Das als „Pink Eiga" bezeichnete japanische Softsex-Genre wird in Deutschland allmählich salonfähig und erobert sich eine immer größere Nische. Einzelne Produktionen wie „The Strange Saga Of Hiroshi The Freeloading Sex Machine" laufen nicht länger nur auf Festivals, sondern kommen sogar in die DVD-Regale der großen Elektronikmärkte. Zu verdanken ist dies dem Kölner Label RapidEyeMovies, das immer wieder einzelne Rosinen aus der riesigen Menge japanischer Pink-Produktionen pickt und hierzulande veröffentlicht. Für „Underwater Love" ist Labelchef Stephan Holl nun noch einen Schritt weitergegangen – bei Shinji Imaokas Erotik-Musical fungiert er als Co-Produzent. Beim ersten deutsch-japanischen Kino-Sexfilmchen zählt er auf die Neugierde der Zuschauer ohne Pink-Erfahrung, die durch prominente Namen wie das Berliner Elektro-Pop-Duo Stereo Total und den Kameramann Christopher Doyle, der vor allem für seine Arbeiten mit Wong Kar-Wai („In The Mood For Love", „2046") bekannt ist, angelockt werden sollen. Die Genre-Neulinge werden an dem überdreht-schrägen Treiben auch den meisten Spaß haben, während den hartgesottenen Fans mit Ausnahme der urkomischen Musical-Szenen und des fantastischen Soundtracks wenig Neues geboten wird.
Asukas (Sawa Masaki) Leben verläuft zwischen ihrer monotonen Arbeit in einer Fischfabrik und der Beziehung zu ihrem steifen Verlobten (Mutsuo Yoshioka), der zugleich ihr Chef ist, in geregelten Bahnen. Doch während der Arbeit sieht sie eines Tages im benachbarten See einen Kappa (Yoshirô Umezawa), ein japanisches Fabelwesen, das teils Mensch, teils Schildkröte, teils Fisch ist. Natürlich glaubt ihr niemand, als sie davon erzählt, doch kurz darauf begegnet sie dem Kappa erneut. Wie sich herausstellt, ist das Wesen die Reinkarnation von Aoki, einem ehemaligen Mitschüler von Asuka, der damals ertrunken war. Kurzerhand quartiert sich der Kappa bei Asuka ein und bringt deren Privat- und Sexleben gehörig durcheinander. Doch damit nicht genug, denn als der Kappa als Mensch getarnt in der Fischfabrik anheuert, ist Asukas vollbusige Kollegin Reiko (Kairi Narita) sofort Feuer und Flamme für den neuen Kollegen...
In Japan hat der Pink-Film eine lange Tradition. Entstanden in den Sechzigern erreichte er seinen Höhepunkt ein Jahrzehnt später, als fast jede zweite japanische Produktion diesem Genre entstammte. Im Pink-Film ging es schnell mehr als um reine Fleischbeschau. Vor allem politische Aktivisten aus dem Umfeld der Studentenproteste nutzten ihn zur Agitation. Ein ausdrücklicher linker Polit-Film wäre im strengen japanischen Studio-System zu jener Zeit niemals produziert worden, beim Pink-Film dagegen wurde den Regisseuren weitgehend freie Hand gelassen, solange sie billig und schnell arbeiteten und ausreichend Sexszenen einbauten. So wurde das Genre auch zur Spielwiese für neue Talente wie die heute international gefeierten Regisseure Kiyoshi Kurosawa („Tokyo Sonata"), Yojiro Takita („Nokan - Die Kunst des Ausklangs") sowie allen voran Koji Wakamatsu („Caterpillar"), einst eine der schillerndsten und bedeutendsten Figuren des Pink-Films.
„Underwater Love"-Regisseur Shinji Imaoka („Tasogare - Liebesatoll im Abendrot") hat sich anders als viele Kollegen fest dem Billig-Genre verschrieben. Er gehört zu einer Reihe von Filmemachern, die in Japan die „Sieben Glücksgötter" genannt werden und das Genre im Moment bestimmen und nachhaltig prägen. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Mitsuru Meike, der in „The Glamorous Life Of Sachiko Hanai" von George W. Bush abgeschnittenem Mittelfinger und damit von der großen Weltpolitik erzählt, beschränkt sich Imaoka meist auf die Beziehungen zwischen einfachen Menschen – so auch in „Underwater Love".
Die Handlung besteht hauptsächlich aus lose verbundenen Sex- und Musical-Szenen, wobei durchaus Themen wie die Sehnsucht nach Liebe und einem erfüllten Leben aufgegriffen werden. Nebenbei ist „Underwater Love" auch ein sympathisches Plädoyer für Freigeistigkeit und den Ausbruch aus zu engen gesellschaftlichen Konventionen. Im Vordergrund steht aber das Bemühen um möglichst lustige Szenen - hier zeigt sich, dass der Pink-Film als Sex-Film im westlichen Sinne nicht zu gebrauchen ist. Die absurden Sexszenen sind wenig erotisch, sie arten vielmehr in das reinste Slapstick-Spektakel aus. Dazu kommt die gnadenlose Übertreibung der Darsteller, die ständig übereinander stolpern oder so wild rammeln, als wollten sie die Stichfrequenz einer elektrischen Nähmaschine überbieten.Wer bislang noch keinen Pink-Film gesehen hat, dürfte sich dabei verwundert-amüsiert die Augen reiben und zu dem einen oder anderen Lacher hinreißen lassen. Routiniers sehen dagegen wenig Neues, auch wenn Star-Kameramann Christopher Doyle mit kleineren Spielereien einige Szenen ästhetisch aufwertet.
Ein Prunkstück von „Underwater Love" sind hingegen die knallbunt-grotesken Musical-Szenen. Das Elektro-Pop-Duo Stereo Total hat die Songs für den Film in Japanisch geschrieben und eingesungen. Die Darsteller und Statisten hampeln dazu wie wild vor der Kamera herum – meist nicht einmal ansatzweise im Takt. Auch ihre Mundbewegungen sind völlig asynchron. Gerade diese Momente enthusiastischen Dilettantentums machen Spaß - und Lust aufs Mittanzen.
Fazit: Für alte Fans der Pink-Softsex-Filme ist „Underwater Love" als deutsch-japanische Co-Produktion allenfalls ein Kuriosum, aber mit seinen beschwingten Musical-Szenen, Bildern von Christopher Doyle und Songs von Stereo Total ist er dennoch nicht nur für Genre-Neulinge ein Vergnügen.