Im Zentrum der großen amerikanischen Tanzfilm-Klassiker gerade der 1970er und 80er Jahre (etwa „Saturday Night Fever“ oder „Flashdance“) stehen meist Teenager, die mit Hilfe des Tanzens aus ihren engen Verhältnissen ausbrechen und sich so selbst verwirklichen. Und wenn man dieses ur-amerikanische Genre auf deutsche Verhältnisse übertragen will, dann bietet sich natürlich insbesondere das repressive Klima unter der SED-Diktatur als Hintergrund für die Rebellion einer tanzwütigen Jugend an. Das hat sich wohl auch Regisseur Jan Martin Scharf („Wahrheit oder Pflicht“) gedacht, der nun mit „Dessau Dancers“ eine Geschichte um eine Breakdance-Crew in der DDR der 1980er Jahre erzählt. Aber so ein wenig haben die Macher offenbar Angst vor der eigenen Courage bekommen, denn statt sich voll auf die Tanzfilm-Elemente zu verlassen, steckt in „Dessau Dancer“ dann doch deutlich mehr typische (und überdeutliche) Ostalgie-Komödie, als dem Film guttut.
Sommer, 1985: Der amerikanische Breakdance-Film „Beat Street“ kommt sogar in der DDR in die Kinos. Schnell bildet sich eine vor allem aus jungen Leuten bestehende Fangemeinde, die sich den Film immer wieder anguckt und sich selbst auf den Straßen im Breakdance versucht. Dazu gehört auch der 18-jährige Frank (Gordon Kämmerer), der gemeinsam mit seinem Freund Alex (Oliver Konietzny) und der schönen Turnerin Matti (Sonja Gerhardt) schließlich eine eigene Breakdance-Gruppe gründet. Als sich ihnen auch noch der schon länger mit dem Breakdance-Virus infizierte Michel (Sebastian Jäger) anschließt, nennen sich die vier enthusiastischen Tänzer die „Break Beaters“. Doch die Staatsmacht in Form der örtlichen Kommission für Unterhaltungskunst wittert bald unsozialistische Umtriebe. Nach einem ersten Aufenthalt im Gefängnis wird die Truppe vor die Alternative gestellt: Entweder kriegen sie es auch in Zukunft immer wieder mit der harten Hand des Gesetzes zu tun, oder sie treten zum Wohle des Staates professionell als „akrobatische Schautänzer“ auf…
Mit Kinodebütant Gordon Kämmerer und Sonja Gerhardt („Die wilden Hühner und das Leben“) hat Jan Martin Scharf nicht nur zwei extrem sympathische Hauptdarsteller gefunden, auch der Rest der Dessau Dancers mit Oliver Konietzny („Wir waren Könige“) als amüsantem Sidekick und dem ehemaligen Breakdance-Weltmeister Sebastian „Killa Sebi“ Jägers als tanzwütigem Spaßvogel überzeugt. Aber während es tatsächlich mächtig Spaß macht, dem Quartett beim Tanzen zuzusehen, zumal die verwendete Oldschool-Breakdance-Musik jede Menge 80er-Jahre-Feeling versprüht, ist das Drumherum leider weit weniger gelungen: Spätestens nach zehn Minuten hat jeder Zuschauer verstanden, dass es hier um das Ausleben der eigenen Individualität in einer auf Konformität getrimmten Gesellschaft geht. Trotzdem wird diese Botschaft bis zum Abspann nicht nur immer wieder überdeutlich in Szene gesetzt, sie wird sogar wiederholt explizit ausgesprochen: abtörnend penetrant.
Franks Vater (Arved Birnbaum) ist etwa von der ersten Szene an ein grundunsympathischer Kerl, der seit dem Tod seiner Frau quasi gar nicht mehr lebensfähig ist. Dazu wird er als dermaßen angepasster Mitläufer-Feigling dargestellt, dass er bei der ersten Breakdance-Übertragung im Fernsehen tatsächlich glaubt, das Bild wäre gestört, weil da alle so seltsam herumwackeln. In diesem überdeutlichen Stil geht es auch bei den anderen Nebenfiguren weiter: So besteht die Kommission für Unterhaltungskunst aus dicklichen, graugekleideten, zigarrequalmenden und schwerfällig denkenden älteren Herren. Wenn da der Vorsitzende das Wort ergreift, dann wird sofort die Büste von Karl Marx oder ein rotes Fähnchen mit Hammer und Meißel eingeblendet. Natürlich soll diese Überdeutlichkeit witzig sein – aber während sie auf der einen Seite dem Tanzfilm das dramaturgische Wasser abgräbt (wenn das Establishment sowieso nur aus Witzfiguren besteht, dann verliert auch der Rebellionsakt der Jugend seine Kraft), brauchen wir nun wirklich nicht noch eine Ostalgie-Komödie. Zumal wir praktisch dieselben Pointen in „Sonnenallee“ und „Good Bye, Lenin!“ schon sehr viel lustiger serviert bekommen haben.
Fazit: „Dessau Dancers“ punktet mit sympathischen Figuren und schmissiger Musik, bedient dann aber doch mehr als nur ein DDR-Klischee zu viel.