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    Hexe Lilli rettet Weihnachten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Hexe Lilli rettet Weihnachten
    Von Antje Wessels

    Die auf den erfolgreichen Büchern von Knister basierende Kinderfilmreihe „Hexe Lilli“ hat einen wechselhaften Start hinter sich. Während uns der Auftakt „Hexe Lilli: Der Drache und das magische Buch“ nicht zuletzt aufgrund der unkonventionellen Regiebesetzung mit „Anatomie“-Macher Stefan Ruzowitzky zusagte, konnten wir uns bei der uninspirierten Fortsetzung „Hexe Lilli: Die Reise nach Mandolan“ von Harald Sicheritz nur zu mageren zwei Sternen hinreißen lassen. Sechs Jahre sind seither vergangen und auf dem Papier wirkt die Wahl von Wolfgang Groos als Regisseur für den dritten „Lilli“-Film wie eine klassische „Nummer sicher“-Entscheidung – immerhin hat der Filmemacher in der jüngsten Vergangenheit wiederholt sein Fingerspitzengefühl bei der Inszenierung von Kinderfilmen unter Beweis gestellt. Er zeichnete unter anderem für die warmherzige Realverfilmung von „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“ sowie für „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ verantwortlich – ein echter Fachmann also. Auch „Hexe Lilli rettet Weihnachten“ profitiert von Groos‘ Einfühlungsvermögen in die Gefühlswelten seiner jungen Protagonisten. Er inszeniert ein herrlich schräges, festliches und voll und ganz auf der Höhe der Zeit befindliches Weihnachtsabenteuer, an dem Jung und Alt gleichermaßen ihren Spaß haben können.

    Weihnachten steht vor der Tür und Hexe Lilli (Hedda Erlebach) wünscht sich nichts sehnlicher als ein echtes Kaninchen. Zu blöd, dass ihr kleiner Bruder Leon (Claudio Magno) unter einer schweren Allergie leidet – und so kann sich Lilli noch so sehr ein Haustier wünschen, es bleibt vergeblich. Und überhaupt wird immer Leon bevorzugt! Aus Wut zaubert Lilli mithilfe ihres magischen Hexenbuchs und trotz der Warnungen ihres besorgten Drachens Hektor (Michael Mittermeier) den echten Knecht Ruprecht herbei. Während der Nikolaus früher die braven Kinder beschenkte, erteilte Ruprecht den unartigen eine Lektion. Zunächst scheint alles gut zu gehen und Lilli bekommt sogar ihr Kaninchen. Doch nach und nach verselbstständigt sich die Situation, als sich Ruprecht wieder in jenes Wesen der Unterwelt verwandelt, als das er im Mittelalter für Angst und Schrecken sorgte. Lilli muss sich ganz schön anstrengen, um dafür zu sorgen, dass Weihnachten in diesem Jahr doch noch stattfindet…

    Alina Freund, die in den ersten beiden Filmen die Lilli gespielt hat, ist mittlerweile 20 Jahre alt und der Rolle der kleinen Hexe somit längst entwachsen. In ihre Fußstapfen tritt dafür die 2006 geborene und bislang ausschließlich in Fernseharbeiten zu sehende Hedda Erlebach („Weissensee“). Die führt eine überzeugende Kinderriege an, die „Hexe Lilli rettet Weihnachten“ mühelos auf den schmalen Schultern trägt. Die prominenten Erwachsenen wie Anja Kling (spielte Lillis Mutter schon in den ersten beiden Filmen), Maresa Hörbiger („Dr. Klein“) als verständnisvolle Großmutter und auch Jürgen Vogel („Der Mann aus dem Eis“) als ebenso egozentrische wie tragische Knecht-Ruprecht-Figur halten sich weitgehend im Hintergrund. So kann der Zuschauer die langsam aus dem Ruder laufenden Ereignisse voll und ganz aus der Perspektive der kleinen Protagonisten erleben, und wenn die pfiffige Lilli sich mit Gleichaltrigen um eine Lösung des von ihr selbst heraufbeschworenen Problems müht, dann fällt es leicht, sich in sie hineinzuversetzen. Erlebach und Aleyna Hila Obid als muslimisches Mädchen Layla, das so gerne auch Weihnachten feiern würde, bilden ein starkes Duo, das weder auf männliche, noch auf erwachsene Hilfe angewiesen ist – und für Wolfgang Groos und seinen Drehbuchautor Gerrit Hermans („Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft“) ist das so selbstverständlich, dass sie das nicht extra betonen müssen. So geht Emanzipation!

    Die Filmemacher trauen nicht nur den jungen Figuren auf der Leinwand viel zu, sondern auch den kleinen Zuschauern davor, denn die Geschichte ist für einen Kinderfilm recht komplex. Der alles andere als simpel gestrickte Bösewicht Knecht Ruprecht ist nicht bloß eine richtig finstere Gestalt (für die allerkleinsten Kinogänger dürfte der Film einen Tick zu gruselig sein), sondern eine vielschichtige, im Grunde äußerst tragische Figur. Dem Gesellen mit den immer mächtigeren Hörnern geht es nämlich nicht einfach bloß darum, ungezogene Kinder zu bestrafen, vielmehr stecken hinter seiner Wut die Erfahrungen von Einsamkeit und Verlust – je weiter sich Ruprecht von seinem Freund, dem Nikolaus, entfernt, desto gemeiner ist er zu denen, die das haben, was ihm verwehrt bleibt: die Liebe einer Familie. Schließlich lässt er ein Kind nach dem anderen in seinem großen Sack verschwinden, sodass sich in einer tieftraurigen und tränenträchtigen Szene die Eltern, die ihre Kinder verloren haben, am Heiligabend auf dem Marktplatz versammeln. Doch Hexe Lilli wäre nicht Hexe Lilli, wenn sie nicht selbst eine solch verfahrene Situation irgendwie retten könnte. Mit Zaubersprüchen, cleveren Ideen und der Hilfe ihres um keinen kecken Spruch verlegenen Drachen Hektor (Michael Mittermeier spricht einmal mehr mit voller Elan) gibt sie sich alle Mühe, allen ein schönes Weihnachtsfest zu bescheren – und ganz nebenbei Knecht Ruprechts Herz zu erwärmen.

    Fazit: An Wolfgang Groos‘ Familienfilm können alle Altersklassen Spaß haben: Für die Kleinen bietet „Hexe Lilli rettet Weihnachten“ tolle Effekte, spaßigen Hexen-Schabernack und einen frechen Drachen, während die Erwachsenen mit Jürgen Vogels Knecht Ruprecht einen faszinierend-vielschichtigen Bösewicht geboten bekommen.

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