiß. So produzierten Anfang der 90er Jahre zwei große Studios fast parallel neue Robin-Hood-Filme. Und vor wenigen Jahren wurden zwei „Dschungelbuch“-Projekte in den Medien angekündigt, auch wenn sich „Mogli“ dann erst verzögert hat und inzwischen an Netflix abgetreten wurde. Nur einen Tag auseinander liegen dagegen der deutsche Kinostart von „Das schönste Mädchen der Welt“ und des Netflix-Originals „Sierra Burgess Is A Looser“, die sich beide ausgiebig bei Edmond Rostands Tragikomödie „Cyrano de Bergarac“ bedienen. Während „Das schönste Mädchen der Welt“ aber poppig und frisch daherkommt, ist „Sierra Burgess Is A Looser“ deutlich konservativer und bodenständiger. Der zeitlose Stoff der Vorlage lässt aber beides problemlos zu.

    Sierra Burgess (Shannon Purser) ist die Tochter einer attraktiven Motivationstrainerin (Lea Thompson) und eines berühmten Schriftstellers (Alan Ruck), hat aber lediglich die Talente des Vaters und nicht das Aussehen der Mutter geerbt. So hat sich das Mädchen ein dickes Fell zugelegt, an dem die fiesen Sprüche der Schulschönheit Veronica (Kristine Froseth) einfach abprallen. Doch ein besonders gemeiner Streich Veronicas hat Folgen. Als sie dem freundlichen Jamey (Noah Centineo) in einem Café Sierras Nummer als ihre eigene unterjubelt, erwächst zwischen Jamey und Sierra, die er für Veronica hält, ein zarter Flirt per Textnachrichten. Erst als Jamey Bilder von sich schickt und dasselbe von ihr verlangt, wird Sierra klar, dass sie ein Problem hat. Sie entschließt sich, Veronica auf ihre Seite zu ziehen, damit diese weiterhin Sierras Gesicht bleibt. Um die Illusion aufrechterhalten, muss sie dann ihrer Rivalin sogar Nachhilfe im Romantischsein geben, was natürlich rasch zu turbulenten Komplikationen führt …

    Wenn man dem Debüt-Drehbuch der inzwischen gefragten Autorin Lindsey Beer („Godzilla Vs. Kong“) eines vorwerfen muss, dann das weitgehende Fehlen von Originalität. Wie auf einer Strichliste werden sämtliche Ingredienzien abgehakt, die eine Highschool-Romanze nach Meinung Beers offenbar braucht: Jamey ist natürlich Quarterback, Veronica Cheerleaderin, in ihrem Gefolge zwei Freundinnen, von denen eine asiatische Wurzeln hat, während Sierras bester, platonischer Freund ein Schwarzer ist. Das Finale spielt – wo auch sonst – auf dem Highschool-Ball. Mit der Verpflichtung von Lea Thompson in der Nebenrolle als Mutter ist dann auch noch der Star aus John Hughes‘ Highschool-Klassiker „Ist sie nicht wunderbar?“ dabei. Wäre auch nur ein Anflug von subversivem Humor in diesen Szenen, könnte man den Film fast für eine Parodie halten. Dass „Sierra Burgess Is A Looser“ trotzdem recht gut unterhält, liegt denn auch weniger an der Story, als an den charismatischen Darstellern.

    Die aus „Stranger Things“ bekannte Shannon Purser spielt das kluge, vermeintlich hässliche Entlein mit so viel Hingabe und Spaß, dass sie schnell alle Sympathien auf sich vereinigt. Auch weil ihr das Skript erlaubt, der erste weibliche Cyrano zu sein – mit all dessen Eigenschaften wie Klugheit und Schlagfertigkeit. Ihretwegen funktioniert dieser Geschlechterwechsel in der Geschichte dann auch ausnehmend gut. Mit dem norwegischen Model Kristine Froseth stellt man Purser eine Darstellerin an die Seite, die ihrer Figur mehr Tiefe verleiht, als ihr literarisches Vorbild Christian aus der klassischen Vorlage besitzt. Sie ist hier nämlich nur scheinbar die eingebildete, dumme Pute, als die sie anfänglich gezeichnet wird. Als Veronicas Mutter ist Chrissy Metz („This Is Us“) in einer kleinen, aber starken Rolle zu sehen, die für ein wenig Melancholie im Plot sorgt. Gegen diese überzeugende Frauenpower kommt der männliche Teil des Cast nicht ganz an. So kann Noah Centineo, gerade erst in dem Netflix-Hit „To All The Boys I’ve Loved Before“ zu sehen, seiner männlichen Roxanne kaum interessante Ecken und Kanten verleihen. Und auch RJ Styler als Sierras Kumpel Dan kommt über die Funktion als Stichwortgeber nicht hinaus.

    Regisseur Ian Samuels liefert hier sein Langfilm-Debüt ab und schlägt sich dabei wacker. Ohne große Spielereien erzählt er die Geschichte zwar ein wenig zu brav, beweist aber zumindest beim Soundtrack Geschmack. Die Mischung aus „Stranger Things“, „Drive“ und 80er-Jahre-Synthie-Klängen von Leland und Bram Inscore geht ins Ohr und verleiht dem Geschehen auf dem Bildschirm ein wenig mehr Weltschmerz und Tiefe, was dem Film sehr guttut. Nach „The Kissing Booth“, „Alex Strangelove“ und „To All The Boys I’ve Loved Before“ ist „Sierra Burgess Is A Looser“ schon die vierte Highschool-Romanze bei Netflix in diesem Jahr. Und sicherlich nicht die schlechteste.

    Fazit: Eine starke Shannon Purser, ein paar düstere Einsprengsel in der Handlung und ein guter Soundtrack geben diesem ansonsten recht süßen Netflix-Bonbon genug Geschmack, um trotz des Mangels an eigenen Ideen Spaß zu machen.

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