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    London Fields
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    London Fields

    Ein Neo-Noir für ganz Arme

    Von Oliver Kube

    Es gibt Filmprojekte, die stehen einfach von Beginn an unter keinem guten Stern. Die jahrzehntelange Saga um Terry Gilliams „The Man Who Killed Don Quixote“ ist ein exzellentes Beispiel dafür, was trotz bester Absichten und großer Namen bei einer Filmproduktion alles schieflaufen kann. Als ein – künstlerisch wie finanziell – ähnlich niederschmetterndes Desaster entpuppte sich auch die Produktion sowie die Veröffentlichung des Mystery-Thrillers „London Fields“ von Matthew Cullen. Dabei ist der Spielfilmdebütant in Hollywood alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Schließlich ist er das visuelle Mastermind hinter solchen mit Preisen und Auszeichnungen überschütteten Musikvideos von Pop-Superstars wie Katy Perry, Adele, Jay-Z, Taylor Swift und Pink. Seine Werbeclips für unter anderem IBM, Disney oder Google brachten Cullen ebenfalls jede Menge Aufmerksamkeit und Anerkennung ein.

    Nachdem seit 2001 etablierte Kollegen wie David Cronenberg, David Mackenzie und Michael Winterbottom zunächst zu- und dann wieder abgesagt hatten, wurde 2013 Cullen als Regisseur für die Adaption des Romans von Martin Amis („Saturn-City“) bestätigt. Wenige Monate später begannen die siebenwöchigen Dreharbeiten in der britischen Hauptstadt. Erst zwei Jahre später war dann die Weltpremiere auf dem renommierten Toronto International Film Festival angedacht, die jedoch in letzter Minute wieder abgesagt wurde. Cullen hatte das Studio verklagt und eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil die Produzenten den Streifen ohne seine Zustimmung signifikant umgeschnitten und ihn zudem nicht einmal bezahlt hätten. Die Beschuldigten wiederum warfen dem Newcomer ihrerseits vor, sämtliche Zeitpläne und Budgets gnadenlos überschritten zu haben.

    Die Sexszenen sind wieder raus

    Zu allem Überfluss verklagten sich dann zudem auch noch Hauptdarstellerin Amber Heard und das Studio gegenseitig wegen angeblichen Vertragsbruches. Dem „Aquaman“-Star missfiel der von ihr nicht autorisierte Einbau einiger viel zu explizit erscheinender, angeblich pornografisch anmutender und mit einem Body-Double nachgedrehter Sexszenen. Deshalb weigerte sie sich auch, ihrer Verpflichtung nachzukommen, für den Kinostart ordentlich die Werbetrommel zu rühren. Während der Rechtsstreit mit Cullen bis heute weiter schwelt, kam es mit Heard inzwischen zu einer Einigung. Abgesehen von einem nackten Hintern ist im fertigen Produkt wenig Offenherziges zu sehen. So konnte das Werk Ende 2018 doch noch in die US-Kinos gelangen, wo es allerdings gnadenlos floppte. Und das ganz sicher nicht wegen der fehlenden Nacktaufnahmen.

    Der erfolglose, unter einer Schreibblockade leidende US-Schriftsteller Samson Young (Billy Bob Thornton) kommt im zu einem riesigen sozialen Brennpunkt eskalierten London an. An der Themse sucht er nach Inspiration für einen neuen Roman. Und der Mann scheint tatsächlich Glück zu haben. Denn binnen kürzester Zeit trifft er auf ein ganzes Sammelsurium schräger Unterwelttypen (Jim Sturgess, Johnny Depp) und einen auf undurchsichtige Weise mit diesen verbandelten Aristokraten (Theo James). Ein weiterer Neuling in dem kuriosen Kreis ist die atemberaubend attraktive Nicola Six (Amber Heard), die – wie sich herausstellt – sogar im selben Haus wie Young wohnt. Bei einem Gespräch unter Nachbarn gesteht Nicola dem Autor, sie besäße eine hellseherische Ader. Deshalb sei sie sich auch sicher, in wenigen Tagen getötet zu werden. Sie wüsste genau wo und wie, nur nicht von wem oder warum. Samson wittert die Story seines Lebens und heftet sich an die Fersen der Schönen, als diese beginnt, ihre neuen Bekanntschaften gegeneinander auszuspielen, um so ihren zukünftigen Mörder noch rechtzeitig identifizieren zu können ...

    Jim Sturgess schneidet eine lächerliche Grimasse, während Amber Heard leer in die Ferne schaut.

    Zumindest wird umgehend klar, was wohl Cullens Vision war. Er wollte eine moderne Verneigung vor „Tote schlafen fest“ und anderen Monumenten des Film-Noir-Genres erschaffen. Derlei Ambitionen wird „London Fields“ aber nicht einmal ansatzweise gerecht. Denn das Resultat von Cullens Bemühungen gerät schon erzählerisch nicht nur plump und vulgär, sondern auch verschwurbelt, sprunghaft und wenig zusammenhängend. Visuell entpuppt sich der Film hingegen als einfallslos bis einfältig. Bei dem von Romanautor Amis mitverfassten Handlungs- und Dialog-Material ist es zudem kein Wunder, dass der eigentlich hochkarätige Cast konsequent unter seinen Möglichkeiten performt.

    Amber Heard, die für ihren Auftritt für die berüchtigte „Goldene Himbeere“ als schlechteste Hauptdarstellerin nominiert wurde, entspricht zumindest optisch noch dem Bild der klassischen Femme Fatale. Mit ihrem blutleeren, eindimensionalen und nie charismatischen Spiel gelingt es ihr allerdings nicht, den grauenhaft platten Dialogen Leben einzuhauchen. Ähnlich glücklos agieren Theo James („Die Bestimmung - Divergent“) als ebenso dusseliger wie reicher Schnösel und Jim Sturgess („Across the Universe“) als prolliger Darts-Junkie. Speziell letzterer nervt von Anfang an mit seiner Karikatur eines dummdreisten Cockney-Kleingauners. Diese Figur haben wir schon x-mal in Guy-Ritchie-Filmen und ihren mittlerweile zahllosen Abziehbildern gesehen – nur meist sehr viel cleverer geschrieben.

    Johnny Depp schaut auch mal kurz vorbei

    Johnny Depp („Fluch der Karibik“), der Medienberichten zufolge ohnehin nur aus Gefälligkeit für seine damalige Lebenspartnerin Heard in den Dreh involviert war, hat eine riesige Narbe ins Gesicht geschminkt bekommen und darf dazu ein wenig grimassieren – interessanter macht das seinen blassen und nahezu überflüssigen Charakter aber auch nicht. Weiterhin mischen noch populäre Mimen wie Jason Isaacs („A Cure For Wellness“), die in „Crazy Rich“ so umwerfende Gemma Chan und „Blindspot“-Amazone Jaimie Alexander mit, die aber durch die Bank als bessere Statisten verheizt werden beziehungsweise wie Knallchargen wirken. Allein Billy Bob Thornton („Armageddon - Das jüngste Gericht“) hinterlässt mit seinem für ihn typisch zurückgenommenen, leicht linkisch anmutenden Spiel einen halbwegs positiven Eindruck.

    Aber selbst für beinharte Thornton-Anhänger dürfte sich die Sichtung dieses über weite Strecken planlos vor sich hin mäandernden Machwerks kaum lohnen. Zu träge, zu spannungslos und voll mit unmotiviert eingebauten Set-Pieces wie einem großen Darts-Turnier plätschert das Ganze vor sich her. Nicht einmal der der Buchvorlage etwas Würze gebende schwarze Humor wurde für die Leinwandfassung übernommen. Einem entgleisenden Zug zuzusehen, kann ja durchaus faszinierend sein. Doch dann muss es zumindest das Versprechen eines großen Finales, sprich eines Crashs am Ende, geben. Bei dem hier vorgelegten Zeitlupentempo ist allerdings schon viel zu früh absehbar, dass Lokomotive und Waggons einfach nur auf dem Gras neben der Trasse ausrollen und dann ganz langsam seitlich kippend zum Stillstand kommen werden.

    Preisgekrönt: Für diese Rolle gab's - zu Recht! - eine Nominierung für die Goldene Himbeere.

    Schließlich ist spätestens nach 30 Minuten sonnenklar, wer zum schlechten Schluss der Killer sein wird. Entsprechend zieht sich der Weg zur unvermeidlichen, überraschungsfreien und deshalb unspektakulären Auflösung viel zu sehr hin. Statt Schwung und Gradlinigkeit gibt es seltsame, unverständliche Einschübe wie etwa einige Referenzen an den hauptsächlich im Vereinigten Königreich zelebrierten Guy-Fawkes-Day (siehe „V wie Vendetta“), ohne dass Cullen letztlich irgendetwas Sinnvolles damit anfängt. Meist ist das alles einfach nur – von verquasten Wortwechseln oder Voice-Overs begleitet – sterbenslangweilig. Eine Doku über die sich hinter den Kulissen abspielenden Dramen wäre sicher um einiges aufregender gewesen.

    Fazit: Ein trotz vielversprechender Beteiligung vor und hinter der Kamera geradewegs in den Sand gesetzter, schrecklich langweiliger Möchtegern-Thriller.

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