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    Under The Silver Lake
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Under The Silver Lake

    Ein Popkultur-Puzzle in L.A.

    Von Christoph Petersen

    Wenn plötzlich aus dem Nichts ein Eichhörnchen erscheint, vor einem auf den Boden klatscht und einen halb zermatscht anstarrt, dann verspricht das in der Regel nichts Gutes. Das ist auch in der surrealen Los-Angeles-Schnitzeljagd „Under The Silver Lake“ von „It Follows“-Regisseur David Robert Mitchell nicht anders, bei der Sam (Andrew Garfield, „Hacksaw Ridge“), von dem wir zwar erfahren, dass er gerade nicht arbeitet, aber nicht, was eigentlich sein Beruf ist, nur noch wenige Tage bleiben, um das Geld für die lange überfällige Miete aufzutreiben.

    Statt nach einem Job zu suchen, starrt Sam lieber mit einem Fernglas von seinem Balkon in die Gegend – und stößt dabei irgendwann auch auf den knackigen Hintern seiner jungen blonden Nachbarin Sarah (Riley Keough), die in ihrem weißen Badeanzug aussieht, als sei sie gerade einem Film von Alfred Hitchcock entstiegen (dessen Grab später auch noch eine Rolle spielt). Zu Sams Überraschung lässt sich Sarah von seiner Spannerei nicht nur nicht abschrecken, sie lädt ihn bei der nächsten Begegnung sogar zu sich ein. Es kommt zu einem Kuss, während im Fernsehen „Wie angelt man sich einen Millionär?“ läuft. Am nächsten Tag ist Sarahs Wohnung leergeräumt und sie selbst spurlos verschwunden…

    Das Glück mit der attraktiven Nachbarin währt nur kurz.

    Was dann folgt, ist ein (zu) langsamer Abstieg hinein in einen Kaninchenbau aus all den popkulturellen Mythen, Legenden und Verschwörungstheorien, die sich in der Stadt der Engel im Laufe der vergangenen 100 Jahre angesammelt haben: Was hat Sarah mit dem verschwundenen Milliardär aus den Fernsehnachrichten zu tun? Enthalten die Songs der Hipster-Hype-Band Jesus & the Brides of Dracula womöglich versteckte Botschaften? Wie hängt der umgehende Hundekiller in der Sache mit drin? Gibt es Dinge, die nur reiche Leute wissen oder wahrnehmen können? Führt die mehr als 20 Jahre alte Karte auf der Cornflakespackung immer noch zu einem Schatz?

    Andrew Garfield stolpert dabei wenig einnehmend von einer absurden Situation oder Begegnung in die nächste, während um ihn herum die ganze Stadt in eine einzige riesige Verschwörung verstrickt zu sein scheint. Das erinnert in den besten Momenten mitunter an eine Popkultur-Variante des L.A.-Noir-Klassikers „Chinatown“, was auch die brüchig-hypnotischen Bildkompositionen von Kameramann Mike Gioulakis („Split“) immer wieder unterstreichen. Aber viele der einzelnen Episoden, in denen die sonnige Metropole immer mehr zu einem einzigen Labyrinth aus Rätseln, Hinweisen und Anspielungen auf Filme, Songs, Videospiele und sonstige popkulturelle Auswüchse stilisiert wird, sind für sich genommen einfach nicht interessant genug, um den Zuschauer über die unnötig lange Laufzeit von zwei Stunden und 20 Minuten bei der Stange zu halten.

    Die da oben

    Die in „Under The Silver Lake“ verhandelten oder zumindest angeschnittenen Themen sind dabei so divers und unzusammenhängend, dass kaum eines von ihnen nachhaltig verfängt. Am stimmigsten ausgearbeitet und deshalb auch am ergiebigsten erscheint dabei noch das Motiv des (männlichen) Blicks. Es geht immer wieder darum, wie Sam Dinge oder Personen anstarrt, etwa die Frauen auf den schicken Partys und jene von der Callgirl-Hotline Shooting Star mit den jungen Schauspielerinnen, die mal irgendwo eine kleine Rolle gespielt haben (und sei es als Fünfjährige in einer Seifenoper). Aber es geht auch darum, wie Sam als mittelloser Fast-Obdachloser von unten zu den unerreichbar Reichen da oben aufblickt, während er fest davon überzeugt ist, dass sie eine geheime Art zu kommunizieren haben müssen, die jemand wie er einfach nicht verstehen kann.

    Nachdem einem zwei Stunden lang Rätsel über Rätsel und Mysterium über Mysterium vorgesetzt wurden, will man natürlich auch wissen, was das nun eigentlich alles soll. Anders als etwa bei David Lynchs L.A.-Meisterwerk „Mulholland Drive“, bei dem man schnell spürt, dass es mehr um die Schaffung von Atmosphäre und nicht wirklich um logische Erklärungen geht, steht der Plot bei „Under The Silver Lake“ schließlich deutlich stärker im Vordergrund. Aber die Auflösung haut einen nun wirklich nicht aus den Socken und sie lässt auch bewusst viele zwischendrin eingestreute Merkwürdigkeiten für sich stehen, etwa warum der sonst so lässige Sam die kleinen Jungen so megabrutal zusammengetreten hat, die doch nur sein Auto zerkratzt haben.

    Der Popkultur-Unterbau von L.A. ist voll von skurrilen Charakteren.

    Ist der Film nun ein ausgefeiltes Popkultur-Puzzle oder ein Fantasy-Mysterium? David Robert Mitchell will beides und macht es sich damit ziemlich einfach, schließlich ist auf diese Art so ziemlich jede Absurdität zu rechtfertigen. Manchmal sind die Anspielungen aber zumindest ziemlich amüsant – etwa wenn Sam mit verklebten Fingern einen „Spider-Man“-Comic abzuschütteln versucht (ein augenzwinkernder Verweis auf Andrew Garfields eigene Historie mit dem Marvel-Helden). Und auch die prominente Rolle des Videospielmagazins Nintendo Power wird vielen, die Anfang der 1990er Jahre aufgewachsen sind, ein warmes nostalgisches Gefühl bescheren.

    Am Ende erinnert das Scheitern von „Under The Silver Lake“ an den Flop der futuristischen L.A.-Verschwörungsgroteske „Southland Tales“. Damals hatte Richard Kelly mit „Donnie Darko“ gerade ein überall abgefeiertes Meisterstück abgeliefert, bevor er sich mit dem megaambitionierten „Southland Tales“ so sehr verhob, dass der Film nach einem Buhkonzert in Cannes gar nicht mehr richtig in die Kinos gekommen ist. Ein solches Schicksal wird David Robert Mitchell hoffentlich erspart bleiben, schließlich gab es in Cannes statt Buhrufen zumindest milden Applaus. Trotzdem hat sich auch hier ein hochgelobter Genre-Auteur („It Follows“ bleibt einer der einflussreichsten Horrorfilme seit Jahren) mit seinem Nachfolgeprojekt schlicht verhoben.

    Fazit: David Robert Mitchell begibt sich mit seinem Noir-Puzzle „Under The Silver Lake“ auf die Spuren von Roman Polanskis „Chinatown“ und David Lynchs „Mulholland Drive“. Aber tatsächlich rausgekommen ist dann eine überlange Popkulturschnitzeljagd durch das spätsommerliche Los Angeles – das sieht super aus (und hört sich noch besser an), ist aber streckenweise auch ganz schön langatmig.

    Wir haben „Under The Silver Lake“ bei den Filmfestspielen in Cannes 2018 gesehen, wo er im Wettbewerb um die Goldene Palme gezeigt wurde.

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