Es ist ein faszinierender Werdegang: Nachdem der 1,93 Meter große Liam Neeson aus Nordirland in den 1980er Jahren vor allem als physisch imposanter Nebendarsteller in historischen Epen wie „Die Bounty“ mit Mel Gibson und „Mission“ mit Robert De Niro auf sich aufmerksam gemacht hatte, schaffte er als Oskar Schindler in Steven Spielbergs Holocaust-Drama „Schindlers Liste“ 1993 den Durchbruch als Charakterdarsteller. Im Anschluss trat er in weiteren prestigeträchtigen Filmbiografien auf und verkörperte etwa den schottischen Rebellen Rob Roy, den irischen Unabhängigkeitskämpfer Michael Collins sowie den amerikanischen Sexualforscher Alfred Kinsey. Nach ersten Abstechern ins Blockbusterkino mit „Star Wars: Episode I“ und „Batman Begins“ folgte 2008 mit dem Beginn der „Taken“-Reihe die unerwartete Wandlung zum Actionstar: Neesons Karriere bekam einen ganz neuen Schub. Bevor er diesen erstaunlichen Weg mit „The Commuter“ Ende 2017 weiterfolgt, ist er nun erst einmal wieder in zwei historischen Epen zu sehen: in Martin Scorseses Jesuitendrama „Silence“ und im südkoreanischen Kriegsfilm „Operation Chromite“. In John H. Lees düster-patriotischem Geschichtsspektakel über eine entscheidende Schlacht im Koreakrieg spielt Neeson mit US-General Douglas MacArthur zudem eine weitere bedeutende reale Figur, allerdings fällt sein Porträt diesmal alles andere als überzeugend aus und wird fast schon zur Karikatur.
Nach dem Angriff des kommunistischen Nordkoreas auf den Süden des Landes im Juni 1950 weitet sich der lange schwelende Konflikt rasch zu einem Krieg aus. Im September ist Südkorea trotz Unterstützung durch die USA und die Vereinten Nationen in großen Teilen von den Truppen des Nordens besetzt. Der Oberbefehlshaber der alliierten Flotte General Douglas MacArthur (Liam Neeson) will ein weiteres Vordringen des Feindes unterbinden und heckt einen Plan aus, um eine Kriegswende herbeizuführen: Ein Brückenkopf im Rücken der in den Süden vorgerückten Nordkoreaner soll erobert werden. Hierfür schickt er acht Soldaten unter der Führung von Marine-Leutnant Hak-soo Jang (Lee Jung-Jae) hinter feindliche Linien. Was später als „Landung bei Incheon“ in die Geschichtsbücher eingeht, nimmt unter dem Geheimnamen „Operation Chromite“ erste Züge an…
„Operation Chromite“ ist in vielerlei Hinsicht ein Kriegsfilm alter Schule: In reichlich plakativen, ungelenken Dialogen werden etwaige moralische Bedenken gegen Krieg und Töten pflichtschuldig abgehakt, aber schon im nächsten Moment wird wieder effektvoll aufeinander eingestochen und losgeschossen. An der Rollenverteilung von Gut und Böse besteht hier ohnehin kein Zweifel, die wird in dieser südkoreanischen Großproduktion als selbstverständlich gegeben vorausgesetzt, was man im Norden selbstverständlich anders sieht - der historische Bruderkonflikt ist bekanntlich immer noch nicht ausgestanden. Das einseitige Kalkül ist aufgegangen: Während das Regime in Pjöngjang das Werk als absurde Verunglimpfung historischer Fakten verurteilt hat, avancierte der pathetisch-verklärte „Operation Chromite“ in Südkorea zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres 2016.
Für internationales Interesse soll unterdessen Liam Neeson in einer der drei Hauptrollen sorgen, er hat allerdings im Vergleich zu seinen beiden einheimischen Partnern Lee Jung-jae („Das Hausmädchen“) als aufrechter Held des Südens und Lee Boem-su („The Divine Move“) als brutaler nordkoreanischer General Lim eher wenig zu tun. Und während die beiden Koreaner ihre klischeehaften Rollen mit viel Leidenschaft und Energie ausfüllen, wirkt Neeson als McArthur reichlich albern. Der General wurde in früheren Filmen bereits von Gregory Peck und Laurence Olivier verkörpert, aber Neeson orientiert sich eher an dem breitbeinigen Draufgängertum von John Wayne. Als hätte er sich in ein altmodisch-patriotisches Hollywood-Heldenepos wie „Der längste Tag“ verirrt, zieht er großspurig an seiner Pfeife, spuckt markige Sprüche und nimmt nur selten seine riesige Sonnenbrille ab. Seine Macho-Gesten wirken grotesk, passen damit allerdings durchaus zu der aufwändigen, aber auch arg eindimensionalen Produktion, die nur in den Actionszenen punkten kann. Die sind präzise, effektiv und mit Dynamik inszeniert, doch die dramaturgisch wichtigen Momente der Vorbereitung und Planung bei den Alliierten sind nicht mehr als Lückenbüßer, in denen viel geschrien, aber wenig Gescheites gesagt wird. Für Zwischentöne und Ambivalenz ist in diesem Film kein Platz.
Fazit: „Operation Chromite“ ist ein in schick-düstere schwarzgrüne Bilder getauchtes Kriegsabenteuer mit ansehnlicher Action. Das Vergnügen an dem einseitigen Spektakel wird durch die plattitüdenreichen Dialoge, das grobschlächtige Spiel einiger Darsteller und die unglaubwürdigen CGI-Hintergründe allerdings nachhaltig getrübt.