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    4:44 Last day on earth
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    4:44 Last day on earth
    Von Andreas Staben

    Weltuntergang ist in – nicht nur bei den christlichen Hardlinern in den USA, deren Entrückung dann allerdings anders als geplant doch nicht am 21. Mai 2011 eingetreten ist, sondern auch und vor allem bei Filmemachern. Katastrophenspezialist Roland Emmerich widmet sich in seinem neuen Film „Anonymus" diesmal zwar lieber Shakespeare als der Apokalypse, wenigstens aber hat er dem Debütanten Tim Fehlbaum bei dessen Untergangsvision „Hell" unter die Arme gegriffen. Dazu haben zuletzt so unterschiedliche Regisseure wie der Japaner Sion Sono, der in seinem neuen Werk „Himizu" die noch frisch im Gedächtnis haftenden Bilder der Fukushima-Katastrophe verwendet, und Steven Soderbergh, der mit „Contagion" kaum weniger beängstigend eine fiktive globale Virusepidemie protokolliert, ihre Visionen vom drohenden Untergang für die Leinwand umgesetzt. Keiner von ihnen ist dabei allerdings so weit gegangen wie die amerikanische Independent-Ikone Abel Ferrara („Bad Lieutenant", „King of New York"): In seinem kammerspielartigen Endzeit-Drama „4:44 Last Day On Earth" steht das Ende unausweichlich fest. Es gibt keinen Aufschub, keinen Ausweg und keine Alternative. Anders als seine zitierten Kollegen beschränkt sich Ferrara allerdings auf die ganz private Geschichte zweier Personen in Erwartung des Endes, mit dem Effekt, dass von der Ungeheuerlichkeit der Situation wenig zu spüren ist.

    New York: In einer großen Wohnung hoch über der Stadt leben der Schauspieler Cisco (Willem Dafoe) und die Malerin Skye (Shanyn Leigh). Sie wissen wie die gesamte Menschheit, dass dieser Tag der letzte sein wird, denn um ziemlich genau 4:44 Uhr am nächsten Morgen wird das Ozonloch so groß sein, dass das Überleben der Menschheit unmöglich wird. In Erwartung des nahen Endes verbringen Cisco und Skye den Tag: Sex und vertraute Gespräche, Abschied von Freunden und Bekannten, Streit und Eifersucht sowie die Verheißung eines letzten Drogentrips prägen den Tag. Und dann ist es soweit...

    Wie würde ich mich verhalten, wenn ich wüsste, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht? Abel Ferrara macht diese kaum beantwortbare Frage zum Ausgangspunkt seines Films und zeigt eine ganze Palette möglicher Antworten. Gleich zu Beginn schlafen Cisco und Skye miteinander – Ferrara ist in dieser Szene ganz nah dran, er zeigt wie sich mit der Steigerung der Lust die Rastlosigkeit langsam verliert und ein Moment entsteht, der nur für sich da ist. In dieser zärtlichen und leidenschaftlichen Sequenz werden auch die Gefühle der beiden Liebenden beredt zum Ausdruck gebracht, was ihnen mit Worten sinnigerweise weitaus weniger gut gelingt. Und wenn sich die Anspannung später in Streit entlädt, ist das ähnlich gut nachvollziehbar, genauso wie die gezwungenen Scherze und die fehlenden Worte beim Abschied von Freunden. So schlüssig solche Einzelszenen gelingen, so wenig Leben gewinnen die Figuren allerdings insgesamt.

    Es ist dem auf einen Tag beschränkten Handlungsrahmen geschuldet, dass wir wenig über die Protagonisten erfahren. Während sie immer wieder in Action-Painting-Manier schwarze Farbe auf große Flächen verteilt und somit leicht als Malerin zu identifizieren ist, muss man schon wesentlich besser aufpassen, um mitzubekommen, dass er ein Schauspieler ist. Auch Details wie eine offenbar lang bekämpfte Drogensucht bleiben mehr Andeutung, als dass sie zur dramatischen Substanz beitragen. Eine der wesentlichen Reaktionsmöglichkeiten auf das Ende, nämlich die Auflehnung, die Revolte, bleibt hier weitgehend ausgespart, das Stadium haben die beiden Protagonisten womöglich schon hinter sich – so fehlt für Willem Dafoe („Platoon", „Die letzte Versuchung Christi") und Shanyn Leigh („Public Enemies") auch ein wesentliches Ausdrucksregister.

    Während die skizzenartige Figurenzeichnung einer nachhaltigen dramatischen Wirkung im Wege steht, sind die Hintergrundinformationen zum Weltenende gerade in ihrer Willkür ein passender Kontrapunkt zur privaten Ebene der Erzählung. Da sieht man auf den zahlreichen Bildschirmen in der Wohnung mal den Dalai Lama über den falschen Umgang der Menschen mit der Natur schwadronieren, mal erklärt uns Ex-Vizepräsident Al Gore, spätestens seit der Dokumentation „Eine unbequeme Wahrheit" als engagierter Umweltschützer bekannt, die wissenschaftlichen Hintergründe für die Katastrophe. Die TV-Sender berichten natürlich live von überall als wäre Silvester und da ist dann – auch das plausibel – zu sehen, wie Millionen sich an den heiligen Stätten der großen Religionen versammeln. Von Orgien und Ausschreitungen allerdings auch hier keine Spur.

    Fazit: „4:44 Last Day On Earth" ist ein vom Entwurf her sehr reizvolles Was-wäre-wenn-Drama, allerdings bleibt die überraschend zahme Geschichte eines Paares im Angesicht des bevorstehenden Weltuntergangs zu sehr Versuchsanordnung, um wirklich zu begeistern.

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